Party mit Design
Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein widmet sich mit einer Ausstellung der Geschichte der Nachtclubs und Discos. Denn Design muss sich nicht auf Gestaltung von Objekten beschränken, so die Ausstellungsmacher.
Ein verspiegelter Gang mit Lichteffekten führt auf eine illuminierte Tanzfläche, dominiert von einer Leinwand. Darauf, bewundert von aufgeföhnten Blondinen, John Travolta in "Saturday Night Fever". Er führt vor, wie man sich in der Disco der späten 70er Jahre zu bewegen hat. 1977 ist der Disco-Rausch auf dem Höhepunkt. Was als Underground begonnen hat, ist jetzt kommerzieller Mainstream.
Futuristische Designexperimente aus Italien
Doch der Filmausschnitt dient nur als Appetizer einer Recherche, die das erstaunliche Zusammenspiel von Innenarchitektur, Grafik, Mode, Urbanität und Musikstilen vorführt. Beginnend mit futuristisch poppigen Designexperimenten in Turin, Rom, Florenz und Rimini.
"Und da sprechen wir vor allem von Clubs in Italien in der Zeit, die sehr flexibel, modular, variabel angelegt waren, so dass sich die Interieurs immer wieder wandeln konnten. Neue Film-, Licht- und Tontechnik, Projektionen haben eine große Rolle gespielt. Es gab die Idee des Expanded Cinemas, also die Idee, dass der Film aus dem Kino rausgeht, unter Verwendung vieler Leinwände den ganzen Raum erfüllt".
Bunte Plastikschalensitze auf verschiedenen Plattformen im Raum, ein Licht- und Beschallungsturm im Zentrum, illuminierte Plastiktische vor wellig ausgefransten Plastikvorhängen, Heraklith, Plexiglas, Eierkartons – die Innenarchitekten lassen mit billigen Materialien ihrer Fantasie freien Lauf.
Das alles wird dokumentiert durch Fotografien, Architekturzeichnungen, erhalten gebliebene Sitzmöbel, in Archiven gefundene Filme. Das Team um Kurator Jochen Eisenbrand hat wahre Schätze ans Licht gebracht.
Ein Club, der alle sechs Wochen sein Interieur ändert
"Also was mich am meisten fasziniert hat, war ein Club namens Area, auch in New York, in den 80er Jahren, der von vier jungen Leuten gegründet wurde, die in einem großen, leer stehenden Gebäude in Soho, alle sechs Wochen das komplette Interieur des Clubs geändert haben. Immer zu verschiedenen neuen Themen, das konnte sein: Science Fiction oder Krieg oder Sport oder Suburbia. Denen ging es darum, die Kunst und das Nachtleben miteinander zu verbinden. Das war im Grunde Installationskunst, die man aber betreten konnte und wo man feiern konnte".
Club- und Discokultur im Museum - das klingt ein bisschen nach Mottenkiste und Ehrfurchtsgehabe. Dieser Gefahr begegnet das Vitra Design Museum mit einer verspiegelten, aufgebrochenen Raumkonstruktion der Designer Konstantin Grcic und Matthias Singer. Von der Decke hängende Kopfhörer laden ein zur Sounddusche.
"Dort kann man eintauchen in diese Installation, mit einer wunderbaren, aufregenden Programmierung mit LEDs, wo also lichttechnisch toll was passiert. Und kann dort dann verschiedene Playlists hören aus der Prä-Diso-Zeit in den 60ern, der Disco-Zeit aus den 70ern, bis hin zu House und Techno, und sich da so ein bisschen durch die Musikgeschichte bewegen..."
Viele Nachtclubs haben zugemacht oder wurden vertrieben
Berliner Clubs wie der "Tresor" oder das immer noch boomende "Berghain" werden unter urbanistischer Perspektive präsentiert: Eine lebendige Szene entwickelt sich vor allem dort, wo sie aufgegebene Räume und Gebäude okkupieren kann, wo es städtische Freiräume gibt.
Aber irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass der Einzug der Clubkultur ins Museum dann doch symptomatischen Charakter hat: Mit dem Hedonismus ist es vorbei, Fitnesswahn und gesunder Lebensstil breiten sich aus, viele Nachtclubs haben wegen hoher Mieten zugemacht oder wurden aus den Städten vertrieben. Doch das Vitra Design Museum gibt nicht auf und zeigt, was heutigen Architekten zum Thema Nachtclub durch den Kopf geht.
"Ein Konzept stammt von Rem Kolhaas und seinem Büro OMA, die haben im Auftrag des Ministry of Sound in London - ein sehr wichtiger Club dort - ein Konzept für ein Ministry of Sound II entwickelt, sozusagen den Nachtclub des 21. Jahrhunderts. Und dort ein Gebäude vorgeschlagen, das nicht nur einen Club enthält, sondern auch Büros, einen Radiosender, ein Fitness-Center, so dass es nicht nur am Wochenende betrieben wird, sondern 24 Stunden die ganze Woche über. Und dadurch auch, in einer extrem teuer gewordenen Innenstadt wie London, rentabel zu betreiben wäre".
Es wäre auch schade ums Night Fever.