Ausstellung in Rendsburg

Die Fahrt der Exodus und der Gründungsmythos Israels

Flüchtlinge aus Europa an Bord des Schiffes Exodus, aufgenommen am 18.7.1947 bei der Einfahrt in den Hafen von Haifa
Flüchtlinge aus Europa an Bord des Schiffes Exodus, aufgenommen bei der Einfahrt in den Hafen von Haifa im Juli 1947 © picture alliance / dpa / epa / Israeli Government Press Office
Von Michael Hollenbach |
Welche Rolle spielte die spektakuläre Fahrt von tausenden Holocaust-Überlebenden auf einem schrottreifen Schiff für die Gründung Israels vor 70 Jahren? Eine Ausstellung in Rendsburg schildert persönliche Schicksale – und zeigt die historische Bedeutung der "Exodus-Affäre".
4500 Überlebende des Holocaust machen sich im Juli 1947 auf den Weg nach Palästina – auf einem schrottreifen Schiff namens Exodus. Die britische Mandatsmacht versucht, die jüdische Einwanderung nach Palästina zu verhindern – mit Kriegsschiffen. In der Rendsburger Ausstellung erfährt man von der damals 13-jährigen Erika, wie britische Soldaten die Exodus auf offener See entern:
"Plötzlich schrillt eine Sirene durch die Nacht, Scheinwerfer blenden uns, der Kampf beginnt, ein Zerstörer kommt ganz nah, wir bombardieren ihn mit Konservendosen und Kartoffeln. Die Engländer werfen Gasgranaten auf die Exodus, einige explodieren direkt neben uns."
Britische Soldaten mit weißen Helmen bahnen sich unter Anwendung von Tränengas ihren Weg auf dem Schiff. Mehrere tausend Juden waren am 11. Juli auf der "Exodus 1947" und anderen Schiffen von Frankreich aus ins unter britischem Mandat stehende Gelobte Land aufgebrochen. Bei dem Versuch, die britische Sperre um Palästina zu durchbrechen, wurde die Exodus am 18. Juli 1947 auf dem Mittelmeer von der britischen Armee gestoppt. Die "Exodus 1947" (vormals "Präsident Warfield") wurde anschließend von der britischen Marine in den Hafen von Haifa gebracht.
Britische Soldaten mit weißen Helmen bahnen sich unter Anwendung von Tränengas ihren Weg auf dem Schiff.© picture-alliance / dpa

Mit Kartoffeln gegen die britischen Soldaten

Die jüdischen Auswanderer auf dem Schiff wussten, dass sie gegen die britischen Soldaten keine Chance haben, sagt der Museumsleiter Carsten Fleischhauer:
"Man wollte sich aber wehren, schon um ein Zeichen zu setzen, ein wichtiges Zeichen: Juden sind nicht mehr passive Opfer, die alles mit sich machen lassen, sondern sie wehren sich. Und darum wurden Kartoffelsäcke überall aufgestellt, um die Kartoffeln als Wurfgeschosse zu nutzen."
Die Briten geleiten das halb zerstörte Schiff dann in den Hafen von Haifa, wo 20.000 jüdische Einwohner die Exodus erwarten. In einem Audio erfährt man von Noah Klieger, einem der Organisatoren der Auswanderung:
"Aus dem ganzen Land sind sie gekommen. Wir sind eingelaufen in den Hafen, mit einer zionistischen Flagge, und wir haben die Hatikwa gesungen und die ganze Menge hat auch die Hatikwa gesungen, und ich sage immer: Wenn ich bis damals noch kein Zionist gewesen wäre, wäre ich am 18. Juli mittags um ein Uhr ein Zionist geworden."

