"Wir sind ja relativ brav geblieben"
"Nackte Scham und schöne Schande" heißt die aktuelle Ausstellung im Schwulen Museum in Berlin. Gezeigt wird das Werk des Filmemachers Lothar Lambert. Seit 40 Jahren dreht er Filme über Homosexualität, Sex und Sehnsucht.
Lambert: "Ich würde nie einen Sexualakt zeigen, nur um einen Sexualakt zu zeigen. Für mich gehört es immer dazu, dass diese Szenen viel über das Verhältnis der Protagonisten zueinander im Film verraten. Diese Szenen verraten mehr als wenn sie zusammen frühstücken."
Lothar Lambert sitzt auf einer blauen Kunstleder-Couch im Schwulen Museum in Berlin. Fast jedes Jahr hat er in den vergangenen 40 Jahren einen Film gedreht. Immer so gut wie ohne Förderung. Für Schnitt, Ton, Vermarktung und manchmal sogar für das Abreißen der Kinokarten war Lothar Lambert immer selbst zuständig. Daran erinnert sich Wolfgang Theis, Gründer des Schwulen Museums in Berlin und Kurator der Ausstellung:
Theis: "Ich kenne ihn seit den 70er-Jahren. Da sah ich ihn immer über den Kuh'damm rennen, unter einem Arm Plakatrollen, unter dem anderen den Kleistertopf. Und dann sagte man: 'Ah, Lothar Lambert hat wieder einen neuen Film gemacht!'"
Lothar Lambert hat zwar auch mit Profis gedreht, aber die meisten seiner Schauspieler waren und sind Laiendarsteller, oft auch seine Freunde. Drehorte waren Berliner Kneipen. Meist aber traf man sich in seinem Atelier, und da platzierte er seine Hauptdarsteller mit Vorliebe auf dieser Couch, die jetzt mitten in der Ausstellung steht. Lothar Lambert klopft auf das blaue Polster ...
Lambert: "In meinem Atelier, wo wir drehen hat diese Couch einen prominenten Platz, weil die meisten Streit- und Liebesszenen auf dieser Couch stattgefunden haben."
Dafür sieht sie aber noch ziemlich gut aus!
Lambert: "Wir sind ja nicht exzessiv wie Warhol oder Praunheim, sondern relativ brav noch geblieben."
Aber nur "relativ brav": Gerade die Filme der 80er-Jahre zeigen doch sehr expliziten Sex. 1982 forderte das Filmfestival in Toronto Lothar Lambert auf, eine Oral-Sex-Szene zwischen zwei Männern im Strandbad Wannsee rauszuschneiden. Er tat es nicht, sondern reiste lieber nach Kanada, um mit dem Kinopublikum über Zensur zu diskutieren. Später kaufte dann das New Yorker MoMa den Film – selbstverständlich mit besagter Sex-Szene. Die 80er-Jahre waren eine gute Zeit, erinnert sich Lambert:
Lambert: "In den 80ern war es so, dass die Leute schon nackig waren, bevor man sie dazu auffordern konnte. Ich musste niemanden dazu überreden, womit auch? Ich konnte sie weder mit Geld noch mit der Aussicht auf Ruhm locken, das war einfach eine lockere Angelegenheit unter uns. Dann kamen die Aids-Zeiten. Da wurde alles wieder anders, und heute ist es wieder so eine neue Prüderie."
Die Ausstellung im Schwulen Museum zeichnet Lamberts Leben nach, sie zeigt Fotos seiner Eltern, seiner Freunde, gegliedert nach Jahrzehnten. Fotos seiner Lieblingsschauspielerinnen wie Marika Rökk, dazu in einer Vitrine die sechs wichtigsten Perücken. Über der blauen Couch hängt ein besonders großes Foto, das ihn im Fummel zeigt. Eigentlich ein seltsames Kleidungsstück für einen, der sagt, er sei privat ganz "klemmig":
Lambert: "Meine Vorlieben sind unauffällig zu sein und nicht anzuecken. Ich bin harmoniesüchtig. Als Kind konnte ich kein Gedicht aufsagen und während der Studienzeit wollte ich mich einmal melden und bin dann so in Panik geraten, dass ich es sein ließ. Erst mit den Filmen habe ich gelernt, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Zu den Filmen zu stehen, sie zu verteidigen, und die Kamera war auch ein Schutz gegen die Außenwelt. Die stand dann zwischen mir und der schrecklichen Welt, sozusagen, ja!"
Da lächelt Lothar Lambert auf seinem blauen Sofa, und so ganz nimmt man es ihm nicht ab, dass er die Welt so schrecklich fand. Sie mochte und mag ihn ja umgedreht auch: Auf der Berlinale ist Lothar Lambert mit seinen Filmen Stammgast, immer mal wieder werden ihm Werkschauen ausgerichtet. Sein Geld hat er allerdings mit den Filmen nicht verdienen können – dazu diente ihm der Journalismus: Er schrieb Kinokritiken unter Pseudonym für viele Berliner und auch überregionale Zeitungen. In den 90er-Jahren legte er sich ein zweites Hobby zu: Er malt. Eine ganze Wand widmet die Ausstellung seinen expressiven Gemälden:
Lambert: "Ab 1993 war ich wie ein alter Wilder, da habe ich manchmal 20 Bilder am Tag gemalt, um die Lücke zu füllen, die die schwindende Sexualität hinterlassen hat. Und ich denke, die Bilder sind auf eine andere Weise auch wieder ein Ausdruck meines Interesses für den Menschen."
Und insbesondere interessieren Lothar Lambert, der in seinen Filmen so oft den Transvestit gegeben hat – Frauen ...
Lambert: "Frauen finde ich einfach interessanter, sie sind auch offener in dem, was sie einem anderen Menschen mitteilen über sich."