Die Ausstellung "Hinter der Maske. Künstler in der DDR" ist vom 29. Oktober 2017 bis 4. Februar 2018 im Museum Barberini in Potsdam zu sehen.
Wie DDR-Künstler ihren Staat reflektierten
Die Ausstellung "Hinter der Maske" im Museum Barberini in Potsdam zeigt Werke von DDR-Künstlern - sowohl staatstragender als auch kritischer Maler und Bildhauer. Die Kunst der DDR sei reicher, als es heute oft scheine, meint Kuratorin Valerie Hortolani.
Etliche Kuratoren und Kunstexperten haben sich schon an der DDR-Kunst abgearbeitet - manche sahen sie dabei durchaus kritisch, andere rein (n)ostalgisch. Das Museum Barberini in Potsdam will jetzt, mit dem Abstand der Nachwende-Jahrzehnte, auf die Künstler blicken - und ihr Selbstverständnis beleuchten.
In der Ausstellung "Hinter der Maske" geht es darum, wie sich Künstler im System DDR sahen, wie sie sich behaupteten. Eine Spurensuche, die oft ein Lesen in den Gesichtern ist. Denn ein Großteil der ausgewählten 117 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen sind Selbstbildnisse. Mal expressiv, mal realistisch, fantastisch oder fast abstrakt sind diese Portraits. Und so verschieden wie ihr Stil sind die Künstler selbst. Denn die Kuratoren haben Werke von staatstragenden und dissidentischen Künstler nebeneinander gehängt.
Cornelia Schleime etwa, 1984 nach etlichen Anträgen aus der DDR ausgereist, inszeniert sich etwa selbst als verschnürtes Paket - als Zeichen der Enge, die das System DDR für sie bedeutete. Willi Sitte, Systemkonformer Staatskünstler und Funktionär zeigt sich nackt in schillernden Farben gemalt. Norbert Wagenbrett malt sich ganz sozialistisch realistisch neben einem Arbeiter. Gerhard Altenbourg, melancholisch fantastischer Freigeist, schraffiert sich versunken im "Ich-Gestein".
Auch Gemälde aus dem Palast der Republik zu sehen
Zum Titel der Schau "Hinter der Maske" erklärt Kuratorin Valerie Hortolani im Deutschlandfunk Kultur: Die Frage, wer diese Maske trage, sei vieldeutig. "Denn man könnte meinen, die Künstler haben sich die Maske aufgesetzt. Und tatsächlich ist es so, dass die Maske ein Motiv ist, das häufig in Bezug auf das Selbstbildnis von Künstlern verwendet wird." Aber man könne auch davon sprechen, dass der Staat DDR den Künstlern diese Maske aufgesetzt hat. "Denn sie hat von den Künstlern eine gewisse Rolle, eine bestimmte festgelegte Rolle verlangt, und dahinter mussten sich die Künstler dann verhalten und diese Maske auch wieder abreißen können", so Hortolani.
Gezeigt werden in der Ausstellung Einsichten und Ansichten der DDR-Künstler - zwischen systemkritisch und -konform. Im Museum zu sehen sind zudem 16 großformatige Gemälde aus dem Palast der Republik. So präsentiert die Schau quasi auch die Maske, hinter die man blicken will – und erhofft sich von dieser Gegenüberstellung, dass die Selbstreflexion, die "hinter der Maske" stattfand, noch deutlicher wird.
Die Ausstellung soll auch ein jüngeres, internationales Publikum ansprechen. Man darf gespannt sein, ob sie mit ihrem sozusagen innerdeutschen Thema genauso ein Erfolg wird wie die Schauen des französischen Impressionismus und der amerikanischen Moderne zuvor.
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: 1989 war ohne Zweifel ein einschneidendes Jahr, denn der Fall der Mauer war bekanntlich der Anfang vom Ende der DDR und auch der Anfang vom Ende der Kunst in der DDR. Namen wie Adler, Weidenbach und natürlich Penck stehen für diese Kunst. Mehr als 100 Werke von 80 DDR-Künstlern werden ab morgen im Museum Barberini in Potsdam zu sehen sein. Das noch recht junge Haus konnte mit Impressionismus und amerikanischer Moderne zwei große Publikumserfolge landen. Jetzt also ein Thema, das sich auf dem ersten Blick kantiger darstellt, eben Kunst und Künstler in der DDR. Kuratiert wurde die Ausstellung von Michael Philipp und Valerie Hortolani, und genau die kann ich jetzt im "Studio 9" begrüßen. Guten Morgen!