Rückkehr nach Europa erzwungen

Doch die Briten verweigern den Juden die Einreise, zwingen sie zurück nach Europa. Am 8. September 1947 kommen die Passagiere im Hamburger Hafen an. Carsten Fleischhauer zeigt auf ein Foto mit einer Fahne:
"Mit dieser Fahne, die auch von Pressefotografen fotografiert wird. Die Fahne, die sie über dem Schiff hissen, wo der Union Jack und ein Hakenkreuz miteinander verbunden sind, um diese Gleichsetzung, - die Briten machen es wie die Nazis - um das in einer leicht verständlichen Form für die Weltöffentlichkeit zu vermitteln."
Denn längst war das Schicksal der Exodus-Passagiere weltweit in den Medien. Vor allem, als die Holocaust-Überlebenden in das Lager Pöppendorf bei Lübeck interniert wurden. Auf einem Bild sieht man verzweifelte Jugendliche hinter Gitterdraht:
"Wenn man sich das genau ansieht, ein sehr anrührendes Foto, dann stellt man fest, das muss in dieser Form gestellt sein. Die haben Anweisungen bekommen, wie sie ins Gitter greifen sollen. Das heißt, man lernt auch, diese historischen Fotos mit einer Bildkritik zu betrachten. Das heißt nicht, dass da falsche Inhalte transportiert werden, aber es ist schon so, dass jemand da bewusst Inhalte transportieren will und das spielt auch in unserer Vermittlungsarbeit eine Rolle."
Junge Exodus-Flüchtlinge hinter Stacheldraht im Lager Pöppendorf am 10.09.1947. Die 4500 Flüchtlinge der Exodus-Schiffe "Ocean Vigour", "Empire Reval" und Runnymede Park" waren kurz zuvor im Hamburger Hafen eingetroffen. Sie wurden in stark bewachten Zügen nach Lübeck gebracht und von dort in das nahegelegene Lager Pöppendorf. Mehrere tausend Juden waren am 11. Juli auf der "Exodus 1947" und anderen Schiffen von Frankreich aus ins unter britischem Mandat stehende Gelobte Land aufgebrochen.
Junge Exodus-Flüchtlinge hinter Stacheldraht im Lager Pöppendorf© picture-alliance / dpa

Medienwirksame Begleitung der Überfahrt

Organisiert und auch medienwirksam begleitet wurde die Überfahrt der 4500 Exodus-Passagiere durch die zionistische Untergrundorganisation Hagana:
"Aus Sicht der Hagana war diese große Aufmerksamkeit der Welt so schlecht nicht. Denn wären diese 4500 einfach an der Küste an Land gegangen, hätte die Welt davon wenig erfahren. Und so, auf diesem Wege, dass es dieses Seegefecht gab und die Internierung in Deutschland, hat die ganze Welt darauf geschaut, und im Sinne einer Öffentlichkeitswirksamkeit für die jüdische Sache ist es so dann nicht ungünstig für die Hagana gewesen."
Die sehr professionelle PR-Arbeit der Hagana trug dazu bei, dass selbst Menschen in New York auf die Straße gingen, um für die Rechte der jüdischen Auswanderer zu demonstrieren – zu einer Zeit, in der bei der UNO die Abstimmung über einen künftigen jüdischen Staat auf der Agenda stand.
"Zum Gründungsmythos des Staates Israel gehört, auch in Israel selber, dass die Exodus-Affäre den Stein ins Rollen gebracht hat, die Stimmung der Weltöffentlichkeit zugunsten der Juden kippen zu lassen. Und darum ist das Ereignis dramatisch genug, aber die Wirkungen sind in der Rückschau noch viel bedeutender und tragen bis heute."
Die sehr informative Ausstellung schildert sowohl persönliche Schicksale einzelner Passagiere als auch die historischen Ereignisse. Und sie schlägt einen Bogen von der dramatischen Überfahrt der Exodus über das skandalöse Internierungslager in Pöppendorf bis hin zur Gründung des Staates Israel.

Die Ausstellung "Die Exodus-Affäre" ist noch bis zum 3. Juni 2018 im Jüdischen Museum Rendsburg zu sehen.

Das legendäre Schiff Exodus im Hafen von Haifa, aufgenommen im Januar 1952
Das legendäre Schiff Exodus im Hafen von Haifa, aufgenommen im Januar 1952© picture alliance / dpa / Cohen Fritz / Israeli Government Press Office
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