Ausstellung: "Geschlechterkampf"

Aufwühlende Bilder der Geschlechterbeziehungen

Städelmuseum in Frankfurt am Main: Ein Fotograf macht ein Foto von dem Gemälde "Sie She" von Gustav Adolf Mossa aus dem Jahr 1905
Städelmuseum in Frankfurt am Main: Ein Fotograf macht ein Foto von dem Gemälde "Sie She" von Gustav Adolf Mossa aus dem Jahr 1905 © picture alliance / Andreas Arnold / dpa
Von Rudolf Schmitz |
Je mehr Rechte sich die Frau erkämpft, desto aggressiver werden ihre Darstellungen in der Kunst. Die Kunstgeschichte der Moderne gibt lebhaft Zeugnis vom "Geschlechterkampf". Eine gleichnamige Ausstellung im Frankfurter Städel Museum kommt etwas sensationslüstern daher, ist aber dennoch unbedingt sehenswert.
Die Männer sind bei Franz von Stuck eher kümmerliche Gestalten. Kann man vom knackigen Adam allerdings nicht sagen. Aber auch er hat keine Chance gegenüber der verführerischen Eva, mit der einen Hand kokett auf der Hüfte. Mit der anderen bietet sie Adam den roten Apfel, und der steckt im Maul der blauen Python, die sich komplizenhaft um Evas Blöße ringelt. Das Unheil nimmt seinen Lauf. Auftakt einer Ausstellung, die aufwühlt. Mit pathetischen, grotesken, gewalttätigen, selten einmal freudigen Szenen des Geschlechterkampfes.
Kurator Felix Krämer: "Aber wir sind alle so eingeübt, wenn wir zwei nackte Menschen nebeneinander stehen sehen, dann sagt uns unsere kulturelle Vorbildung: Wir sind sofort bei Adam und Eva. Und wir haben diesen Prolog, es ist ein bisschen augenzwinkernd, weil, flapsig formuliert: Damit fing der ganze Schlamassel an."
Kurator Felix Krämer hat mit dieser Ausstellung, präsentiert in einem eleganten Schwarz-Grau, oft im Halbdunkel, die Büchse der Pandora geöffnet. Man sieht prominente Werke prominenter Künstler, aber auch Skurrilitäten heute vergessener Zeitgenossen. Zum Beispiel eine Lilith - nach jüdischer Überlieferung Adams erste Frau - aus der Hand des englischen Salonmalers John Collier, entstanden 1889. Ein Pin-Up-Girl, wie es auch auf den Tank einer Harley Davidson passen würde. Oder einen Adam, der Eva zu Füßen liegt, als schmachtendes männliches Aktmodell. Vom dänischen Maler Julius Paulsen, 1887.

Das Tier im Mann – ein beliebtes Thema des Geschlechterkampfes

"Das ist so ein bisschen auch unsere Handschrift, glaube ich, dass wir uns sehr darum bemühen, den Kanon auch in Frage zu stellen und zu sprengen. Und so eine Ausstellung ist dann auch ein Angebot, die Kunstgeschichte neu zu entdecken."
Eine Ausstellung getreu dem Motto: "Wer ins Städel geht, der kann was erleben." Der Ausstellungsparcours führt durch Filmräume, die den Geschlechterkampf mit populären Motiven bebildern. Was hat Merian Coopers Film "King Kong" von 1933 hier zu suchen? Angeblich wurde er inspiriert von Emmanuel Frémiets und seiner 1887 entstandenen Skulptur "Gorilla, eine Frau raubend". Das Tier im Mann – ein beliebtes Thema des Geschlechterkampfes.
Die kühlen, mordenden Frauen bei Franz von Stuck jedenfalls sind nur die Spitze eines Eisbergs, der in dieser Ausstellung genüsslich gehoben wird.
Krämer: "Je mehr Rechte die Frau sich erkämpft, um so aggressiver werden die Darstellungen der in der Regel männlichen Künstler. Das Zerrbild, das wir in diesen Werken dann sehen, es wird immer abstruser."

Die Unheil bringende Frau als Faszinosum

Männerängste und -faszinationen angesichts der Unheil bringenden Frau durchziehen die Werke von Gustave Moreau, Lovis Corinth, Felicien Rops, Aubrey Beardsley. Eine der wenigen Frauen, die sich im Übergang zum 20. Jahrhundert zum Thema melden, ist Jeanne Mammen. Man kennt sie vielleicht von ihren kessen Frauengestalten der Weimarer Republik. Hier ist sie mit frühen symbolistischen Arbeiten zu sehen: Frauen am Kreuz oder eine heilige Absinthtrinkerin. Ausgeflippte, bunte, fantasiesprühende Aquarelle.
Krämer: "Also es ist wirklich das allererste Mal, dass diese Arbeiten öffentlich zu sehen sind, und sie sind kunsthistorisch von einer großen Bedeutung, weil sie ist eigentlich die erste Frau, die das Thema des Geschlechterkampfes tatsächlich auch durchdekliniert und zu ihrem Thema macht. Und das ist eine der großen Überraschungen in dieser Schau."
Die Frauen- und Männerbilder des beginnenden 20. Jahrhunderts sind kaum weniger neurotisch. Der großartig düstere Edvard Munch, der perverse Otto Dix, der durchgeknallte Oskar Kokoschka, die aufgewühlte Elfriede Lohse Wächtler – überall selbstbewusst provokante Frauen und gewalttätige Männer auf Rachefeldzug.
Louis Buñuels Film "Ein andalusischer Hund" zeigt noch mal den anarchisch übergriffigen Mann. Ansonsten bevorzugt der Surrealismus das Androgyne, lässt Männliches und Weibliches ineinander fließen. Meret Oppenheim präsentiert gefesselte Stöckelschuhe auf einem Silbertablett, Frida Kahlo schließlich malt sich selbst als blutender kleiner Hirsch, mit Pfeilen gespickt: ein männlich-weibliches Märtyrerbild.
Die Ausstellung hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zu sensationslüstern, zu wenig roter Faden, zu viel Kino. Aber dann muss man auch zugeben: So verwirrend, aufwühlend und chaotisch ist er nun mal, der Geschlechterkampf.
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