Die Ausstellung "Im Spielrausch" wird bis zum 4. Februar gezeigt.
Der spielende Mensch
Anfang der Woche eröffnet die Spielemesse Gamescom in Köln, parallel dazu wird im Museum für Angewandte Kunst die Ausstellung "Im Spielrausch" gezeigt. Dabei geht es nicht darum, Computerspiele zu musealisieren, sondern Computer- und Brettspiele mit dem Spiel im Theater zu vergleichen.
Nein. Beim Besuch von "Im Spielrausch" kann man den selbigen nicht erleben. Dafür viel Überraschendes entdecken. Eine Ausstellung, die inhaltlich schon einem Proseminar der Kulturwissenschaft gleichkommt. Computerspiele sind prominent vertreten, aber man kann selbst nicht spielen?
"Wenn ich Spiel habe, das normalerweise zehn Stunden lang ist,..."
Philipp Bojahr ist Mitkurator.
"…dann kann ich da während eines Museumsbesuchs durch Selberspielen kein schlüssiges Bild ziehen. Das heißt, es eignen sich eigentlich nur sehr wenige Spiele dazu, in der Spieleausstellung gespielt zu werden."
"…dann kann ich da während eines Museumsbesuchs durch Selberspielen kein schlüssiges Bild ziehen. Das heißt, es eignen sich eigentlich nur sehr wenige Spiele dazu, in der Spieleausstellung gespielt zu werden."
So beschränken sich die Kuratoren auf Screenshots oder ablaufende Clips. Zunächst mutet es ungewöhnlich an, die Welt der Computer- und Brettspiele mit Theater zu vergleichen. Was hat Theater mit dem Vergnügen eines Gesellschaftsspiels zu tun?
"Alle Formen des Spiels stehen nicht für sich separat, sondern gehen auf irgendeinen Grundgedanken zurück. Alle Kultur folgt erst aus dem Spiel. Es gibt also gar keine Kultur ohne Spiel. Wenn man von dieser Position ausgeht, dann liegt es natürlich auf der Hand, dass alles irgendwie zu Spiel gehört. Ein Grundpfeiler unserer Ausstellung."
Man braucht gar nicht den perfekt animierten Avatar
Ein Gedanke, der in der Wissenschaft unter dem Begriff "homo ludens", also der spielende Mensch, kursiert. In sechs Leveln eröffnet die Ausstellung unterschiedliche Perspektiven auf diese Idee. Etwa in Level eins, das aufzeigt: Es geht letztlich nicht um Realismus, wenn man sich mit einer Spielfigur identifiziert. Man braucht gar nicht den perfekt animierten Avatar in Hochauflösung.
"Um sich mit einem Charakter zu identifizieren im Computerspiel braucht es vielleicht auch nur so ein paar Pixel."
Medienkünstler Thomas Hawranke.
"Und das ist ja das Verrückte daran. Jeder der sagt, dass das Bild im Computerspiel so wichtig ist, dem würde ich ja sagen, hm, das ist vielleicht nicht so. Denn ich identifiziere mich auch vollkommen mit drei Pixlen und ich kann auch weinen, wenn drei Pixel sterben."
Das gleiche gilt im Übrigen auch für den Spielstein beim Brettspiel. Der muss nicht menschengleich aussehen, um sich mit ihm und seinem Schicksal zu identifizieren. Man ärgert sich halt doch, wenn man bei Mensch-ärger-dich-nicht rausfliegt.
Die Wirkung von Spielen
Die erste Hälfte der Ausstellung verdeutlicht die Mechanismen, wie die Welt im Spiel und Theater konstruiert wird. Die letzten drei Level beschäftigen sich verstärkt damit, wie wirkmächtig das Spielen sein kann, welchen Einfluss die erspielten Welten haben können. Thomas Hawranke interessiert sich dabei besonders für die Standardisierung von Dargestelltem. Häufig von Tieren.
"Was wird uns als Wildnis oder als wildes Tier verkauft? Und, worauf basiert das? Ich bin da sehr interessiert daran, diese Übersetzungsketten zurückzuverfolgen."
So etwa in seiner Installation "Tiger PHASED", die Teil der Ausstellung "Im Spielrausch" ist. Auf einem Bildschirm sieht man dutzende Tiger, die alle in den genau gleichen Bewegungsabläufen gefangen sind.
"Der Tiger, der als etwas Individuelles als etwas Wildes zu mir sprechen soll, der halt so im Computerspiel inszeniert ist. Ich gehe durch ne Landschaft in Farcry 4 und dann begegnet er mir auf einmal und er greift mich halt an oder verschwindet dann, wenn ich auf ihn schieße. Indem man die Tiger nebeneinanderstellt sieht man die Standardisierung. Jeder Tiger, den ich treffe, der wird die gleichen Animationen abspielen. Der wird das gleiche Verhalten haben."
Ein vermeintlich gelungenes Leben abbilden
Neben dieser sehr modernen Arbeit das Brettspiel "Spiel des Lebens". Alle Stationen eines vermeintlich gelungenen Lebens soll dieses Spiel abbilden. Landet man in der Villa oder bei der Wohlfahrt? Ein neoliberales Trainingslager sozusagen.
Im letzten Level "Rausch & Exzess" wird der für die gesamte Ausstellung titelgebende "Spielrausch" aufgegriffen. Und der Besucher kann hier schließlich doch einmal zum Controller greifen – und "Proun" spielen; ein simples Rennspiel, in dem ein Ball auf einem sich windenden Kabel entlang durch abstrakte Form und Farbwelten rast. Neben dem Bildschirm hängen zwei Mondrians, mit den für den Malern typischen Akzenten von rot, gelb und blau als Flächen in einem asymmetrischen Liniengerüst. Grafisch ist das Spiel an diesen Stil angelehnt. Trotz Spielmöglichkeit kommt es in diesem Level dennoch wohl eher zu einem Kunst- als zu einem umfassenden alles auflösenden Spielrausch.
"Ich kann mich nicht völlig auflösen. Ich muss immer noch begreifen, dass ich ein Spiel spiele. Ich muss immer noch die Regeln im Kopf halten, sonst kann ich keine Rätsel lösen, sonst kann ich noch nicht einmal mit der imaginären Waffe zielen."
"Im Spielrausch" liefert viele überraschende Momente. Obwohl es sich um eine vergleichsweise kleine Ausstellung handelt, ist sie inhaltlich und theoretisch sehr kompakt. Die Lektüre des Katalogs oder eine Führung empfiehlt sich, um sich nicht in den Leveln zu verzetteln.