"Wanderlust" in der Alten Nationalgalerie Berlin mit Gemälden von Caspar David Friedrich bis Auguste Renoir vom 10.05. bis 16.09.2018. Mehr Informationen zur Ausstellung finden Sie hier.
Wanderbilder mit politischer Bedeutung
Die Ausstellung "Wanderlust" in Berlin dokumentiert, wie das Sujet des Wanderns die Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts beeinflusst hat. Doch die Bilder zeigen nicht nur Wanderer in der Natur, sondern sind oft auch politische Statements.
Nur ein paar Schritte - und man steht inmitten gewaltiger Gebirgspanoramen, idealisierter Italienlandschaften, eisiger Winterlandschaften - und auf jedem Bild entdeckt man, manchmal nur winzig klein, Wanderer.
Die Idee zu der Ausstellung hatte die Kuratorin Birgit Verwiebe. Irgendwann, erzählt sie lachend, hätte sie bemerkt, "dass die Alte Nationalgalerie eine hervorragende, umfangreiche Romantiksammlung hat, und innerhalb dieser Romantiksammlung ist das Thema zentral. Seit ich mich erinnern kann, schreibe ich Texte über diese Bilder, und da kommen dann immer Wanderer vor."
Die Idee zu der Ausstellung hatte die Kuratorin Birgit Verwiebe. Irgendwann, erzählt sie lachend, hätte sie bemerkt, "dass die Alte Nationalgalerie eine hervorragende, umfangreiche Romantiksammlung hat, und innerhalb dieser Romantiksammlung ist das Thema zentral. Seit ich mich erinnern kann, schreibe ich Texte über diese Bilder, und da kommen dann immer Wanderer vor."
Hinein in die unbekannte und gefährliche Welt
Diese Arbeiten bilden den Schwerpunkt der Ausstellung, die in mehrere Kapitel gegliedert ist und mit der "Entdeckung der Natur" mitreißend eröffnet wird. Gleich im ersten Raum lässt einen die Ansicht eines gewaltigen Gletschers zurückprallen: Seine Eismassen strömen direkt auf einen zu, sie werden alles mit sich reißen, was sich ihnen in den Weg stellt. Heinrich Wuest malte das Bild 1775, wenige Jahre vor der Französischen Revolution.
"Die Schweizer Malerpioniere waren ja die ersten, die sich in eine bis dahin unbekannte und als gefährlich geltende Welt - zum Beispiel das Hochgebirge, wie die Alpen, - hineingetraut haben, und das dann auch gemalt haben. Und natürlich kann man sagen: In diesen Themen, die neu sind, und die so eine gewisse Kühnheit ausdrücken, deutet sich der Umbruch bereits an. Der Umbruch, der sich dann Ende des 18. Jahrhunderts auch politisch vollzieht."
"Die Schweizer Malerpioniere waren ja die ersten, die sich in eine bis dahin unbekannte und als gefährlich geltende Welt - zum Beispiel das Hochgebirge, wie die Alpen, - hineingetraut haben, und das dann auch gemalt haben. Und natürlich kann man sagen: In diesen Themen, die neu sind, und die so eine gewisse Kühnheit ausdrücken, deutet sich der Umbruch bereits an. Der Umbruch, der sich dann Ende des 18. Jahrhunderts auch politisch vollzieht."
Um 1800 zogen dann Künstler aus deutschen Landen los: Carl Blechen, Johann Christian Dahl, Karl Friedrich Schinkel und viele andere flohen mit ihren Malutensilien vor der politischen und gesellschaftlichen Enge in die Natur und machten sie bildwürdig. Und, so Birgit Verwiebe:
"Die Romantik hat dann das Wandern als Ausdruck für das Einlassen auf etwas Unbekanntes - die Suche nach neuer Identität, nach neuem Lebenssinn, die Bereitschaft, sich auf den Weg zu machen, ohne das Ziel bereits zu kennen - für sich entwickelt."
Mühsames Ringen um Welt- und Selbsterkenntnis
Vieles davon kennt man. Doch wenn Carl Eduard Biermann auf 1 Meter 30 Breite ein majestätisches Gebirgspanorama präsentiert, in dessen Vordergrund zwei winzige Wanderer mühsam durch Geröllhalden klettern, wird das Wandern zu einem eindrucksvollen Sinnbild für das mühsame Ringen um Welt- und Selbsterkenntnis.
