Die Ausstellung "Vergessene Bauhaus-Frauen" ist noch bis 1. Januar 2022 im Bauhausmuseum in Weimar zu sehen.
Spurensuche in Weimar
05:17 Minuten
Am Bauhaus haben Frauen Herausragendes geleistet. Doch von den meisten Künstlerinnen gibt es kaum noch Spuren. Etliche wurden von den Nazis ermordet, viele überlebten den Zweiten Weltkrieg nicht. Eine Ausstellung in Weimar erinnert an sie.
"Als ich das erste Mal zu ihr kam, ins Büro, kam ich mit der Idee: 'Ich möchte gerne nichts ausstellen!'"
Patrick Rößler, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Erfurt, beschäftigt sich schon seit Jahren mit den Frauen am Bauhaus, mit Studentinnen und Dozentinnen, die bis auf wenige Ausnahmen fast vergessen sind – beziehungsweise, waren.
Patrick Rößler beschreibt sein Dilemma: "Wie stellt man nichts aus? Aber es ist in dem Fall tatsächlich ein Anliegen von mir gewesen, auf eine Fehlstelle, auf eine Leerstelle aufmerksam zu machen."
Durch gründliche Suche können sie nun mehr als nichts zeigen im Weimarer Bauhausmuseum. Es ist gar nicht so einfach, Lebensläufe nachzuzeichnen, wenn man so wenig hat, ihrer habhaft zu werden. 462 Frauen haben insgesamt am Bauhaus studiert, in Weimar, Dessau oder Berlin – immerhin ein Drittel aller Studenten.
Fund auf dem Dachboden der Familie
39 ehemalige Bauhaus-Studentinnen haben Rößler und Anke Blümm von der Klassik Stiftung Weimar schließlich gefunden, die das Jahr 1945 nicht überlebt haben und deren Werk, sofern sie eins hinterlassen haben, auch in den 1960er-Jahren unbeachtet blieb, als das Bauhaus wiederentdeckt wurde.
Anke Blümm nennt ein Beispiel: "Sofie Korner: Von ihr hatten wir noch nicht mal ein Porträtfoto im Oktober. Und es war wirklich ein wundersamer Zufall, dass sich während der Ausstellungsvorbereitung eine australische Verwandte von Sofie Korner gemeldet hat, die gleichzeitig aber auch noch weitere Familienmitglieder aktivieren konnte, in der Schweiz und in den USA. Und dort haben sich dann tatsächlich auf dem Dachboden, in der Garage, in Kisten im Keller über 50 Werke von Sofie Korner aufgefunden."
Ihre Bilder hingen neben Feininger und Itten
Sofie Korner hatte sogar schon vor ihrem viersemestrigen Studium am Weimarer Bauhaus ein Werk vorzuweisen. In einer Bauhaus-Ausstellung 1922 in Kalkutta hingen ihre Bilder neben den Werken von Kandinsky, Feininger und Itten, aber nur ein Aquarell von ihr wurde verkauft.
Für die Ausstellung im Weimarer Bauhausmuseum kam die Entdeckung Korners zu spät, nicht aber für den sehr informativen, phantastisch gegliederten und ansprechend gestalteten Katalog.
Sofie Korner wurde – wie auch acht andere von den 39 recherchierten Bauhaus-Frauen – von den Nationalsozialisten ermordet, weil sie Jüdin war. Andere starben im Bombenkrieg, durch stalinistische Säuberungen oder eines natürlichen Todes.
Else Fretzdorff wurde im Alter von 63 Jahren in einer sächsischen Euthanasie-Anstalt vergast. Ihre Lebensdaten werden, wie auch die von 23 anderen Frauen, fast phantomhaft auf eine halb lichtdurchlässige Leinwand projiziert. Von manchen gibt es nicht einmal ein Foto.
Variationsreich und auch düster
Von 15 der ehemaligen Bauhaus-Studentinnen aber sind Werke zu sehen. Plastiken, gewebte Stücke, viel Grafisches. Keine bislang verschollenen Meisterwerke, aber Ansätze, Seitenlinien, und immer: Abgebrochenes.
Besonders eindringlich ist das Selbstporträt von Dörte Helm, das die Künstlerin verunsichert und fragend zeigt. Auch sonst: Viel Figürliches, Gegenständliches, worauf Anke Blümm hinweist.
"Das Bauhaus wird natürlich immer gerne als Hort der Abstraktion gefeiert und das besonders hervorgehoben. Aber damit hatte sich ja die figürliche Kunst noch lange nicht erledigt, also ich möchte hier auf Margarete Schall hinweisen, die dieses technisch interessante, sehr variantenreiche und aber auch fast düstere Bild 1927 am Bauhaus gemalt hat. Man erkennt vielleicht einen Einfluss von Paul Klee."
Es zeigt einen Leuchtturm zwischen Dünen, Feldern, Häusern und Meer.
Künstlerische Exzellenz jenseits von Kandinsky und Co.
Margarete Schall ist auch ein schönes Beispiel gegen das Bauhaus-Klischee der jungen Bubiköpfe: Sie war schon Studienrätin an einer Schule in Essen, als sie mit 31 Jahren für ein Jahr ans Bauhaus in Dessau ging, um ihre malerischen Fähigkeiten zu verbessern. So gab es weder das Bauhaus noch die Bauhäuslerin, meint Patrick Rößler.
"Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht viel Zeit hatten, um aus dem, was sie am Bauhaus gelernt haben, dann letztendlich auch das auszubilden, was viele andere geschafft haben. Und unsere große Hoffnung ist es, hier noch mal einen Anstoß zu geben, sich vielleicht auch mit den Personen des Bauhauses ein bisschen näher zu beschäftigen, die nicht Namen besitzen wie Paul Klee oder Wassili Kandinsky."
"Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht viel Zeit hatten, um aus dem, was sie am Bauhaus gelernt haben, dann letztendlich auch das auszubilden, was viele andere geschafft haben. Und unsere große Hoffnung ist es, hier noch mal einen Anstoß zu geben, sich vielleicht auch mit den Personen des Bauhauses ein bisschen näher zu beschäftigen, die nicht Namen besitzen wie Paul Klee oder Wassili Kandinsky."
Deutlich wird in der Ausstellung die Vielfalt der Ansätze des Bauhauses. Im Katalog wird dies ganz wunderbar ergänzt durch zwei Aufsätze über angepasste Künstlerinnen im Nationalsozialismus und über weibliche Kunst in den KZs. Für solche Ausstellungen wünscht man dem Bauhausmuseum Weimar einfach mehr Platz.