Die Ausstellung "Food Revolution 5.0 - Gestaltung für die Gesellschaft von morgen" ist vom 19.Mai bis 29. Oktober 2017 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.
"Essen ist hochgradig politisch"
Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ruft zur "Food Revolution" auf. In der gleichnamigen Ausstellung präsentieren internationale Designer Ideen und Entwürfe, die Alternativen zu unserer industriellen Landwirtschaft aufzeigen.
Hier jammert niemand, es gäbe keine Alternativen zu Klimawandel, Hungersnöten und Wasserknappheit. Hier wird von Anfang an klar gestellt, dass es reichlich Auswege gibt.
Für den Betrachter kann das schon mal unbequem werden. Etwa, wenn man meint, man läge mit seiner "Soja-Latte" rein nahrungsmitteltechnisch gesehen genau richtig...
"Also, wenn man jetzt einen Soja-Latte trinkt, ist man nicht automatisch ein besserer Mensch. Im Gegenteil: Soja ist eine Monokultur. Soja macht die Böden kaputt. Und vor allen Dingen: Für Soja wird unser Regenwald abgeholzt. Und das wissen die Wenigsten."
Sagt Kuratorin Claudia Banz, und blickt auf eine große Fotoserie, die die Folgen industrieller Landwirtschaft vorführt: Rinder stehen auf toten Böden, auf denen einst brasilianischer Urwald wuchs. Daneben reichen Soja-Felder bis zum Horizont.
"Das sagen ganz viele Studien: Die industrielle Landwirtschaft führt uns wirklich in den Abgrund. Die industrielle Landwirtschaft ist einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Und deswegen: Wir müssen etwas tun!"
Dramatische Folgen der industriellen Landwirtschaft
Die engagierte Kuratorin tut etwas. Nach ihren erfolgreichen Ausstellungen über Billigmode und Erdöl holt sie zum dritten Mal ein aktuelles, gesellschaftspolitisches Thema ins Museum.
"Wir wollen einfach dem Besucher klarmachen: Essen ist hochgradig politisch."
So konfrontiert die Ausstellung Fotoserien und Info-Tafeln über die dramatischen Folgen der industriellen Landwirtschaft mit immer neuen Designer-Ideen: In vier umfangreichen Kapiteln treffen die aktuellen Probleme auf alternative Produktionsweisen und Märkte, sowie auf Entwürfe zu einer neuen - alten - Küchen- und Tischkultur.
Denn die überwiegend jungen Designer der "FOOD Revolution-Ausstellung" verbänden oft moderne Technologien mit altem Kulturwissen, so Claudia Banz:
"'Revolution' heißt: nicht bedingungsloser Fortschritt, immer weiter in der Technologisierung und mit smarten Küchen und Apps und was es alles gibt. Sondern sich zurückbesinnen: Was brauchen wir wirklich? Wie viel müssen wir wirklich Essen? Das ganze Thema Regionalität: Erdbeeren isst man eben dann nur im Juni, wenn sie wachsen. Und nicht im Winter."
Ein kleines Architekturmodell präsentiert einen Schweinestall und ein Gewächshaus unter einem Dach: Sämtliche Ausscheidungen der Tiere werden direkt zur Aufzucht von Tomaten genutzt.
Insektenfarm für den Hausgebrauch
Eine edel gestaltete Küchenwand entpuppt sich als autarkes Wunderwerk: Der Ofen gart mit Heu. Daneben reinigen Schlingpflanzen in einem Wasserbecken das Abwaschwasser für die Wiederverwertung.
Und ein kurzer Film stellt die Insektenfarm für den Hausgebrauch vor: ein kleines Gefäß reicht aus, um in der heimischen Küche den Steak-Ersatz selbst zu züchten.
"Insekten sind in asiatischen Ländern tägliche Speise als Proteinlieferant. Bei uns sind Insekten mit Ekel behaftet, gleichzeitig haben wir aber das ganze Problem mit der Tierhaltung, Fleischkonsum, CO2-Ausstoß, Klima - also eigentlich brauchen wir alternative Proteinquellen."
Wie aber bekommt man den Nordeuropäer dazu, seine Vorbehalte zu überwinden und Insekten zu essen? Carolin Schulze setzt dafür auf uns Vertrautes: Sie püriert Mehlwürmer zu Brei, aus dem dann ein 3-D-Drucker kleine Hasen formt.
Der in Kuwait lebende Hanan Alkouh geht noch einen Schritt weiter: In seinem Film lässt er einen Schlachter eine Rinderhälfte zerlegen - mit Säge, Axt und Messer. Erst der Titel der Arbeit verrät: Das vermeintliche Tier besteht aus Algen - einem idealen Fleischersatz!
Bewusst Essen
Dass wir angesichts der ständigen Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln immer gedankenloser Essen - vorm Computer, vorm Fernseher oder im Gehen irgend etwas bewusstlos runterschlingen - kennt wohl jeder. Und so schließt die Ausstellung mit einigen Entwürfen und witzigen Trickfilmen, in denen Designer dieses Essverhalten aufs Korn nehmen: Da gibt es z.B. Müsli-Schalen mit Deckeln, deren kleine Öffnungen das schnelle Löffeln unmöglich machen. Oder Gabeln mit sehr kurzen Zinken, die das Essen garantiert wieder zu einem bewussten Erlebnis werden lassen!
Sehr unterhaltsam und sinnlich fordert die Ausstellung so einen grundlegenden Bewusstseins- und Wertewandel gegenüber dem Essen ein - von der Produktion bis zum gemeinsamen Verspeisen.
Und, so Claudia Banz, die mit dieser Ausstellung Ihren Abschied nimmt:
"Dass Schöne ist: Jeder Einzelne kann ganz leicht zu dem Wandel beitragen."