Axel Völcker, Julia Boek (Hrsg.): Berlin-Wedding / Das Foto-Buch
Christof Kerber Verlag, Berlin 2017
172 Seiten, 40 Euro
Wo die Zukunft verhandelt wird
16 Fotografen haben den Berliner Wedding porträtiert - und zeigen uns überraschende Einblicke in einen Stadtteil, mit dem viele vor allem Klischees verbinden. Die Fotoreporter der Agentur Ostkreuz sind tief in Alltag und Milieus eingetaucht.
Der Wedding ist für viele nicht mehr als ein Berliner "Fly-Over"-Stadtteil. Hier wurden die Boatengs sozialisiert, hier gibt es soziale Probleme, und davon jede Menge. Soweit die gängigen Klischees. Für die Macher der Ausstellung "Ein Stadtteil – 16 fotografische Positionen" ist der Wedding viel mehr. Er ist so etwas wie der Prototyp eines Landes im Wandel.
Kultur, Religionen, Herkünfte, Mentalitäten
"Hier wird die Zukunft einer Gesellschaft verhandelt, in der die klassischen Milieus sich auflösen. In der die einen keine Arbeit finden und die anderen Geld verdienen mit etwas, das mit Maloche gerade noch so viel zu tun hat wie ein Laptop mit einem Amboss. In der die Kulturen, Religionen, Herkünfte und Mentalitäten zusammengerührt werden und alle irgendwie miteinander klarkommen sollen: Omas, Hipster, Entrepreneure, Pleitegeier, Spießer, Renegaten, Junge, Alte, Muslime, Christen, Atheisten, gebürtige Türken, gebürtige Niedersachsen, Menschen und Unmenschen", heißt es im programmatischen Text von Dirk Gieselmann.
Die Arbeiten in der Ausstellung und dem bald erscheinenden Bildband stammen von Fotografen der Agentur Ostkreuz. Die Fotografen sind für dieses Projekt in den Stadtteil eingetaucht, jeder hat seinen eigenen Blick und seine eigenen Geschichten mitgebracht. Mal persönlich wie in der Geschichte eines Nachbarjungen von Linn Schröder, mal sozialarchitektonisch wie in den Bildern von Hienrich Holtgreve, der das Jobcenter fotografiert hat, und mal kulturell wie bei Thomas Meyer, der Künstler als Vorboten der Gentrifizierung aufgenommen hat.
Die Idee zum Projekt hatten Julia Boek und Axel Völcker, die gemeinsam das Magazin "Der Wedding" machen. Boek sagte im Deutschlandfunk Kultur, am Wedding sei vor allem die Alltagskultur interessant. Die bunte Mischung im Stadtteil erzeuge Geschichten, die sich wunderbar erzählen ließen. Nach ihrer Meinung ist der Wedding schon viel weiter als große Teile der Gesellschaft: Während in Talkshows noch über Flüchtlinge geredet werde, finde das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen im Wedding schon längst statt. (ahe)