Die Austellung "Ikonen. Was wir Menschen anbeten" ist vom 19. Oktober 2019 bis zum 1. März 2020 in der Bremer Kunsthalle zu sehen.
Die Sehnsucht nach dem Göttlichen
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Madonnen-Bildnisse oder Beyoncé? Wen oder was Menschen anbeten, hat sich immer wieder verändert. Eine Ausstellung in der Bremer Kunsthalle zeichnet diesen Wandel nach. Ihr Leiter Christoph Grunenberg sagt: Auch Kunst sei heute Religionsersatz.
Was früher für orthodoxe Christen vielleicht ein goldenes Madonnen-Bildnis war, könnte heute für religionsferne Jugendliche ein Foto von Beyoncé sein: eine Ikone. Die Ausstellung "Ikonen. Was wir Menschen anbeten" in der Bremer Kunsthalle zeigt, wie sich das Verständnis von Ikonen im Laufe der Zeit gewandelt hat.
Das Besondere: In jedem Raum der Kunsthalle wird dabei nur ein Werk gezeigt. Das Konzept sei ihm schon immer vorgeschwebt, erzählt der Leiter der Kunsthalle Christoph Grunenberg: "Alles mal leerzuräumen und zu sagen: Hier ist ein mächtiges Werk, das uns bewegt. Das es aushalten kann, allein im Raum zu sein." Das Einlassen auf das einzelne Kunstwerk ähnele der Anbetung und Verehrung einer Ikone.
Mittelalterliche Ikone als Vorbild
In Bremen ist eine große Bandbreite an Kunst vertreten: Werke aus neun Jahrhunderten und Leihgaben aus der ganzen Welt. Darunter findet sich beispielsweise Kunst von Caspar David Friedrich, Jeff Koons und Andy Warhol. Gezeigt werden aber auch Reliquien, ikonische Künstler, die sich selbst zu Propheten oder Schamanen stilisiert haben – und moderne Pop-Ikonen. Wer die Ausstellung besucht, kann sich wie Beyoncé und Jay-Z im Musikvideo zu "Apeshit" inszenieren, in dem die beiden im Louvre vor der Mona Lisa posieren.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist die mittelaterliche Ikone. Sie sei damals die vorherrschende Bildform gewesen, sagt Christoph Grunenberg. "Sie wurde verehrt, sie wurde angebetet, sie war wundertätig", erklärt er. "Aber das Wichtigste war, man glaubte an die Präsenz Gottes in diesen Werken." Ikonen seien Werke, die bewegen, die zur Kontemplation, zur Reflexion, zur Ekstase oder zur Hypnose einladen.
Streben nach dem Übersinnlichen
In unserem heutigen Sprachgebrauch sei dagegen praktisch alles ikonisch: Architektur, Hollywoodstars, Popmusiker, Modedesigner, Markenprodukte. "Man muss nur drei Monate in den Medien sein und schon wird man zur Ikone", sagt Christoph Grunenberg. "Natürlich schwingt in dem Ikonenbegriff aber auch mit, dass es eine Sehnsucht nach Vorbildern gibt, nach Idolen, vielleicht auch nach dem Übersinnlichen und Göttlichen."
In unserer säkularen Welt sei dabei auch Kunst zu einer Ersatzreligion geworden: "Wir gehen vielleicht nicht mehr in die Kirche, sondern gehen am Sonntag ins Museum. Wir pilgern zu Großausstellungen, wir verehren bestimmte Künstler."
(jfr)