"Sight Seeing – Die Welt als Attraktion", Kunsthalle Emden
bis 14. Juni 2020
Wie ein Bauwerk zur Sehenswürdigkeit wird
07:12 Minuten
Mit der Macht der Bilder zum Hotspot: Damit ein Bauwerk Millionen von Touristen anzieht, muss es monumental sein, technisch raffiniert, einzigartig und schön, beschreibt Stefan Borchardt, Direktor der Kunsthalle Emden, das Phänomen "Sehenswürdigkeit".
Stefan Borchardt ist Direktor der Kunsthalle Emden und bekennender Eiffelturm-Fan. Das prägnante Bauwerk, Wahrzeichen von Paris, ist seine Lieblingssehenswürdigkeit: eine Mischung aus Moderne, Erhabenheit und reinem Schauwert.
Borchardt ist einer der Kuratoren der Ausstellung "Sight Seeing – Die Welt als Attraktion" in Emden. Die Schau beschreibt das Phänomen "Sehenswürdigkeit" in der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte: Was macht den Eiffelturm, Schloss Neuschwanstein oder Venedig zu Touristen-Hotspots? Die Ausstellung ergründet, wie sich solche Sehenswürdigkeiten, die in der europäischen Bildgeschichte eine Rolle spielen, in unser visuelles Gedächtnis einprägen.
Schon immer gab es Bauwerke zum Bestaunen
Laut Borchardt gibt es vier Merkmale von Bauwerken oder Landschaften, die gegeben sein müssen, um daraus eine Sehenswürdigkeit zu machen: Größe beziehungsweise Monumentalität, Einzigartigkeit, die besondere technische Herausforderung, die hinter einem Bauwerk steckt, und Schönheit. Wobei Letzteres, wie Borchardt einräumt, natürlich oft im Auge des Betrachters liege.
Das Phänomen "Sehenswürdigkeit" sei im übrigen nicht nur auf die Neuzeit beschränkt. "Was wir sagen können: Seit Menschengedenken – seitdem Menschen bauen – gibt es Bauwerke, von denen wir sagen, dass sie offensichtlich den Anspruch haben, Eindruck zu machen." Dies seien Bauten von Herrschern oder religiöse Bauten wie Tempel. "Und die waren von vornherein dazu gedacht, eine hohe Anziehungskraft zu haben. Aber sicher nicht nur zum Beschauen, sondern eher zum Niederknien vor der Macht."
Der Einfluss der Bilder
Heute sei die Attraktion solcher Bauwerke vor allem die Erinnerung an diesen ursprünglichen Zweck – "aber auch die Faszination von dem, was der Mensch als Gattung geschaffen hat".
Während der Vorbereitung der Ausstellung sei deutlich geworden, welchen immensen Einfluss Bilder darauf hätten, was Menschen als aufregend und interessant empfinden – und somit auch der Einfluss darauf, wohin man fahre und wo sich dann letztlich viele Menschen versammelten.
Seit dem 15. Jahrhundert, mit Erfindung des Buchdrucks und der breiteren Zugänglichkeit von Reproduktionen lasse sich verfolgen: "Je stärker die Zahl dieser Bilder zunimmt, desto stärker steigt parallel auch die Zahl der Reisenden, die offensichtlich von genau diesen Bildern angezogen werden." Heute, zeigt Borchardt in der Ausstellung, wird dieses Phänomen durch die Omnipräsenz solcher Bilder in den sozialen Medien rasant beschleunigt.
(mkn)