Ausstellung über Russischen Kosmismus

Unsterblichkeit für alle!

Alexander Rodtschenko (1891–1956) CONSTRUCTION ON WHITE (ROBOT). 1920
Alexander Rodtschenko (1891–1956) CONSTRUCTION ON WHITE (ROBOT). 1920 © Staatliches Museum für Zeitgenössische Kunst – Costakis Collection, Thessaloniki
Boris Groys im Gespräch mit Timo Grampes |
Der russische Kosmismus war eine philosophische Denkrichtung, die nach Unsterblichkeit und Wiederauferstehung mittels Technologie strebte. Der technikbegeisterte Kosmismus beeinflusste die frühe Sowjetavantgarde, wie eine Ausstellung in Berlin zeigt.
"Art without Death" - so lautet der Titel einer Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Die Überwindung des Todes war ein zentraler Gedanke des russischen Kosmismus - eine philosophische Denkrichtung, die Ende des 19. Jahrhunderts in Russland entstand und sich unter Künstlern der russischen Avantgarde verbreitete. Was sie einte, war ihre Begeisterung für Wissenschaft und Technik. Mit ihrer Kunst reagierten sie auf moderne Erkenntnisse von Physik und Astronomie.
Kosmisten strebten nach Unsterblichkeit und Wiedererweckung der Toten, wofür sie notwendigerweise den Kosmos mit seinen fremden Planeten als neuen Lebensraum einbezogen. Das Denken der Kosmisten, die heute als Visionäre der Raumfahrt erscheinen, zeigt den damaligen uneingeschränkten Optimismus in Kunst und Wissenschaft und hatte großen Einfluss auf die russische Kunst und Politik, bis in die Sowjetära hinein.
"Zunächst einmal ist Marxismus auch eine Lehre, die versucht, bestimmte Verheißungen der Religionen zu erzielen mit materialistischen und technologischen Mitteln und so etwas wie das Paradies auf Erden zu bilden für die Bevölkerung. Nur, die Kosmisten gingen weiter."

Die Avantgarde und die Raumfahrt

Das sagt der Philosoph und Kunsttheoretiker Boris Groys. Er hat eine Ausstellung in der Ausstellung konzipiert, nämlich "The Cosmic Imagination". Die präsentiert Werke der Russischen Avantgarde und zeigt die Schnittmengen zwischen der frühen Sowjetavantgarde und dem Kosmismus auf.
"Wenn man die Ikone der Avantgarde schlechthin nimmt – 'Das schwarze Quadrat' von Malewitsch – dieses schwarze Quadrat kann auch interpretiert werden und wurde auch so interpretiert als Bild eines kosmischen Raumes. Und in der Ausstellung wird gezeigt, wie seine Schüler beginnen, zu zeigen, wie in diesem Raum bestimmte Objekte auftauchen, bestimmte Formen, die in einem gravitationslosen Raum sich bewegen."
Einige Kosmisten hätten später in der Sowjetunion als Forscher gearbeitet, wie z.B. Ziolkowski:
"Der hatte die frühen sowjetischen Raketen mit dem Ziel gebaut, auferstandene frühere Generationen und unsterbliche Menschen ins All zu bringen, auf andere Planeten, daraus wurde dann das sowjetische Raumprogramm."
Eine Grundidee des Kosmismus sei auch die Idee gewesen, einen neuen Menschen zu schaffen mittels Technologie, sich frei zu machen von der sexuellen Reproduktion. Versuche, die biologische Struktur des Menschen technisch zu verändern, seien gerade in den USA wieder sehr populär, sagt Groys.

Art Without Death: Russischer Kosmismus
Fr, 01. September 2017 — Di, 03. Oktober 2017
Haus der Kulturen der Welt, Berlin

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