Die Ausstellung in Berlin "Skate Girls of Kabul"
Hoffnung auf vier kleinen Rädern
Profis aus aller Welt bringen Kindern in Kabul das Skateboarden bei. Doch sie tun viel mehr als das - der Sport gibt den Kindern Struktur und Hoffnung. Besonders den Mädchen.
"It started from a very simple idea and it is growing to something quite special."
Aus einer einfachen Idee erwächst etwas Besonderes. So prophezeit es der Film "Skateistan", der dieser Tage während der Afghanischen Kulturwoche in Berlin gezeigt wird. Er dokumentiert die Arbeit der gleichnamigen Hilfsorganisation um den Australier Oliver Percovich, der seit 2007 Hoffnung auf vier kleinen Rädern nach Kabul bringt. Allerdings darf, wer die Tricks lernen will, keine Mädchen vom Skateboard schubsen.
"We had to teach the boys, that they couldn't push them from the board and that they had the equal rights to be in that space."
Den Kindern Gleichberechtigung beizubringen ist eines der Ziele, die neben dem Skaten vermitteln werden – in der Skate-School, erklärt Erika Kinast, die seit fünf Jahren für "Skateistan" arbeitet.
"Der Unterricht ist immer geteilt. Eine Stunde Skateboarding und eine kreativ aufbereitete Stunde Bildung – das, was die Kinder über die richtige Schule hinaus wirklich brauchen im Leben – etwas über Menschenrechte, Gleichheit, aber auch Hygiene und Gesundheit. Das geht immer zusammen und ist uns sehr wichtig. Eigentlich ist Skateboarding nur ein kleiner Teil unserer Arbeit. Der Bildungsbereich ist viel wichtiger."
Die Nachfrage ist groß
Und der wächst stetig. Seit 2013 gibt es neben der in Kabul auch noch eine Skate-School in Mazar-i-Sharif. Die Nachfrage ist groß – insgesamt etwa 1100 Kinder sind derzeit jede Woche dabei – 40 Prozent von ihnen Mädchen. Sie werden bevorzugt berücksichtigt. Die Warteliste mit Jungen ist lang, klar, Skaten ist neu und populär.
"Lange haben wir versucht, ihnen nicht die westliche Skate-Kultur zu zeigen, damit sie ihre eigene entwickeln. In Europa oder Nordamerika bedeutet Skateboarden ein Rebell zu sein. Das gibt es in Afghanistan so nicht. Statt dessen geht es dort beim Skateboarden mehr um neue Chancen und Ideen und sich mit dem Rest der Welt zu verbinden. Inzwischen gucken sie natürlich die Skate-Videos auf ihrem Smartphone. Aber sie gucken auch viel auf sich. Als ich zuletzt im April da war, war es sehr aufregend für die Mädchen, als sie mich und eine andere Kanadierin – als Frauen - beim Skaten gesehen haben. Die Mädchen waren viel enthusiastischer und mehr bei der Sache."
Erika Kinast ist 29 Jahre alt – und eine von 70 Vollzeitkräften bei "Skateistan", die meisten davon Lehrer. Besonders für die Mädchen ist das ein Segen, kann in Afghanistan doch die große Mehrheit der Frauen nicht lesen oder schreiben. Wie die nächste Generation nun auch durch das Skateboard anders aufwächst, fasziniert die Fotografin Jessica Fulford-Dobson.
Die Britin konnte als erste Fotografin eine Portrait-Reihe über die afghanischen Skate-Mädchen erstellen. Zweimal reiste sie dafür ins Land und blieb jeweils mehrere Wochen.
"Als ich das erste Mal ankam, war es, als ob ein Kind in den Süßigkeitenladen kommt. Da waren diese süßen Mädchen überall – in tollen, kleinen Klamotten. Es war sehr schwer zu entscheiden, wo ich zuerst hinsehen sollte. Ich musste in der Skate-Halle einfach lernen, dass ich Glück hatte, so lange dort zu sein. Dabei war es eines der schwersten Foto-Shootings, die ich je gemacht habe. Schon irgendwen auf dem Skateboard zu fotografieren, ist schwer - aber die Mädchen mit ihren Kleidern und Tüchern, alles immer in Bewegung: Das war atemberaubend. Aber ich bin sehr glücklich mit dem Resultat."
Pro Tag mehr als 5000 Besucher angelockt
Fotografin Jessica Fulford-Dobson bezeichnet sich selbst als Optimisten – und das sollen auch ihre Bilder ausstrahlen.
"Diese kleinen Mädchen zu sehen, die manchmal zu schüchtern waren, um zu sprechen, aber von diesen großen Rampen runterfahren, hinfallen und lachen, das ist toll zu sehen, wieviel Kraft sie dadurch gewinnen. Ich habe zwei Bilder – sie heißen 'Vorher' und 'Nachher' und sie zeigen ein Mädchen, dass genauso groß ist wie ihr Brett. Sie sieht aus wie eine kleine Maus, die an ihrem Brett knabbert vor lauter Angst. Und dann hinterher siehst du ihre Freude, als sie ihren Helm runterreißt und ihr Board hochhält – Sieger! Das ist fantastisch."
Die lebensgroßen Portrait-Aufnahmen wurden erstmals im April in der Londoner Saatchi-Gallery gezeigt und lockten dort pro Tag mehr als 5000 Besucher an. Eine Auswahl davon ist nun zwei Wochen lang in Berlin zu sehen – unter dem Titel im Rahmen der Afghanischen Kulturwoche.