Kunst gegen das Chaos und die Gewalt
Kinshasa ist die drittgrößte Stadt Afrikas: Die kongolesische Metropole hat mehr als zwölf Millionen Einwohner. Das Leipziger Grassi Museum zeigt das Lebensgefühl der Kongolesen − in einer Ausstellung von Künstlern, die ihrem Land Hoffnung machen wollen.
In schummrigem Licht bewegt sich Eddy Ekete durch den Raum, um ihn herum Vitrinen mit afrikanischen Statuen. Er trägt eine braune Maske, schaut in einen großen Spiegel und klopft energisch auf das Glas. Dann hält er den eingeschlossenen Statuen einen kleinen Spiegel vor und zerschlägt ihn mit einem Hammer.
Zeit, die Deutungshoheit aufzugeben
Mit seiner Performance im Grassi Museum reagiert Eddy Ekete auf die Tatsache, dass im Museum für Völkerkunde Stücke des kulturellen Erbes seiner Heimat stehen. Er stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und ist seit knapp vier Wochen in Leipzig. Gemeinsam mit anderen Künstlern hat er die Ausstellung "Megalopolis - Stimmen aus Kinshasa" vorbereitet und kuratiert. Hierfür hat Museumsdirektorin Nanette Snoep eine Carte Blanche ausgestellt. Gerade weil bis heute viele Ausstellungen von europäischen Ethnologen kuratiert werden, wollte sie den afrikanischen Künstlern komplett freie Hand lassen:
"Ich glaube, es ist wirklich Zeit, diese Deutungshoheit abzulegen und vielleicht selbst abzuschaffen. Und dass die Menschen, die aus den Ländern stammen, aus denen wir die Bestände in den Depots haben, dass die ihre Stimmen hören lassen können."
Das Material kommt meist von der Straße
Kinshasa ist die drittgrößte Stadt auf dem afrikanischen Kontinent, eine Metropole mit mehr als 12 Millionen Einwohnern. In "Megalopolis" erschaffen 24 Künstler, Schriftsteller, Filmemacher und Modedesigner eine Momentaufnahme Kinshasas. Die Werke behandeln Themen wie Korruption, postkoloniale Strukturen, Umweltverschmutzung − und Urbanität.
Was einigen Installationen und Skulpturen gleichermaßen eignet, ist das Material. Es kommt meist von der Straße, ist Abfall wie die zertretenen Handys, aus denen Nada Tshibuabua eine Maske gemacht hat, oder die Plastikspritzen, die Flory Sinanduku zu einem Ganzkörperanzug verarbeitet hat.
Ein Hingucker ist das gemeinsame Kunstwerk des Kollektivs. Eine riesige hölzerne Transportbox mit roten und schwarzen Lettern: "Restitution Box", "Fragile – zerbrechlich" steht darauf. Sie ist an das "Kinshasa Museum" adressiert. Im Innern der Kiste ist es dunkel, aber das Licht der Taschenlampe enthüllt Fotos von kongolesischen Statuen, von europäischen Sammlern und Kongolesen.
Eddy Ekete: "Es ist eine Transportkiste für Kunstwerke, aber hier im Grassi steht sie für die Rückgaben, denn in diesem Museum gibt es viele Werke aus dem Kongo. Es ist eine Art, der Regierung zu sagen: Die Afrikaner und gerade die Kongolesen wünschen sich ihr Erbe zurück. Diese Box symbolisiert das."
"Unsere Werke sollen in ihre Heimat zurückkehren"
Mit dem Werk sind die Künstler hochaktuell. Seit der Bericht von Savoy und Sarr erschienen ist, wird auch in Deutschland noch kontroverser darüber diskutiert, wie die ethnologischen Sammlungen mit dem Kulturerbe aus Kolonialzeiten umgehen sollen. Nanette Snoep will einen Dialog auf Augenhöhe. Künstlerin Eunice Kamanda ist froh über die Möglichkeit, die Realität ihres Landes selbst zu repräsentieren. Das Prinzip Carte Blanche zahle sich aus:
"Das hilft uns sehr, über die Restitution von Werken, die hier ausgestellt sind, zu sprechen. Die Botschaft ist klar: Unsere Werke sollen in ihre Heimat zurückkehren."
Sie hofft darauf, dass auch die Regierung ihres Landes die Stimmen erhört. Generell leben Künstler in Kinshasa prekär. Es gibt kaum Unterstützung, sagt auch Kurator Eddy Ekete. Für ihn und seine Kunst bedeutet das, negative Erfahrungen in Energie umzuwandeln, daraus zu schöpfen. Vera Marusic vom Grassi-Museum ergänzt:
"Das ist für sie nicht nur eine zeitgenössische Ausstellung, sondern ein Statement. Weil sie als Künstler, die in Kinshasa wenig Anerkennung finden, sehr schwierig Material bekommen, sehr viel mit Recycling arbeiten, was superspannende Ergebnisse bringt. Sie haben auch beschlossen − sie sind alle sehr jung − dass sie etwas dagegen tun, gegen die Hoffnungslosigkeit, gegen das Chaos, gegen die Gewalt in ihrem Land. Sie haben beschlossen: Wir als Künstler können einen Beitrag leisten, dass es besser wird."
Probleme mit deutscher Bürokratie
Fast vier Wochen Arbeit liegen hinter den Künstlern und den Mitarbeitern des Grassi-Museums. Nicht immer war diese Form des kulturellen Austausches leicht, sagt Nanette Snoep, vor allem die deutsche Bürokratie stand oft im Weg. Probleme gab es bei der Beschaffung von Visa, so konnten nicht alle 24 Künstler nach Deutschland kommen. Auch andere organisatorische Aspekte seien mühsam gewesen:
"Wir müssten eine Carte Blanche geben, aber in einem deutschen Verwaltungskontext. Das war extrem schwierig: Wie kann man Künstler bezahlen, wenn man kein Bankkonto hat? Das war eine wahnsinnig schwierige Zeit und hat auch extrem viele Missverständnisse verursacht."
Neue Ethik des Sammelns
Die Missverständnisse galt es auf beiden Seiten auszuräumen. Nachdem sich alle aneinander gewöhnt hatten, bilanziert Snoep, sei in der letzten Arbeitswoche alles rund gelaufen. Auch künftig möchte sie lieber eine Carte Blanche ausstellen, denn nur in der Achtung künstlerischer Autonomie und im Dialog ließe sich langfristig ein Wandel in ethnologischen Museen etablieren. Restitution allein löse das Problem nicht:
"Es geht auch darum: Wie geht man weiter damit um, was ist eine neue Ethik des Sammelns, was ist shared heritage und was ist auch diese Vielstimmigkeit."
Die Frage sei aber auch, was shared heritage bedeute, wenn die Mobilität so eingeschränkt sei. Das Prinzip der Carte Blanche sei eine Methodik, sich in Zukunft den Problemen zu stellen und die Beziehungen in andere Länder zu verbessern − sofern die Strukturen dafür geschaffen werden.