Die Warhol-Ausstellung "I´ll be your mirror" ist bis zum 11. September in der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig zu sehen.
Im Spiegel Andy Warhols
Als Andy Warhol seine Screen Tests anfertigte, filmte er noch auf 16mm. Die Fragen von damals sind aber immer noch aktuell: Wie sehen mich andere? Wie inszeniere ich mich auf Bildern? Die Ausstellung "I'll be your mirror" ist in Leipzig zu sehen.
Stimmencollage: "I think… / I screentest myself, it is part of the contract… / I love you so…"
Die Ausstellung beginnt, bevor der Besucher sie betreten hat. Von den grauen Wänden der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig springen einem die Slogans entgegen. Sie umlaufen die Fassade und sind ein Stück der Ausstellung. Der textliche Teil kommt von der Leipziger Autorin Heike Geißler.
Audio der Ausstellung: "Ich screenteste mich selbst. Ich sitze an meinem Computer und filme mich mit meiner Computerkamera."
Audio der Ausstellung: "Ich screenteste mich selbst. Ich sitze an meinem Computer und filme mich mit meiner Computerkamera."
Als Andy Warhol seine Screen Tests anfertigte, gab's noch keine Computer. Er filmte noch auf 16mm. Doch er warf mit seinen Screen Tests schon in den 60er-Jahren Fragen auf, die heutzutage in der digitalen Welt immer noch aktuell sind: Wie sehen mich andere? Wie inszeniere ich mich auf Bildern?
Um es gleich vorwegzunehmen: Auf all die vielen Fragen bekommt der Besucher keine belehrenden Antworten. Und das ist auch gut so. Der Besucher muss sich die Fragen selbst beantworten.
"Was weiß man, was sieht man, wie nimmt man´s war? Das ist Thema der ganzen Ausstellung."
Kuratorin Julia Schäfer:
"Damals war so ein Film 2,5 Minuten lang. Abgespielt wurden diese Filme aber langsamer, und das erzeugt eine entsprechende Verlangsamung der Gesten und so sind sie auch hier zu sehen."
Man muss kein Warhol-Experte sein
Wie lange kann der Betrachter konzentriert in diese Gesichter blicken, ohne dass die Gedanken abschweifen? Was hört man, obwohl die Filme stumm sind? Der Besucher wandelt durch abdunkelte Räume und muss kein Warhol-Experte sein, um diese Ausstellung zu verstehen. Er kann sogar von Warhol noch nie etwas gehört haben. Diese Vielschichtigkeit macht die Ausstellung so gut, so besonders. Wer will, kann sich im Text verlieren. Kann alles lesen über Warhol und seine Screen Tests, wer diese Menschen waren, kann interpretieren, entdecken und Warhols Aura erspüren. Oder aber man lässt das. Vergisst Historie und Rezeption, lässt einfach die Gesichter auf sich wirken. Und hört den Texten von Heike Geißler zu:
Audio der Ausstellung: "Ich habe Jahre in fremden Köpfen verbracht. Ich habe mein ganzes Leben in fremden Köpfen verbracht und anderer Leute Gesichter gedeutet. Ich bin über Gesichter wie durch Baumärkte geeilt."
In den gefilmten Gesichtern versinken
Man kann auch über die von Warhol gefilmten Gesichter eilen. Oder in ihnen versinken. Nachdenken. Wer ist echt und was ist echt und was wird vor der Kamera bloß gespielt? Immer wiederkehrende Fragen.
"Die Filme sind alle sehr ähnlich aufgebaut und inszeniert. Es gibt auch einige Ausreißer, wo man merkt, die sind nicht in der Factory aufgenommen oder da ist was schief gegangen. Für mich war spannende zu gucken, wie sind die aufgenommen. Auch die improvisierte Lichtsetzung, das sieht man auch, teilweise erinnert das an film noir Ästhetik. Wie kann man das stärker rausholen? Wie bringt man die in Raum, wie ordnete man die an? Ohne, dass man diese Exponate überformt."
Der Künstler Stefan Hurtig hat räumliche Settings erschaffen, die Warhols Screen Tests auf einmal in Dialog treten lassen. Hier werden die Filme nicht starr hintereinander abgespielt wie im Kino, hier begegnen sie sich. Und es liegt am Betrachter, was er sieht: Ob über allen Andy Warhols Geist schwebt oder ob es zeitlose Gesichter sind, denen man eben noch auf der Straße begegnet ist.
Am Ende wird auch dem Betrachter der Spiegel vorgehalten. Wenn man aus dem Dunkeln kommend, wieder ins Sonnenlicht und in den Leipziger Verkehr taumelt, muss sich jeder zwangsläufig fragen: Bin ich tatsächlich der, für den ich mich ausgebe?