Die Ausstellung "Terry Fox Elemental Gestures" in der Berliner Akademie der Künste findet vom 6. November 2015 bis 10. Januar 2016 statt. Die Ausstellung ist von dienstags bis sonntags geöffnet, der Eintritt ist frei. Mehr Informationen auf der Homepage.
Durch das Labyrinth von Terry Fox
Klangkunst- und Fluxus-Pionier Terry Fox gilt immer noch als Geheimtipp. Obwohl seine Kunstaktionen mit Joseph Beuys und Bill Viola geradezu legendär sind und er bis heute junge Künstler inspiriert. Eine Ausstellung in Berlin will ihn aus seiner Nische holen.
"Also ich glaube, die Arbeit ist so entstanden, das Katzenschnurren. Und zwar hat er in einem Haus gelebt, wo unten jemand Katzen hatte. Den hat er besucht und die Katze ist auf seinen Schoß gesprungen. Dann hat er sich überlegt, eigentlich ist dieses Ein - und Ausatmen des Schnurrens der Katze wie ein Gehen."
Erläutert die Witwe des Künstlers, Marita Loosen-Fox das monstermäßige Brummen, das aus Lautsprechern in einem weiß getünchten Klangkubus tönt. Bedrohlich weit entfernt vom wohligen Schnurren eines Stubentigers steckt System dahinter. Denn mit diesem Katzenkonzert hat Fox das labyrinthische Bodenmosaik der Kathedrale von Chartres auf seine Art vertont:
"Und er hat sich überlegt - weil dieses Labyrinth hat ja elf konzentrische Kreise - das er jedem Kreis eine Katze zuordnet. Dann hat er sich auf die Suche gemacht nach Katzen, hat glaube ich auch eine Annonce in die Zeitung gesetzt, hat ein Katzen-Casting sozusagen gemacht und die Katzen ausgewählt, die am intensivsten dauerhaft schnurren können."
Das Labyrinth als Lebensweg, den man gehen kann
Boogaloo, Patty, Sadie und die anderen acht Katzen wurden so Mitarbeiter einer für Terry Fox typischen Forschungsarbeit - auf der Suche nach Wegen durch das Labyrinth. Kuratorin Angela Lammert:
"Das ist sein Lebensthema mit dem Labyrinth. Er hat 1972 bei einem Besuch in Chartres das Bodenmosaik entdeckt, die geometrische Form, die Windungen hat er in vielen Werkgruppen beschrieben. Labyrinth nicht als Irrgarten zu verstehen, sondern Labyrinth eher als ein Lebensweg, den man gehen kann, dem man folgen kann, den man suchen kann. Als optimistischere Botschaft."
Das Labyrinth diente dem 1943 in Seattle geborenen Fox gewissermaßen als Metapher für das Leben - existenziell geprägt immer wieder von schwerer Krankheit und damit verbundener Isolation, aber auch von einem offenen, eigenwilligen Blick auf die Welt da draußen
Inspiriert vom Verlauf der Berliner Mauer, auf die er während seiner Zeit als daad-Stipendiat von seinem Atelierfenster im Künstlerhaus Bethanien schaute, entstand etwa eine schrille Komposition. Arnold Dreyblatt, Mitglied der Akademie der Künste:
"Über 18 Minuten läuft das von links nach rechts anhand seiner Partitur zur Berliner Mauer. Das heißt, er hat gemerkt, so eine topografische Kurve in der Mauer. Das ist hier räumlich installiert sozusagen."
Als Mittel zur Klangkunst benutzte Terry Fox lange Stahlseiten, auch schon mal den Sound eines Helikopters, oder eine Schale, über deren Ränder er mit einem Geigenbogen strich.
Der ganze Terry Fox: politische Aktionen, Performances, filigrane Zeichnungen
In der Akademie der Künste kann man sich nun nicht nur in den sphärischen Klängen verlieren, sondern auch beobachten, wie die Vibration der in Schwingung versetzten Metallschale den auf ihren Boden geschütteten Mehlstaub musterhaft verteilt.
"Insofern ist es, Ton und Vibration erzeugt Bilder auch."
Das vom Künstlerkollegen Bill Viola auf Video gebannte "Schalen-Spiel" ist Teil einer Ausstellung, die ihrem Besucher den ganzen Terry Fox zeigen will - in all seiner Vielfalt, mit all seinen faszinierenden Facetten. Angefangen mit Filmen früherer politisch motivierter Aktionen in San Francisco, mitunter als Protest gegen den Vietnam Krieg entstanden, über Fotos und Videos von Performances, etwa mit Joseph Beuys, bis hin zu stilleren Arbeiten. Das sind beispielsweise Worte, neu geordnet zu poetischen Buchstabenmustern. Filigrane letzte Zeichnungen.
Faszinierend ist beim Ausstellungsrundgang immer wieder zu sehen, wie Terry Fox ungewohnte Blicke auf Gewohntes wirft. Wie er bei seinen von ihm nüchtern "Situations" benannten Performances genau nach Plan vorgeht - und doch viel dem Zufall überlässt. So entsteht Kunst oft mit einfachen Mitteln - mit Mut zum Experiment. An den Grenzen der Sinne. Nochmals Marita Loosen-Fox:
"Das ist auf jeden Fall ein Arbeiten mit den Sinnen. Und wo hört die Wahrnehmungskraft der Sinne auf, wo geht man in andere Bereiche der Wahrnehmung hinein. Also eigentlich immer dieses Erforschen von Grenzen. Sei es was den eigenen Körper betrifft oder was die Materialien betrifft. Immer zu gucken, was liegt dahinter. Wie kann ich mit meiner Kunst in einen Bereich hineinreichen, der vielleicht für uns nicht mehr mit den normalen Sinnen wahrnehmbar ist."
So läßt uns Terry Fox die Dinge neu sehen und hören. Er erobert Räume und schafft einen eigenen Kunst-Kosmos. Ein Kunstkosmos, in den man in dieser umfangreich ausgestatteten Retrospektive abtauchen kann: Terry Fox in der Berliner Akademie der Künste - das ist eine großartige (Wieder-)Entdeckung.