Weitere Infos: Die Ausstellung "Emeka Ogboh – If found please return to Lagos" ist in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden bis zum 4. Februar 2018 zu sehen. Hier gibt es nützliche Infos dazu.
Schwarzbier, das nach Migration schmeckt
In seiner ersten großen Einzelausstellung in der Kunsthalle Baden-Baden lässt der nigerianische Künstler Emeka Ogboh das Deutschlandlied aus zehn Lautsprechern erklingen – gesungen in zehn afrikanischen Dialekten. Und auch mit einer Bierwerbung nimmt er die deutsche Leitkultur auf die Schippe.
Das Casino in Baden-Baden ist fest in schwarzafrikanischer Hand. Unter den Kronleuchtern amüsiert sich eine exotisch gekleidete Partygesellschaft, nur Barkeeper und Kellner sind weiß. Die Schwarzen lassen am Spieltisch die Kugel rollen, tanzen und prosten sich zu mit einem Bier, das einen ganz speziellen Namen hat:
"Sufferhead! Sufferhead! Sufferhead!"
Sufferhead – ein dunkles Bier, abgefüllt in matte schwarze Flaschen. Der nigerianische Künstler Emeka Ogboh hat das Bier kreiert, ein Craft-Bier speziell für Baden-Baden, gebraut nach afrikanischem Geschmack, mit scharfer Chili-Note und, abgestimmt auf die Region, einem Hauch von Schwarzwälder Kirsch. Braukunst, die natürlich Werbung braucht, sagt Kuratorin Luisa Heese:
"Und so haben wir einen Werbespot gedreht für das Sufferhead Bier. Und dort haben wir Leute aus der Region zusammengebracht, die selbst eben einen schwarzen Hintergrund haben und haben sie zusammengebracht, ja, eine große Abendgesellschaft zu inszenieren. Und wir haben uns da so ein bisschen daran gehalten an Spots, die man kennt von internationalen Biermarken, und so funktioniert dies eben auch, dass eine große Party stattfindet im Casino und dieses Bier getrunken und angepriesen wird."
Ein wichtiges Thema: der Verlust der Heimat
Sufferhead – das klingt nach Kopfweh. Aber nicht nur, sagt Emeka Ogboh.
"Der Name stammt von einem Song von Fela Kuti aus den 80er-Jahren, als viele Nigerianer aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen emigrierten. Und der Song handelt davon. Und gut: Mein Bier hat acht Prozent – wer zu viel trinkt, hat am nächsten Tag Kopfweh. Sufferhead ist aber auch ein Pidgin-Ausdruck für jemanden, der leidet. Und welcher afrikanische Flüchtling leidet nicht unter dem Verlust seiner Heimat? Wegen all dieser Dinge habe ich das Bier Sufferhead genannt."
Schmeckt nicht schlecht, das dunkle Gebräu, wie sich bei einer Bierprobe in der Kunsthalle herausstellt:
"Der erste Eindruck: ein dunkles kräftiges Bier. Der Geschmack entfaltet sich erst, wenn man den eine Weile im Mund behält, und vollmundiger Körper, also schmeckt sehr gut und kräftig, und es schmeckt nach mehr."
"Also es ist ein sehr kräftiges Bier und zum Schluss hat man so ‘ne prickelnde Chili-Note, die eigentlich ganz gut ist jetzt auf den Winter, weil's die Nase schön freimacht. Ich würde sagen: Man schmeckt das Baden-Badener Wasser gepaart mit doch noch was Exotischem."
Es ist diese Exotik, mit der Emeka Ogboh spielt, eine verkehrte Welt, die den Rollentausch auf die Spitze treibt, ein Spiel mit Klischees. So lässt er Schwarzafrikaner mit Bierkrug und Lederhose lachend in einem Baden-Badener Traditionslokal posieren, präsentiert zünftige Dirndl-Mode aus afrikanischen Stoffen oder platziert exotisch kostümierte Afrikaner wie Paradiesvögel in typisch deutschem Ambiente. Wer hat hier Angst vor Schwarz?
Es gibt vor allem viel zu hören hier, denn Emeka Ogboh arbeitet gerne mit Klängen.
"Ich erforsche Städte durch Geräusche und Geschmack. Wenn man in sie hineinhört, wird die Stadt zum Komponisten: man hört verschiedene Sprachen, Fahrzeuge, Verkehr und solche Sachen. Der Geschmack geht noch weiter. Für Migranten ist das Wichtigste, wenn sie an einen neuen Ort kommen, das Essen. Man möchte das essen, was man von zuhause kennt. Essen und Geschmack sind also sehr wichtige Aspekte der Migration. Und daraus mache ich meine Arbeiten."
Das Deutschlandlied aus zehn Lautsprechern
Afrikanisches Essen in Deutschland sei teuer, sagt Ogboh, und also mischt er auf Großfotos Euroscheine in das Essen. Ein Raum der Kunsthalle ist gelb gestrichen wie die Danbo-Taxis der Millionenmetropole Lagos, aus Lautsprechern tönt dazu eine lärmende Großstadt-Sinfonie.
Wie schmeckt Heimat, wie klingt Fremde? Wie sehr muss man sich selbst verleugnen, um anzukommen? Ist das Absingen einer Nationalhymne nicht der Idealzustand der Integration oder gar der Inbegriff für eine perfekte Assimilation? Aus zehn Lautsprechern tönt im großen Ausstellungssaal der Kunsthalle das Deutschlandlied, gesungen von einem Berliner Immigrantenchor in zehn afrikanischen Dialekten.
Ja, so klingt es, wenn Emeka Ogboh die deutsche Leitkultur auf den Arm nimmt, mit einem Augenzwinkern, ganz ohne Belehrung. Seine Kunst behandelt nicht die großen Themen wie Flüchtlingselend oder Fremdenhass. Doch sie zeigt, wie aus kulturellen Schnittmengen Zwischentöne entstehen, die Grenzen verwischen und das Zusammenleben erleichtern könnten.