"Nennt mich Claudio"
1966 dirigierte Claudio Abbado das erste Mal die Berliner Philharmoniker, 1989 wurde er zum Chef des Orchesters gewählt. Zum fünften Todestag erinnert nun eine Ausstellung an den großen Maestro.
Eva Maria Tomasi hat zusammen mit Claudio Abbado bei den Philharmonikern begonnen, kurz nach seiner Wahl im Oktober 1989 - sie als Geigerin, er als Chefdirigent. Sie erinnert sich an den Moment, da sie von seinem Tod erfuhr: "Ich selbst war mit hohem Fieber im Bett und habe die Nachricht bekommen. Ich war so froh, allein zu sein. Es gab ja dann damals das Gedenkkonzert mit Zubin Mehta, das Adagietto aus Mahlers 5. Sinfonie. Einerseits war ich traurig, andererseits aber auch dankbar, nicht dabei zu sein."
Ein großer Dirigent, ein großer Pianist
Dankbar sind alle Musiker, die Abbado kannten. In der großen Halle der Philharmonie erinnern jetzt fünf Säulen und Fototafeln an ihn, denn die Philharmoniker kuratieren Abbados Nachlass, der in der Staatsbibliothek liegt.
Der Historiker und Biograf Oliver Hilmes hat die Ausstellung eingerichtet und zeigt viele Dokumente erstmals öffentlich. Zum Beispiel das erste Programmplakat, auf dem Abbados Name steht: "Das stammt also vom 22. Dezember 1953. Da war Abbado knapp 20", erläutert Hilmes. "Unter der Leitung von Carlo Maria Giulini trat Abbado als Pianist auf. Was oft in Vergessenheit gerät: Abbado war ein großartiger Pianist. Und er hat hier unter Giulinis Leitung im Dezember 1953 das d-Moll-Klavierkonzert von Johann Sebastian Bach gespielt."
Vorgänger Karajan wusste um Abbados Begabung
Abbado war als Chef bei den Berlinern auf Herbert von Karajan gefolgt und in vielem dessen Gegenteil. "Nennt mich Claudio, ich bin einer von Euch" - so seine legendäre erste Ansprache vor dem Orchester.
Karajan aber wusste um Abbados Ausnahmebegabung. Er wandte sich bereits am 18. August 1965 an den Staatsopernintendanten von Hamburg, Rolf Liebermann. In diesem Brief habe Karajan sinngemäß geschrieben, dass er noch nie eine solche Begabung wie den jungen Abbado gesehen habe, sagt Hilmes. Liebermann müsse ihn unbedingt nach Hamburg einladen, aber er solle sich beeilen. Denn wenn er zu lange warte, werde Abbado mit Sicherheit keine Termine mehr frei haben. "Abbados Karriere ging, salopp formuliert, gerade durch die Decke", bringt es der Kurator der Ausstellung auf den Punkt.
1966 dirigierte Abbado das erste Mal die Berliner. Die Ausstellung zeigt Abbados Freunde, Carlos Kleiber, Maurizio Pollini, Leonard Bernstein und viele andere auf großen Fotos. Sie zeigt die vielen Ehrungen und Preise. Sie zeigt auch seine Fans. Die musikalische Spannung bei Abbado-Konzerten übertrug sich aufs Publikum. "Da erinnere ich mich an das Ende der 9. Sinfonie von Gustav Mahler", sagt Eva Maria Tomasi, "da hat es knapp eine Minute gedauert, totale Stille nach dem letzten Schlusston, bevor der Applaus einsetzte, das war einfach enorm."
Ein Hüter der jungen Generation
Gerade die jungen Musiker hat Abbado gefördert und unterstützt. Als in Berlin wieder der Wehrdienst eingeführt wurde nach der Wende, wollte er einem jungen Musiker helfen. "Da schreibt also Abbado an das Kreiswehrersatzamt Berlin II und setzt sich in diesem Brief, den er auf Briefpapier der Berliner Philharmoniker verfasst hatte, für einen jungen Stipendiaten der Orchesterakademie ein", erzählt Oliver Hilmes. "Dieser junge Musiker sollte zum Wehrdienst eingezogen werden. Und Abbado erklärt, dass dieser junge Musiker so außergewöhnlich begabt sei und dass das Orchester ihn brauche. Deswegen bittet Abbado, ihn wegen Unabkömmlichkeit nicht zum Wehrdienst heranzuziehen." Hilmes hat nicht feststellen können, ob Abbado damit Erfolg hatte.
Nicht nur sein treuer Fanclub, die Abbadiani itineranti, reiste ihm hinterher. Abbado hatte überall auf der Welt Fans, auch unter den Jüngsten. So schreibt die kleine Carla Marrero aus Luzern: "Lieber Claudio, die Musik war ganz toll und wunderbar. Ich hoffe, dass wir uns bald Wiedersehen. Du bist ja mein Lieblingsdirigent."