"'Mindbombs' ist ein Begriff aus dem Guerillamarketing", sagt Sebastian Baden. "Er soll zeigen, dass auch terroristische Aktionen wie Schockmarketing funktionieren und damit Botschaften aussenden, die uns im Gedächtnis hängen bleiben, oder in dem Moment, wo sie uns treffen, auch emotional explodieren."
Baden ist Kurator der gleichnamigen Ausstellung "
Mindbombs" in der Kunsthalle Mannheim, in der, wie er sagt, eine "Begriffsgeschichte des Terrorismus" nachgezeichnet werden soll. Dazu werden einerseits Archivmaterial von der Französischen Revolution bis heute und andererseits indirekte Porträtierungen terroristischer Akte der letzten Jahre ausgestellt.
"Der Terror kam mit der Moderne in die Welt"
Man wolle zeigen, "dass Terrorismus ein Kampfbegriff ist, den es schon länger gibt, der instrumentalisiert wird und nicht erst jetzt in der Gegenwart Aktualität hat, sondern tatsächlich mit der Moderne in die Welt kam". Die eindeutigsten propagandistischen Bilder stammen aus der Bibliothèque nationale de France. Das sind Bilder von der Französischen Revolution, die zeigen, wie Menschen, unter anderem auch der König, hingerichtet werden.
"Aber das andere Bildmaterial unserer Ausstellung ist künstlerisch gefiltert und arbeitet mit Verfremdungseffekten – über die indirekte Botschaft." Eine solche Arbeit ist die von Georg Lutz. Dabei handelt es sich um eine Fotografie, die einen zerschossenen Tisch von der Anschlagsserie in Paris im Jahr 2015 porträtiert – mitsamt einer in den sozialen Medien stattfindenden Kommunikation mit einem damals betroffenen Opfer.
Auch dieses Bild von Gerhard Richter ist in der Sonderausstellung "Mindbombs" zu sehen.© Gerhard Richter 2021
Die persönlichen Verletzungen sind im Fokus
"Das heißt, der Blick der Ausstellung richtet sich nicht auf das Propagandamaterial und die Sensation eines Ereignisses, sondern ganz subtil auf die persönlichen Verletzungen und die Sachbeschädigungen, die durch diesen Anschlag hervorgerufen wurden und auch lange im kollektiven und persönlichen Gedächtnis haften", sagt Baden.
Georg Lutz war dazu auch in Paris unterwegs und suchte die Restaurants auf, die vom Anschlag betroffen waren, um dort nach Spuren zu suchen. Auch
Forensic Architecture stellen in Mannheim aus. Das Kollektiv hat unter anderem aufklärerische Arbeit zum NSU geleistet.
Ivana Spinelli zeigt mit dieser Illustration den Hippnessfaktor von Terror.© Ivana Spinelli, Foto: Ivana Spinelli
Es gibt aber auch andere künstlerische Zugänge fernab der Forensik, zum Beispiel Werke von Hiba Al-Ansari, "die die Verletzlichkeit des Körpers anhand von Rasierklingen deutlich macht". In der Ausstellung wolle man zeigen, so Baden, "wie das Körperliche und das Mentale jeweils Angriffsflächen darstellen für die Mindbombs, die eben Terrorismus hervorbringen."
Werkzeugkasten für Bildkritik
Letztlich geht es ihm und den Ausstellungsmachern darum, einen "Werkzeugkasten" bereitzustellen, "mit dem man sich Propagandawerken oder Bildern nähern kann, ohne von ihnen verführt zu werden. Das wäre der Filter, immer wieder die Reflexion anzustrengen, solche Formen der öffentlichen Publikationen, wie eben terroristische Anschläge das versuchen, zu hinterfragen und sich nicht emotional davon verführen zu lassen."
Ein weiteres Exponat der Ausstellung: Édouard Manets "Die Erschießung Kaiser Maximilians".© Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Der Künstler
Khalid Albaih mache das sehr deutlich, so Baden, "indem er zeigt, dass, wenn in Syrien ein Krieg geführt wird und die französische Armee mit ihren Bombern einrückt, eine Konsequenz daraus auch ist, dass der Islamische Staat Attentäter schickt. Diese Form der Gegensätzlichkeit, der Asymmetrie von Konflikten, die zu erkennen, ist auch Teil von Werken dieser Ausstellung."
Die Ausstellung "Mindbombs" ist bis zum 24. April 2022 in der Kunsthalle Mannheim zu sehen.