Die Schau ist noch bis zum 9. Juli 2017 im Martin-Gropius-Bau zu sehen.
Von der Hundeschau bis zur großen politischen Bühne
Im Martin-Gropius-Bau ist jetzt die Ausstellung "Foto. Kunst. Boulevard." zu sehen, die Fotos zeigt, die in der "Bild"-Zeitung erschienen sind. Darunter sind verstörende, provozierende oder einfach nur ikonische Bilder - immer mit einem Schuss Boulevard.
Allein in der Morgendämmerung sitzt Altkanzler Helmut Kohl im Rollstuhl vor dem Brandenburger Tor. Das Tor wirkt groß, Kohl klein. Er ist nur schräg von hinten zu sehen, aber dennoch deutlich zu erkennen. Auf einem anderen Foto geht Bundeskanzlerin Angela Merkel zum ersten Mal die Stufen zum Weißen Haus hoch. Michelle und Barrack Obama stehen zum Empfang bereit, aber sie schaut kurz noch einmal zurück.
Politische Bilder, historische Bilder, Bilder die Geschichten erzählen, vor allem, wenn sie auch die Geschichten hinter dem Bild erahnen lassen – um Beispiel die, als sich Gerhard Schröder sieben Jahre nach Ende seiner Kanzlerschaft vor einer Wand fotografieren ließ, an der sämtliche ihn betreffenden Titelseiten der Bild-Zeitung angebracht waren – vom adoptierten Russenbaby bis zum Kanzlerkrieg mit Merkel. Deutlich am Rand der Wand auf dem Foto zu erkennen ist der damalige Bild-Chef Kai Dieckmann, der jetzt vor dem Foto steht und sich noch genau erinnert, wie das Ganze seinerzeit entstanden ist:
"Das war natürlich nicht geplant, dass es ein Foto gibt, auf dem ich von der anderen Seite in die Kamera schaue. Hinter dieser Wand von Bild Schlagzeilen stehen ganz viele Bild Kollegen und halten das hoch und ich habe einfach nur geschaut, sind die endlich so weit, wann können wir hier weggehen. Und dabei ist dieses Foto entstanden."
In zwei großen Räumen im Berliner Martin-Gropius-Bau ist ab jetzt die Ausstellung Foto. Kunst. Boulevard. zu sehen – Bilder, passend zum 65. Geburtstag der "Bild"-Zeitung. Zu sehen sind Prominente und Nicht-Prominente. Ganz normale Menschen, Schauspieler, Sportler und Politiker: Donald Trump in seinem Büro in New York, Papst Benedikt in seinen Privatgemächern mit einer Bild-Zeitung in der Hand, Thomas Gottschalk ungeschminkt, faltig und müde in Großaufnahme, Johannes Heesters kurz vor seinem Tod auf einer Bank in seinem Garten.
"Ein ganz wichtiges Kriterium war natürlich, dass sie für Bild gemacht worden sind und in Bild erschienen sind, also im Kontext von Geschichten in Bild. Die Zeitung heißt eben Bild und nicht Text oder Schlagzeile. Und das hat eben mit der herausragenden Bedeutung von Foto in dieser Zeitung zu tun", ...
... meint Kai Diekmann. Deshalb sind ihm auch die Fotografen besonders wichtig und einige sind bei der Eröffnung der Ausstellung dabei. Die meisten Bilder sind inszeniert, einige entstanden spontan. Peter Müller, der seit 17 Jahren als festangestellter Fotograf für die Bild-Zeitung arbeitet, hat 2010 in Afrika einen Fußballspieler fotografiert.
"Die kernige, knackige, journalistische Fotografie"
Im roten Trikot, den Ball balancierend kurz über dem Fuß. Der Junge hat zwei Krücken, aber nur ein Bein. Das Bild ging um die Welt. Geplant war es nicht, sagt der Fotograf:
"Wir waren in Sierra Leone unterwegs wegen einer anderen Geschichte und da habe ich gesehen, da war ein Schild 'Fußballverband der Amputierten' und dann sind wir da hingefahren und haben die besucht und dann haben die sehr lebensfroh da gespielt, also trainiert. Beeindruckend. Und wenn die da dann angefangen haben nach dem Fußballtraining zu erzählen, die haben alle schon viel Derbes als Kinder oder Jugendliche erlebt."
Genau wie Peter Müller selbst. Von der Hundeschau bis zur großen politischen Bühne, von Obdachlosen bis zu Prominenten hat er schon vieles abgelichtet. Und zwar authentisch, darauf legt er Wert:
"Heute ist es gang und gäbe, dass man sagt, hey, Sie photoshoppen mich doch danach noch, ist so ein bisschen nervig. Ich persönlich mag eher die kernige, knackige, journalistische Fotografie, aber das ist Geschmacksache. Ich photoshoppe ganz gering nur, ich verstehe mich auch als Reporter, also als Fotoreporter."
Und weniger als Künstler, obwohl mitunter Kunstwerke per Fotokamera entstanden sind. Ungewohnt ist es für die Fotografen deshalb nun selbst im Mittelpunkt zu stehen. Christoph Michaelis sitzt auf dem Boden im Ausstellungsraum direkt unter einem seiner Fotos und wird nun selber zum Motiv für die anderen Fotografen.
Wichtig ist die Bildidee
Wichtig sei es vor allem, innerhalb kürzester Zeit, eine gute Bildidee zu haben, meint er. Christoph Michaelis hatte die Aufgabe, den 2,13 Meter großen Basketball-Hünen Dirk Nowitzky zusammen mit dem kleinen 1,63-Meter-Turner Fabian Hambüchen auf ein Foto zu bannen – und zwar auf Augenhöhe.
"Und dann fand ich zum Glück diese wunderschöne alte Säule und da dachte ich, der eine turnt und der andere ist stark, also kann der eine am anderen turnen. Interessant an der Geschichte war, dass die gesamte Entourage von Dirk Nowitzky sich riesige Sorgen machte, ob das denn wohl gefährlich wäre für seinen Wurfarm. Fabian stand zur Einrichtung des Bildes auf einem Stuhl, der genau diese Höhendifferenz auch ausmacht, einen halben Meter, und dann wurde der für das Foto nur kurz entfernt."
Am Besten mit einem Schuss Erotik
Und Hambüchen nutzt Nowitzksy Arm, der sich an der Säule festhält, als Reckstange. In ein paar Minuten war das Foto im Kasten. Profis unter sich. Überhaupt, je prominenter die Abgelichteten, desto leichter geht’s, so die Erfahrung von Andreas Theelen, der seit fast 30 Jahren für die Bild Zeitung fotografiert.
"Das ist das alte Thema. Ist man Schauspieler oder Schauspielerin der Kategorie A oder B - wenn man sie so einordnen darf - ist es sehr, sehr einfach, sehr angenehm mit den Leuten zu arbeiten, je weiter die Kategorie nach hinten geht, umso schwieriger wird es, umso mehr Wünsche sind da, aber man kommt am Schluss immer zu einem Resultat."
Und ganz besonders gerne landet ein Bild in der Bild, wenn auch ein Schuss Erotik mit dabei ist. Sophia Thomalla ist zu sehen mit sehr offenherzigem Dekoltee und bis hüfthoch geschlitztem roten Kleid auf einem Sofa fläzend während der Liebhaber neben ihr eher desinteressiert wegschaut. Katarina Witt gänzlich unbekleidet, aber so geschickt platziert, dass keine Blöße sichtbar ist. Oder Nadja Auermann in erotischer Pose auf einem Bett mit einem ausgestopften Schwan - Boulevard at ist best.