Ausstellung

Vagina-Monologe in der Kunst

Gustave Courbets Gemälde "L'Origine du Monde" (Der Ursprung der Welt) von 1866
Gustave Courbets Gemälde "L'Origine du Monde" (Der Ursprung der Welt) von 1866 © picture-alliance/ dpa
Von Martina Zimmermann |
Das Courbet-Gemälde "Der Ursprung der Welt" wird vom Pariser Musée d’Orsay nur äußerst selten ausgeliehen. Nun ist es in einem 8000-Einwohner-Dorf bei Besançon zu sehen - in einer Ausstellung, die sich mit dem weiblichen Geschlechtsteil in der Kunst auseinandersetzt.
Es ist keine Ausstellung über Gustave Courbet und seinen "Ursprung der Welt", es geht vielmehr um die Darstellung des weiblichen Geschlechtsteils in der Kunstgeschichte seit der Renaissance: 70 Werke von Dürer bis Duchamp - Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien, Gravuren, die sich mit dem Blick auf das weibliche Geschlechtsteil auseinandersetzen, darunter auch japanische Grafiken oder die figurative Skulptur des Deutschen Stephan Balkenhol, der einen Mann aus Holz gebannt auf den "Ursprung der Welt" gucken lässt.
Seit der Antike hatte es in der Kunst kein weibliches Geschlechtsteil gegeben, erklärt Thierry Savatier, Autor von vier Büchern über das Skandalgemälde von Courbet:
"Man zeigte sehr oft den Mann mit seinem Geschlechtsteil, aber selbst bei den weiblichen Akten nie das Geschlecht der Frau. Das zeigt nun plötzlich Courbet und gibt der Frau die Genitale zurück, die ihr die Kunst des Westens weggenommen hatte. Courbet ist ein Revolutionär, der über 1800 Jahre Geschichte mit einem einzigen Werk änderte."
Ein türkische Diplomat gab das Gemälde in Auftrag
Die Nahaufnahme des behaarten Geschlechts ist eine Auftragsarbeit aus dem Jahr 1866. Der türkische Diplomat Khalil Bey versteckte das Werk hinter einem grünen Vorhang, den er für Besucher stolz lüftete. "Der Ursprung der Welt" wurde nur privat gezeigt, bis das Gemälde 1995 ins Musée d’Orsay kam. Im 19. Jahrhundert waren Nymphen gängigere Motive, die Kuratorin Isolde Pludermacher erklärt:
"Was passiert in dieser Serie von Satyrn und Nymphen? Der Satyr will das Geschlecht der schlafenden Nymphe sehen. Er hat die Rolle des Voyeurs, wir sehen nicht was er sieht. Man sieht das Geschlecht dieser Frauen nicht aus einer Frontalperspektive wie bei Courbet. Die Frauen liegen auf der Seite und man sieht selten ihre Schamhaare. In diesen erotischen Zeichnungen darf der Satyr Voyeur sein, weil er kein Mensch ist, sondern eine Mischung aus Mensch und Tier."
Konkret gezeigt wurde die Vagina nur in medizinischen Werken, von denen manche Bilder zu sehen sind. Leonardo da Vinci versah eine solche Zeichnung mit seinen wissenschaftlichen Anmerkungen. Der orientalistische französische Maler Ingres bereitete mit ein paar Studien sein erotisches Ölbild "Das türkische Bad" vor. Bemerkenswert ist eine Fälschung des "Ursprungs der Welt" aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Sie wird René Magritte zugeschrieben und zum ersten Mal überhaupt öffentlich gezeigt. Thierry Savatier:
"Die Dimension ist kleiner, die Farben sind anders, man fragt sich wie hat Magritte das so malen können? Aber das Original befand sich damals in Budapest und die Quelle von Magritte befand sich wahrscheinlich in diesem deutschen Buch, „Die großen Meister der Erotik“ des Kunsthistorikers Eduard Fuchs. Auch das Buch ist sehr selten, es wurde 1930 veröffentlicht, die meisten Exemplare wurden während der Nazizeit zerstört. Aber darin wurde zum ersten Mal ein Foto von Courbets Gemälde veröffentlicht. Man nimmt an, dass es die Quelle der Kopie von Magritte ist."
Männer machten ihren Blick auf die Frauen zur Kunst
Die Skulptur der "Götterbotin Iris" von Rodin zeigt einen Körper ohne Kopf und nur mit einem rechten Arm, der das rechte Bein hoch hält und so den Blick auf das Geschlecht freilässt. Rodin-Expertin Antoinette Le Normand-Romain glaubt allerdings nicht, dass Rodin bei seinen Werken von Courbet beeinflusst wurde:
"Das Rodin-Museum in Paris besitzt etwa 8000 Zeichnungen, und von denen sind 7000 Frauen, in allen Positionen. Sie sehen hier ein paar Beispiele von Frauen mit gespreizten Beinen, manche sind sehr berühmt. Wir haben aber versucht, auch Zeichnungen zu zeigen, die weniger bekannt sind."
Es waren Männer, die ihren Blick auf die Frauen und deren Geschlecht zu Kunst machten. Das zeigt Louise Bourgeois, indem sie eine Mischung aus Auge und Vagina herstellt. Nur drei Werke der Ausstellung stammen von Frauen. Das zweite ist ein schlitzförmiger Spiegel von Janette Laverrière, "für Gustave Courbet" heißt das Werk, in dem man die zeitgenössischen Courbet-Widmungen von Newton und Mondino an der Wand gegenüber sieht. Agnès Thurnauer hat auf ihrem Gemälde "Original World" Künstlernamen feminisiert, da ist unter anderem zu lesen: Jacqueline Pollock, Marcelle Duchamps, Estelle Manet und Josefine Beuys.