Valerie Hortolani: Guten Morgen!
Welty: Wir müssen da kein Geheimnis draus machen, Sie waren gerade mal zwei, als die Mauer fiel. Wie haben Sie sich persönlich der Kunst aus der DDR angenähert? Auf ähnliche Weise, wie Sie das bei Kunst aus dem Barock machen würden oder Kunst aus der Renaissance?
Hortolani: Vermutlich gibt es Ähnlichkeiten, ja, das ist richtig. Man liest sich das Thema an, aber wir befinden uns ja auch immer noch in der glücklichen Lage, dass wir mit Zeitzeugen selbst sprechen können. So lang ist die DDR dann auch wieder nicht her, auch wenn es schon 27, 28 Jahre sind.
Welty: Was war da Ihr beeindruckendster Kontakt oder der Kontakt, wo Sie sagen, das hat mir am meisten geholfen?
Hortolani: Ich glaube, die Kontakte waren vielfältig. Natürlich so Künstler wie Strawalde kennenzulernen und seinen performativen Gestus zu erleben, das sind sicherlich auch so Erinnerungen, die dann bleiben.
Welty: Die Ausstellung im Museum Barberini heißt "Hinter der Maske: Künstler in der DDR", und mit diesem Titel verbinden sich für mich mindestens drei Fragen: Wer trägt die Maske, wie sieht die Maske aus, und was gibt es dahinter zu entdecken?
Hortolani: Also Entdecken, das kann ich verraten, gibt es viel dahinter. Wer die Maske trägt, ist tatsächlich genau die Frage, die sich vieldeutig auch an diesen Titel knüpft. Denn man könnte meinen, die Künstler haben sich die Maske aufgesetzt. Und tatsächlich ist es so, dass die Maske ein Motiv ist, das häufig in Bezug auf das Selbstbildnis von Künstlern verwendet wird. Also das ist erst mal eine sehr pauschale Beobachtung, aber tatsächlich ist es so, dass man auch davon sprechen kann, dass die DDR, der Staat, den Künstlern selbst auch diese Maske aufgesetzt hat, denn sie hat von den Künstlern eine gewisse Rolle, eine bestimmte festgelegte Rolle verlangt, und dahinter mussten sich die Künstler dann verhalten und diese Maske auch wieder abreißen können.
Die Themen aus den Werken entwickelt
Welty: Gibt es ein Ausstellungsstück, an dem sich diese Ambivalenz besonders gut festmachen lässt?
Hortolani: Wir haben in der Ausstellung ein ganzes Kapitel zu den Masken und Verhüllungsmethoden oder dem Thema auch des Karnevals, also Verhüllung und Maskierung liegen da nah beieinander, eingerichtet. Und das Werk, das mir da jetzt einfällt, wäre eine Skulptur, die wir von Theo Balden zeigen, "Kopf mit Maske", und da ist tatsächlich so eine Verschalung auf ein Porträt gesetzt. Und es finden sich immer wieder so Ausblicke und Einblicke und Offenlegung und Verhüllung, und da ist dieses Spiel vielfältig und ist in alle Richtungen auch lesbar.
Welty: Wir müssen ja unterscheiden zwischen staatstragender Kunst und staatskritischer Kunst. Sie zeigen beides. Kann man denn tatsächlich beiden Richtungen gerecht werden, sie loslösen aus dem historischen und auch aus dem moralischen Kontext?
Hortolani: Ich denke, das muss den Betrachtern und Besuchern selbst überlassen sein, es moralisch zu bewerten. Wir versuchen hier bewusst einen kunsthistorischen Zugang, denn es gab verschiedene Ausstellungen, die sich im Vorfeld in den letzten Jahrzehnten gerade diesen politischen Fragen gestellt haben. Und wir sehen eine Notwendigkeit darin, dies jetzt aus kunsthistorischen, neuen Rahmenbedingungen heraus zu betrachten.
Welty: Kunsthistorischer Zugang bedeutet genau was?
Hortolani: Wir haben die Themen, die wir in der Ausstellung zeigen, aus einer Bestandsaufnahme heraus entwickelt. Das heißt, wir gehen von den Werken aus, wir gehen nicht von einer vorgefassten Meinung über den Künstler oder die Künstlerin oder auch den Staat selbst aus, sondern wir haben von den Werken aus unsere Themen entwickelt, und diese Themen knüpfen an Themen an, die in der Kunstgeschichte fußen. Das ist das Selbstbildnis, es ist das Gruppenporträt, es sind Bezüge, ganz offensive auch oder offensichtliche zur Kunstgeschichte, die gesucht und gefunden wurden von den Künstlern.