Wenn sich um 1818 einsame Wanderer durch Winterlandschaften kämpfen, spiegeln sich darin auch die eisigen, antidemokratischen Verhältnisse der Metternich-Ära. Und Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer", der von einem Berggipfel aus nachdenklich auf eine Dunst- und Wolkenverhangene Landschaft blickt, wirkt geradezu existentialistisch.
Wenn sich um 1818 einsame Wanderer durch Winterlandschaften kämpfen, spiegeln sich darin auch die eisigen, antidemokratischen Verhältnisse der Metternich-Ära. Und Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer", der von einem Berggipfel aus nachdenklich auf eine Dunst- und Wolkenverhangene Landschaft blickt, wirkt geradezu existentialistisch.
Birgit Verwiebe: "Mit Friedrichs Landschaftsmalerei beginnt im Grunde die Moderne: Das sind offene Räume, Meditationsräume, philosophisch reiche Räume, in denen man über die Welt nachdenken kann und über sich selbst, und seine Stellung in der Welt."
Zwischen den Bildern der Romantik hängen einige Arbeiten der Klassischen Moderne, etwa mit Wanderern von Kirchner, Nolde oder Courbet. Selbst einige Gemälde mit Bergsteigerinnen spürte die Kuratorin auf. Und doch wird die Ausstellung gerade hier der Vielschichtigkeit des Themas nicht wirklich gerecht.
Es fehlt die düstere Seite: Bilder von Wanderarbeitern und Obdachlosen etwa, die wandern mussten, um zu überleben. Oder ein Verweis auf die aktuellen Wander- und Fluchtbewegungen.
Lustvolles Wandern ist auch eine Klassenfrage
Streckenweise wirkt die Ausstellung wie eine beliebige Aneinanderreihung von Wanderer-Darstellungen. Das Kapitel "Spaziergang" etwa umfasst vor allem impressionistische Bildnisse eleganter Damen, die mit und ohne Hündchen durch Wiesen schreiten. Immerhin erkennt man nun: Lustvolles Wandern ist auch eine Klassenfrage - man muss es sich leisten können. Doch Birgit Verwiebe erhebt Einspruch:
"Nee, das sehe ich so nicht. Ich glaube, dass das Wandern eben gerade keine Klassenfrage ist. Ich glaube, Wandern ist etwas ganz Demokratisches. Ich glaube, alle Schichten können wandern. Damals wie heute. Man muss halt den Mut haben, das zu wollen."
Zur selben Zeit wie die Impressionisten malte Hans Balluschek diejenigen, denen selbst das Geld für eine sonntägliche Fahrt ins Grüne fehlt: Er zeigt Arbeiter, Arbeiterinnen und Arbeitslose, die sich hinter Berliner Mietskasernen auf Großstadtbrachen trafen. In vielen Ländern wird das heute nicht anders sein. Die Ausstellung zeigt das nicht.
"Nee, das sehe ich so nicht. Ich glaube, dass das Wandern eben gerade keine Klassenfrage ist. Ich glaube, Wandern ist etwas ganz Demokratisches. Ich glaube, alle Schichten können wandern. Damals wie heute. Man muss halt den Mut haben, das zu wollen."
Zur selben Zeit wie die Impressionisten malte Hans Balluschek diejenigen, denen selbst das Geld für eine sonntägliche Fahrt ins Grüne fehlt: Er zeigt Arbeiter, Arbeiterinnen und Arbeitslose, die sich hinter Berliner Mietskasernen auf Großstadtbrachen trafen. In vielen Ländern wird das heute nicht anders sein. Die Ausstellung zeigt das nicht.
Barlachs Wanderer stemmt sich gegen den Wind
Lediglich im letzten Kabinett blitzt auf, was man aus dem Thema auch hätte machen können: Dort steht die große Holzskulptur eines Wanderers von Ernst Barlach. Eingehüllt in einen Mantel, den Hut tief in die Stirn gedrückt, den Körper vorgebeugt, stemmt er sich gegen den Wind. Die Arbeit entstand 1934, als der Humanist Barlach von den Faschisten angefeindet und verfemt wurde. Nur einige mehr solcher ins Heute reichenden, kritischen Verweise hätten dem Projekt gut getan!