Die Ausstellung "Der Rhein – Eine europäische Flussbiografie" ist bis zum 22. Januar 2017 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen.
Der Rhein - ein Fluss, der viel gesehen hat
Warenstraße, Pfaffengasse, nationaler Mythos: Zum ersten Mal wird in der Ausstellung "Der Rhein – Eine europäische Flussbiografie" die mehr als 2000 Jahre alte Kulturgeschichte des Stroms erzählt. Mehr als 300 Exponate sind dazu in der Bonner Bundeskunsthalle ausgestellt.
Richard Wagners "Rheingold-Vorspiel" spielt am Grunde des Rheins. Alberich sucht den Nibelungenschatz an sich zu reißen. In der Ausstellung gibt es eine Vitrine mit dem größten römerzeitlichen Zufallsfund, der im Rhein bei Speyer in den 1960er-Jahren gemacht wurde. Der sogenannte "Hort von Neupotz" besteht aus Münzen, Metallen und Gold.
"Diese Ausstellung ist gewiss anschaulich, aber nicht beschaulich, weil im höchsten Maße – hoffe ich auch – verstörend."
Die renommierte Ausstellungsmacherin Marie-Louise von Plessen hat in der Bonner Bundeskunsthalle einen Schatz an Gemälden, Inkunabeln und Manuskripten ausgestellt, die den Rhein als Wiege von Kunst und Kultur zeigen: von der römischen Wasserstraße bis zur westlichen Achse bedeutender Kunstmessen von heute. Imponierend allein die karolingischen Buchillustrationen, die in den Klöstern am Oberrhein entstanden, sowie Ausgaben des Nibelungenliedes, das rasch zum Nationalepos der Deutschen wurde.
"Und alle diese Dinge werden hier veranschaulicht in einem Gesamtüberblick mit höchstkarätigen Exponaten, die es so noch nie gegeben hat."
Gutenberg im Dienste Luthers
Dazu zählt auch das einzige unzerstörte Exemplar von Luthers Bibel in englischer Übersetzung, das von Worms 1521 über den Rhein nach England verschifft wurde. Ein mehrflügeliges Gemälde Friedrich Wilhelms Herbigs zeigt den Mainzer Buchdrucker Johannes Gutenberg im Dienste Luthers.
"Es ist ganz herausragend wichtig, natürlich der Strom der Waren, der Strom der Güter, auch der Strom der Ideen, beispielsweise der Humanisten-Schriften, aber auch des Austausches zwischen den südfranzösischen Troubadouren und den deutschen Minnesängern über den Hof der Staufer. Daher können wir mit unglaublichen Inkunabeln aufwarten wie etwa die Aeneide von Heinrich von Veldeke im Original oder auch Parzival. Das passiert nicht alle Tage."
Während der Reiseschriftsteller Ernst Moritz Arndt Anfang des 19. Jahrhunderts noch vom Rhein als Deutschlands Strome, aber nicht "Teutschlands Gränze" faselt, ist Victor Hugo schon weiter.
"Ein edler, feudaler, republikanischer, kaiserlicher Fluss, dem es gebührt, zugleich deutsch und französisch zu sein. Die ganze Geschichte von Europa (…) liegt in diesem Fluss der Krieger und der Denker."
(Victor Hugo, Lettre XIV, Le Rhin 1838)
(Victor Hugo, Lettre XIV, Le Rhin 1838)
"Ich hoffe, dass im Kopf des Betrachters, sich dieses Konglomerat von verschiedenen Strömen und Unterströmungen vor allen ausbilden wird, die da zu einem Bild führen, das dem Rhein als geradezu prototypische mentale Geschichtslandschaft vorstellt."
Nicht nur Warenstraße, sondern auch "Pfaffengasse"
Der Rhein war nämlich nicht nur Wasser- und Warenstraße, sondern auch eine "Pfaffengasse", ein Strom der Kirche. So nannte Kaiser Maximilian I. den Rhein, weil von Chur, Basel, Konstanz, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz, Bonn, Köln bis Xanten sich Klöster, Dome und Kathedralen aneinanderreihen.
"Es wird, denke ich, in dieser Ausstellung offenbar werden, dass der Rhein kein linearer Fluss war, sondern immer ein Fluss der Projektionen."
Und ein umkämpfter Fluss. Wilhelm Camphausen malt 1814 die Rheinüberquerung der schlesischen Armee. Französische Soldaten stehen 1918/19 am Deutschen Eck in Koblenz. Und 1795 gab es zur Zeit der Revolutionskriege und napoleonischen Besetzung vier "departement francais", nämlich Trier, Koblenz, Mainz und Köln.
Mitte des 19. Jahrhunderts, entsteht die nationale Überhöhung des Rheins etwa in der spätromantischen Malerei eines Moritz von Schwind. Der Rhein wird zur Grenz- und Kampflinie gegen das benachbarte Frankreich.
Ausstellungsleiterin Katharina Chrubasik: "Das nimmt natürlich eine ungeheure Kraft an im 19. Jahrhundert. Da wird der 'Vater Rhein' definiert. Da wird er belegt mit der nationalen Bedeutung als nationaler Strom tatsächlich. Das kippt natürlich auch um, auch wenn es so unschuldig anfängt mit der Rhein-Romantik tatsächlich, aber das Nationale kommt natürlich sehr stark als Aspekt hinzu."
Der Rhein als Erlösungsstrom
Auch Heinrich Heines Handschrift der Loreley ist ausgestellt. Neben dem spöttischen Gedicht auf die Rhein-Romantik selber, wären aber auch die "Reisebilder" Heines wichtig gewesen. Da schreibt er vom Rhein als "Europas Jordan", der das geweihte Land der Freiheit vom Land der Philister trenne. Der Rhein also auch als Erlösungsstrom. Um mal vom Rhein-Wein besser zu schweigen
"Unser Leitgedanke war auch eher der, zu zeigen, wie wirkt sich das bis heute aus. Und das thematisieren wir so´n bisschen in der letzten Abteilung, in der letzten Sektion, Europa am Rhein, wo gezeigt wird, wie wichtig die Geschichte der Rhein-Anrainer für das war, was als europäische Union entstanden ist."
Der Schriftsteller Victor Hugo ersann, was am Ende der Ausstellung gezeigt wird: die Satzung des Europarates vom Mai 1949.
"Es wird keine Grenzen mehr geben! Der Rhein gehört uns allen. Schaffen wir eine Republik, schaffen wir die vereinigten Staaten von Europa."
(Victor Hugo, 1871)
"Es wird keine Grenzen mehr geben! Der Rhein gehört uns allen. Schaffen wir eine Republik, schaffen wir die vereinigten Staaten von Europa."
(Victor Hugo, 1871)
Wenn auch die Siegfrieds-Mythen sowie die "Nibelungentreue" und ihr Missbrauch zur NS-Zeit etwas kurz kommen, ist dies die erste Ausstellung über den Rhein, die mit Gemälden von Hans Makart bis Anselm Kiefer und kulturhistorischen Dokumenten die Bedeutung des Rheins als europäischem Strom zeigt. In einem strittigen Europa ist das eine wichtige Ausstellung. Die Bonner Bundeskunsthalle knüpft damit wieder an alte Erfolge an.