Welty: Und welche Bezüge ergeben sich da?
Hortolani: Die Bezüge fußen in der Kunstgeschichte, sie richten sich zurück, wobei es auch Tendenzen gibt, in denen die Künstler ganz auf Augenhöhe auch mit Tendenzen im Westen zu vergleichen sind, und die Bezüge fußen mehr in einer Tradition. Das kann man vielleicht verallgemeinernd sagen, wobei wir eigentlich auch diese Verallgemeinerung vermeiden möchten.
"Die Kunst der DDR ist reich"
Welty: Die Künstler, die ausgestellt werden, haben vor und nach dem Mauerfall sehr unterschiedliche Entwicklungen genommen. Inwieweit spiegelt sich das in der Ausstellung wider, und lässt sich trotzdem so etwas wie eine Gemeinsamkeit entdecken?
Hortolani: Die Entwicklung waren sicherlich unterschiedlich, aber es ist auch auffällig oder interessant, dass Künstler nach der Wende nicht alle radikal ihren Stil gewechselt haben, sondern man tatsächlich auch da wiederkehrende Motive findet und dass man merkt, dass die Künstler auch einfach ihren Stil schon gefunden hatten und diesen beibehalten haben und da jetzt nicht ein Verstellen in den ganzen Jahrzehnten davor stattgefunden hat. So würde ich auch differenziert an diese Frage gehen wollen, dass man es immer im einzelnen Fall dann auch untersuchen und zeigen muss.
Welty: Was bedeutet Kunst in der DDR für das Heute? Wie fällt Ihr Fazit aus, nachdem Sie jetzt diese Ausstellung vorbereitet haben?
Hortolani: Die Kunst in der DDR ist reich, sie ist auch reicher als man es vielleicht aus einem retrospektiven Blickwinkel häufig meinen mag, und es gibt da viel zu entdecken, und ich denke, wir haben auch in Deutschland eine vielleicht Notwendigkeit oder eine Aufgabe, uns auch damit auseinanderzusetzen.
Welty: Warum?
Hortolani: Weil gerade in den Jahrzehnten, die zurückliegen, die Dominanz aus dem Westen doch eine sehr auffällige war, und die DDR hat sich 40 Jahre lang …, gehörte sie auch im 20. Jahrhundert zum Teil unserer deutschen Geschichte, und das ist ein Zeitraum, der nicht zu leugnen ist und in einer Zeit auch, in der auch viel passiert ist. Und so sehe ich auch aus einer heutigen Perspektive ein Bedürfnis, da sich dem auch aus einem neuen Blickwinkel zu nähern.
Diskursiveres Thema als bei den Schauen zuvor
Welty: Wie schützen Sie sich vor zu viel Rückschau und vor zu viel Sentimentalität?
Hortolani: Ich hoffe, dass wir das tun durch unseren sachlichen Zugang; dass wir die Kunst in der DDR nicht versuchen nostalgisch wieder aufleben zu lassen oder zu zeigen, sie aber auch, wie schon erwähnt, nicht zu moralisieren und so hoffentlich auch neue Blickwinkel in die Zukunft auch richten können.
Welty: Ich habe es eingangs erwähnt: Sie konnten mit den ersten beiden Ausstellungen im Barberini einen großen Erfolg landen. Welche Hoffnungen und welche Risiken gehen Sie jetzt ein mit dieser Ausstellung?
Hortolani: Die Kunst in der DDR ist im Vergleich zum Impressionismus und zur amerikanischen Moderne – das waren die Themen der ersten beiden Ausstellungen – sicherlich ein diskursiveres Thema, eines, das auch mehr Befindlichkeiten und Emotionen immer noch weckt und bereithält bei den Besuchern, und dieser Diskussion wollen wir uns natürlich auch nicht entziehen. Wir haben verschiedene Formate entwickelt, in denen man auch in Kontakt treten kann, in Diskussionen kommen kann, auch mit Zeitzeugen ins Gespräch kommen kann, und so sind wir sehr gespannt auf die Reaktionen, die uns dann auch erwarten.
Welty: Die Kuratorin Valerie Hortolani. Morgen eröffnet im Museum Barberini die Ausstellung "Hinter der Maske: Künstler in der DDR". Die ist dann zu sehen bis zum 4. Februar. Frau Hortolani, haben Sie Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Ausstellung!
Hortolani: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.