"DONKÔKÉNÉ ZWEI – A GERMAN SUBTITLE"
Ausstellung zum Artist–In–Residence–Programm im Operndorf Afrika, Burkina Faso
Bis zum 05. Mai 2019 in der Galerie "Wiensowski & Harbord" – Lützowstrasse 32, 10785 Berlin
Das Fremde begreifen
05:43 Minuten
Die Ausstellung "Donkôkéné Zwei – A German Subtitle" zeigt Werke von Künstlern, die als Stipendiaten mehrere Wochen in dem von Christoph Schlingensief gegründeten Operndorf in Burkina Faso verbracht haben. Dort haben sie erstaunliche Entdeckungen gemacht.
Vor neun Jahren wurde in Burkina Faso der Grundstein für Christoph Schlingensiefs Operndorf gelegt. Etwa 30 Kilometer entfernt von Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, sollte mitten auf einem bis dahin unbewohnten Stück Land ein Dorf errichtet werden - mehr Kulturzentrum und Begegnungsstätte als "Dorf" im klassischen Sinne.
Etwa 20 Gebäude stehen mittlerweile: zum Beispiel eine Schule, eine Kantine und ein kleines Krankenhaus. Einmal im Jahr lädt Aino Laberenz, die Witwe von Christoph Schlingensief und Geschäftsführerin des Operndorfs, Künstler aus Europa und Afrika ein, dort mehrere Wochen zu leben und zu arbeiten. Vergangenen Winter verbrachten sieben Kunststudenten der Berliner Universität der Künste und zwei Musiker aus Mali drei Monate im Operndorf. Die Ausstellung im Rahmen des Gallery Weekends in Berlin-Schöneberg dokumentiert, was sie dort gemacht haben.
Künstler erzählen vom Kulturschock
Was für ein Kontrast! Aus der warmen Berliner Frühlingsluft steigt man über ein paar wenige Treppenstufen unter die Erde in diesen kalt-feuchten Weltkriegs-Bunker, der viele Jahrzehnte vergessen war, durch einen Zufall entdeckt wurde und jetzt gelegentlich Ort für kleine Ausstellungen ist. Gleich im ersten Raum eine Filmarbeit der Brüder Ferdinand und Milan Dölberg.
In kurzen, ironisch kommentierten Szenen spielen die beiden Kunststudenten ihren Afrika-Kulturschock nach: unangeschnallte Fahrten auf der Ladefläche heruntergekommener Pick-ups, ein Esel in Freiheit aber mit zusammengebundenen Vorderbeinen – für die beiden Europäer eine absurde Situation.
Afrikanischer Alltag inspiert
Um sich den Film anzusehen, muss es sich der Betrachter auf mit Beton gefüllten Kissen bequem machen. Sich mit den eigenen Klischees auseinanderzusetzen sei eben nicht gemütlich, sagen die jungen Künstler. Genau wie die Dölberg-Brüder hatte auch Greta Wildhage vor ihrem Aufenthalt im Operndorf kaum Erfahrungen mit Afrika. Ihre Arbeit hängt im hinteren Teil des Bunkers. Halbrunde, bemalte Trinkschalen aus Kürbissen hat Wildhage an der Wand arrangiert:
"Ich arbeite sonst mit Malerei und Zeichnung. Ich habe vorher noch gar nicht mit Objekten gearbeitet. Ich habe dann diese Schalen gefunden und habe angefangen auf diesen Objekten zu zeichnen, sie einzufärben, mit Werkzeugen drauf zu arbeiten. Ich habe sie geflickt, denn manchmal gehen sie kaputt. Und zwar mit Werkzeugen, wie sie auch in Burkina Faso benutzt werden. Wenn diese Schalen kaputt gehen, werden sie nämlich nicht weggeworfen, sondern wieder verwendet."
Mit dem Vorwurf, da kämen nun weiße Europäer und brächten armen Afrikanern die Kunst, kann die Kunststudentin Greta Wildhage nichts anfangen:
"Wir wollten da nichts hinbringen. Darum ging es von Anfang an nicht. Es ist natürlich etwas entstanden und auch dort geblieben."
Ein Ort zum Austausch von Gedanken
Aino Laberenz, die Geschäftsführerin des Operndorfs, muss sich gelegentlich anhören, dieses Operndorf, das sie gemeinsam mit Christoph Schlingensief ins Leben gerufen hat, sei ein künstliches Konstrukt. Natürlich ist das Operndorf künstlich, sagt sie. Aber das sei nichts Negatives:
"Natürlich, alles, was wir machen, das sind Anlässe zu schaffen. Das kann ein Konzert sein, wo sich die Leute treffen. Bei uns geht es darum, dass man einander zuhört. Man spricht ehrlicher miteinander, wenn man auch die Grenzen begreift oder sich nicht versteht. Das ist, was das Operndorf für mich ist, als Gedanke, als Diskussion."
Erstaunliche Entdeckungen in Berlin
Mitgebracht nach Burkina Faso hatten die sieben Kunststudenten der Berliner Universität der Künste zwar ein paar Materialien wie Papier und Farbe, am Ende haben sie aber vor allem mit dem gearbeitet, was sie vor Ort fanden. Und dabei erstaunliche Entdeckungen gemacht. Wie Fabian Hub mit einer Papierarbeit:
"Bei der dachte ich eigentlich vor Ort, dass sie monochrom wäre. Als ich jetzt zurück gekommen bin habe ich im Berliner Licht gesehen, dass sie orange ist. Das konnte man dort gar nicht verifizieren, was man da gerade eigentlich arbeitet."
Ein nach Europa transformiertes Projekt
Einen Teil seiner Bilder hat Fabian Hub gemeinsam mit seinen Kommilitonen bereits im Operndorf ausgestellt. Zu dem zweitägigen Festival kamen nicht nur die Familien, deren Kinder im Operndorf zur Schule gehen, sondern auch viele Menschen aus der Nachbarkleinstadt. In Berlin hängen die Arbeiten nun zwar nicht in einem luftigen Pavillon wie in Burkina Faso. Auch wurden manche Papierarbeiten noch einmal neu zusammengesetzt und erweitert. Diese Transformation sei ein logischer und wichtiger Schritt, erklärt Fabian Hub:
"Wir hatten dort diesen großen Pavillon gebaut, und da haben wir jeder unsere Arbeiten gezeigt und Raffael und Zonathan haben dort ein Konzert gespielt, das Album, das sie dort aufgenommen haben. Und das soll hier auch passieren, um das ganze wieder sichtbar zu machen."
Eine Bar wie in Afrika
Die beiden Musiker aus Mali, die zeitgleich mit den Berliner Kunststudenten in Burkina Faso gewohnt und gearbeitet haben, sollen während der Ausstellung in Berlin das Album vorstellen, das sie im Operndorf geschrieben haben. Dafür wurde im hintersten Raum des Bunkers eine kleine Bar aufgebaut. Mit Neonröhren, Plastikstühlen und Postern an der Wand ahmt sie die Atmosphäre einer Bar aus Burkina Faso nach. Von den beiden Musikern hat jedoch nur Raphael Dembele ein Visum bekommen. Er tritt nun mit Berliner Musikern auf. So wird die Idee, das etwas Neues entsteht, wenn sich fremde Menschen begegnen, unfreiwillig ein weiteres Mal eingelöst.