Die Ausstellung "Lust der Täuschung. Von Antiker Kunst bis zur Virtual Reality" ist vom 17. August 2018 bis zum 13. Februar 2019 in der Hypo-Kunsthalle in München zu sehen. Von März kommenden Jahres an ist sie im Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen.
Täuschung in allen Variationen
Die Kunst kennt seit jeher die Täuschung. Egal ob als Trompe-l’œil in einem Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, als "Virtual Reality" oder als schnöde Kopie. Die Geschichte der "Augentäuschung" von der Antike bis heute ist derzeit in München zu sehen.
Die Besucherin fährt mit dem Aufzug ganz nach oben - in einem Haus, das es nicht gibt. Nach einigen Sekunden öffnet sich die Tür. Unter den Füßen eröffnet sich ein Stadtpanorama: Häuser, Autos, andere Wolkenkratzer. Man tritt, sofern man den Mut hat, auf eine Holzplanke, 80 Stockwerke über der Realität.
"Das Faszinierende ist, wir sind so von unserem Auge bestimmt, dass wir zwar wissen, wir stehen in einem Raum, aber man merkt: Ja, nicht jeder schafft es eben, aus dem Aufzug hinauszutreten, über die Holzplanke zu laufen. Ich habe jetzt doch etwas VR-Erfahrung sammeln können und habe es zum Beispiel nicht geschafft. Mir war das einfach zu hoch, auch wenn ich wusste, der Abgrund ist nicht real."
Mit Virtual Reality abtauchen in Parallelwelten
VR, Virtual Reality – über eine Computersimulation und eine spezielle Brille können wir abtauchen in Parallelwelten, die so echt wirken, dass Kuratorin Anja Huber den Tritt hinaus lieber nicht gewagt hat. Es ist die vorerst letzte Entwicklung in der jahrtausendealten Geschichte der optischen Täuschung in der Kunst. Und dieser widmet sich die Hypo-Kunsthalle in einer weit ausholenden Schau, beginnend bei dieser Anekdote aus der Antike.
"Das täuschendste Werk zu schaffen, hat ja schon immer den Wettstreit der Künstler beflügelt. Plinius der Ältere berichtet von zwei Malern, die um 400 vor Christus gelebt haben sollen. Zeuxis und Parrhasios. Xeuxes, der Trauben so echt gemalt hat, um an ihnen zu picken. Er wähnte sich schon als Sieger und bat Parisius, doch den Vorhang an seinem Gemälde wegzuziehen, damit er sein Bild sehen kann. Daraufhin war aber Parasius der klare Sieger, weil er es geschafft hat, nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen zu täuschen. Der Vorhang war nämlich das Gemälde."
Anfassen verboten!
Trompe-l’œil, zu Deutsch: Augentäuschung, heißt die Disziplin, in der sich seither Künstler aller Epochen üben. So hängen Pierre Gilous Trauben in Öl von 1992 ebenso scheinbar plastisch in den Ausstellungsraum wie Cornelis Gijsbrechts Stillleben "Nach einer Falkenjagd" aus dem 17. Jahrhundert, das zu einem Drittel von einem Vorhang verhüllt wird. Dieser ist aber ebenfalls nur gemalt.
Auch in den Werken des Berliner Gegenwartsfotografen Thomas Demand "Glas I und II" ist der sichtbare Sprung Teil des Fotodrucks, und nicht der Glasscheibe davor. Man muss schon sehr genau hinschauen und sieht sich gelegentlich verführt zum Anfassen, was natürlich auch hier verboten ist.
Eine Augentäuschung anderer Art in der Bildenden Kunst ist die Kopie. Auch sie adelt die Münchner Ausstellung in all ihren kreativen Ausformungen, so Kuratorin Franziska Stöhr:
"Bilder sind ja lange vor der Fotografie über die Kopie distribuiert worden. Also man hat Kupferstiche von Gemälden gehabt. So sind die Gemälde berühmt geworden. Und auf der anderen Seite ist es natürlich auch ein Medium gewesen, in dem man sich mit anderen Künstlern messen konnte. Also eine Kopie nach einem Künstler zu gestalten, in der man aber eine eigene Erfindung eingebracht hat."
Täuschung durch Kopie
Der Niederländer Hendrick Goltzius zum Beispiel stellte in seinen Kupferstich von Albrecht Dürer noch sein eigenes Porträt in die Szene. Und erklärt sich damit selbst zum Meister, der er ohne Zweifel war.
Umstrittener ist da die frühe Konzept-Künstlerin Elaine Sturtevant, die in den 60er-Jahren ihre vor allem männlichen Zeitgenossen abkupferte. In München ist sie zu sehen mit der 1:1-Kopie der Amerika-Flagge, die Pop-Art-Künstler Jasper Johns gemalt hatte.
"Sie ist sehr stark kritisiert worden, aber erstaunlicherweise nie von ihren Künstlerkollegen direkt. Andy Warhol hat ihr beispielsweise seine Siebdruck-Vorlagen für seine Flowers zur Verfügung gestellt. Man kann sich vorstellen: Er, der die Distribution der Bilder zum Thema gemacht hat, fand das wahrscheinlich ganz großartig, als sie bei ihm im Atelier stand und gefragt hat: Könnte ich nicht deine Siebdruckvorlagen bekommen."
Das Prinzip 'Copy and Paste'
Elaine Sturtevant hat mit ihren Kopien den Fetisch des Einzigartigen und damit den Geniekult infrage gestellt. Politisch relevant wird das Prinzip Copy and Paste beim Gegenwartskünstler Philipp Messner. Der Südtiroler spazierte 2014 durch den Münchner Hauptbahnhof und trug dabei eine 3-D-Maske seines eigenen Gesichts. Der Clou: Überwachungskameras können noch nicht unterscheiden zwischen Maske und echtem Gesicht. Theoretisch hätte sich Messner also auch die Maske eines Freundes ausdrucken können.
Die Ausstellung lädt immer wieder zum Mitmachen ein. Immer wieder darf man sich eine Virtual-Reality-Brille aufsetzen und springt mal von einem Hochhaus, wird mal von einem Zug überfahren, oder schwebt durch die spektakulären Wortauftürmungen der Sprachkünstlerin Laurie Andersons in deren virtueller Installation "Chalkroom", die auch schon vergangenes Jahr auf der Biennale Venedig stark gelobt wurde.
Doch wer so tief eintaucht in die digitale Illusion, wird müde für den analogen Rest. Und so dürfte vor lauter Effekt für die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Kunst, zu der die Ausstellung ja auch einlädt, ein wenig die Energie fehlen.