Ausstellung "Kunst in Bewegung" in Karlsruhe

Ein neuer Kanon der Medienkunst

Die Arbeit von Frank Gillette, Ira Schneider, "Wipe Cycle", 1969/2017. Rekonstruktion der Videoinstallation hängt in der Ausstellung "Kunst in Bewegung" im ZKM Karlsruhe
Die Arbeit von Frank Gillette, Ira Schneider, "Wipe Cycle", 1969/2017, hängt in der Ausstellung "Kunst in Bewegung" im ZKM. © Frank Gillette, Ira Schneider, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: ONUK
Peter Weibel im Gespräch mit Shanli Anwar |
"Kunst in Bewegung" heißt die neue Ausstellung im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. ZKM-Leiter Peter Weibel zeigt dort 100 Meisterwerke der Medienkunst und stellt damit seinen eigenen Kanon vor.
Peter Weibel denkt die Medienkunst nicht klassischerweise vom Bild her, sondern von der Bewegung. Seine Ausstellung "Kunst in Bewegung. 100 Meisterwerke mit und durch Medien" beginnt darum auch mit dem Rad. Als Beispiel nennt Peter Weibel, der selbst auch Medienkünstler ist, die Arbeiten des Malers und Objektkünstlers Marcel Duchamp:
"Marcel Duchamp, der Godfather der Moderne, hat 1913 ein Fahrrad auf einen Stuhl montiert und gleichzeitig hat er drehende Scheiben gefilmt. Er hat gesagt: 'Scheiben sind Räder, die filme ich, mit Buchstaben, Farbe und optischen Effekten.' Und gleichzeitig hat er das bewegliche Rad ins Museum gestellt."
Peter Weibel, Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe (Baden-Württemberg)
Peter Weibel denkt die Medienkunst von der Bewegung her.© picture alliance / dpa / Uli Deck
Seine persönliche Definition von Medienkunst erläutert Peter Weibel so:
"Es gibt für die Medienkunst drei Bedingungen: Apparativ produziert, das heißt mit der Kamera, mit einem Magnetophon, apparativ distributiert – über ein Radio beispielsweise – und apparativ rezipiert wiederum durch das Radio. Wenn eine dieser drei Bedingungen erfüllt ist, dann haben wir sicher Medienkunst."

"Medien konstruieren neue Landschaften"

Besonders interessieren ihn die Verfremdungen, die bei der Übertragung der Apparate entstehen wie Störungen, Wiederholungen oder Rückkopplungen.
"Und dadurch entsteht eben nicht nur die Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern wir konstruieren eine neue Tonwirklichkeit, die wir ohne diese Technik nicht hören könnten. Das heißt, die Medien sind nicht nur eine Landkarte, die das Land, die Wirklichkeit wiederholen. Nein, die Medien konstruieren neue Landschaften, neue Wirklichkeiten."

Durch Medienkunst zum "Prothesen-Gott"

Sein Lieblingsobjekt in der Ausstellung ist die Arbeit "La Region Centrale" des kanadischen Künstlers Michael Snow:
"'La Region Centrale' - das ist ein Bergmassiv in Kanada. Dort hat er eine Kamera gebaut, die sich automatisch bewegt. Ich kann mich nicht um 360 Grad um mein eigenes Genick drehen. Aber die Kamera auf dem Berggipfel kann das. Sie wird mehrere Tage lang durch Musik gesteuert und filmt dadurch die Landschaft mit einer Bewegung, wie sie eigentlich nur Gott kann. Wenn man da zuschaut, hat man plötzlich das Gefühl, man wäre selbst eine Art Prothesen-Gott. Man kann die Landschaft wahrnehmen, ungehindert von den Einschränkungen des menschlichen Körpers."

Die Ausstellung "Kunst in Bewegung. 100 Meisterwerke mit und durch Medien" ist bis zum 10.02.2019 im ZKM Karlsruhe zu sehen.

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