Ausstellung: Laia Abril "A History of Misogyny, chapter two: On Rape"
Galerie "Les filles du calvaire", Paris
25. Januar bis 22. Februar 2020
Aber was hatte sie an?
Mit der Geschichte des Frauenhasses befasst sich die Künstlerin Laia Abril: In der Ausstellung "On Rape" blickt sie nüchtern auf den Horror sexualisierter Gewalt - und erforscht, warum bei Vergewaltigungen nach einer Mitschuld der Opfer gesucht wird.
Laia Abril erklärt ihrem Pariser Galeristen, wie die Installation im ersten großen Raum der Ausstellung aussehen soll. An den Wänden hängen bereits großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien. Zu sehen sind, vor weißem Hintergrund, Kleidungsstücke: ein traditionelles Brautkleid aus Kirgistan, eine US-amerikanische Militäruniform, Trikot und Shorts einer Fußballerin, ein Nonnengewand.
Über den Bildern werden Texte zu lesen sein. Die Frauen, die die Kleider trugen, erzählen von den Vergewaltigungen, die sie erlitten haben. "Power Rape" nennt Laia Abril diese Serie. Es geht um "institutionelle Vergewaltigungen". Extrem berührend und schockierend ist das Bild einer winzigen Schuluniform.
"Als es darum ging, Vergewaltigungen in der Institution Schule sichtbar zu machen, stieß ich auf die Geschichte eines vierjährigen Mädchens in Kolumbien", erzählt Laia Abril. "Ich sprach mit der Mutter, die mir das Schulkleid gab. Was dort geschah, war besonders furchtbar. Vermutlich missbrauchte dieser Lehrer mehr als zwanzig Kinder. Es war die Geschichte, bei der es für mich am schwierigsten war, das Foto zu machen."
Ein System, das Täter schützt
Es ist ein Bild, das kaum zu ertragen ist – und gerade deshalb ist es so gut und richtig. Nüchtern, ganz ohne Voyeurismus zeigt Laia Abril das Kinderkleid mit dem Logo der Schule. Zusammen mit den anderen Kleider-Bildern der Serie "Power Rape" wird unübersehbar, dass sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen ein Mittel der Machtausübung sind. Teil eines Systems, in dem oft alles erdenkliche getan wird, um nicht die Opfer, sondern die Täter zu schützen.
Und oft wagen es Vergewaltigte auch nicht, sich selbst als Opfer zu sehen. Wie Meredith, eine Soldatin der US-Army. Im Text über dem Bild ihrer Uniform sagt sie: "Wir spielen ständig unsere Verletzungen herunter und weigern uns, Opfer zu sein."
Nüchterner Blick auf "Rape Culture"
"Rape chat" heißt eine Soundinstallation im sogenannten ‚Dark Room‘ der Ausstellung. Eine computergenerierte Stimme liest Whatsapp- und andere Chats junger Männer, gegen die wegen Gruppenvergewaltigungen ermittelt wurde. Nüchterne Distanz ist auch hier das Prinzip der Präsentation, die so – ganz ohne Horrorbilder – den alltäglichen Horror der Gewalt erst recht spürbar macht.
Auf einem schwarzen Podest zeigt Laia Abril Videokassetten in schwarzen Hüllen. In weißen Buchstaben steht darauf "Rape Porn". Der Text berichtet von Smartphone-Videos, die in Indien kursieren und auf denen brutale Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen zu sehen sind.
Laia Abrils großes Projekt nimmt die "Rape Culture" in der ganzen Welt in den Blick. Den Anstoß aber gab – wie bei "On Abortion", Kapitel 1 ihrer "Geschichte des Frauenhasses" – ein Fall in ihrem Herkunftsland. Immer wenn etwas in Spanien passiere, beginne sie zu recherchieren, sagt die Fotografin. Bei "On Abortion" war es 2013 ein Gesetz, das Abtreibungen erschweren sollte. Jetzt war es der sogenannte "La Manada"-Gang-Rape. In Pamplona vergewaltigten fünf Männer eine 18-Jährige. In erster Instanz wurden sie aber vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Weil auf den Videos keine Gegenwehr zu erkennen war.
Wenn Opfern eine Mitschuld gegeben wird
Laia Abrils Kunstprojekt sucht nach den Hintergründen und Ursprüngen – den Gründen, warum bei Vergewaltigungen noch immer zumindest eine Art "Mitschuld" der Opfer gesucht wird. Aktuelles Beispiel: der Weinstein-Prozess in New York. Die Verteidigerin des wegen sexualisierter Gewalt angeklagten Filmproduzenten hat angekündigt, sie wolle beweisen, dass die sexuellen Kontakte einvernehmlich gewesen seien.
Einen Bruder im Geiste kann diese amerikanische Anwältin in Gestalt von Bernard Alvarez finden, katholischer Bischof von Teneriffa. Ihn zitiert Laia Abril in der Ausstellung mit den Worten, es gebe 13-Jährige, die einverstanden seien und "es" "sogar wollten" und provozierten. Der Verdacht wird vom Täter auf die Opfer gelenkt. Der Klassiker der Rape Culture.
Laia Abrils multimediales Kunstprojekt unternimmt den beeindruckenden Versuch, eine Art visuelle und historische Ordnung zu schaffen im traumatischen System der sexualisierten Gewalt. Eine erschütternde Ausstellung, die deutlich macht, dass #MeToo bisher verdammt wenig bewegt hat. "Die sozialen und politischen Zusammenhänge in der Welt", so Laia Abril, "normalisieren sexuelle Gewalt nach wie vor."