Die Ausstellung "Ein weites Feld - Der Flughafen Tempelhof und seine Geschichte" ist Teil des Europäischen Kulturerbejahres und noch bis zum 30. Dezember 2018 im Flughafengebäude zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Reise durch 80 Jahre Zeitgeschichte
Eine Ausstellung zum Tempelhofer Feld in Berlin erzählt die Geschichte des Areals und zeigt seine wechselvolle Geschichte: Als Zwangsarbeiterlager im Zweiten Weltkrieg, als Tor zur Welt einer geteilten Stadt, heute als Naherholungsgebiet.
Die erste Fotografie der Ausstellung zeigt Menschen, so weit das Auge blickt. Das Flugfeld des Tempelhofer Flughafens ist angefüllt mit ihnen, sie jubeln den Nationalsozialisten zu, es ist der 1. Mai 1933, den die NSDAP als "Tag der Nationalen Arbeit" zu einer spektakulären Massenkundgebung machte. Das letzte Bild: Flüchtlingsunterkünfte. Bis Ende 2017 waren sie im Hangar des Flughafens untergebracht. Zwei Bilder des gleichen Ortes.
Dazwischen: Viele Momente, die in der kollektiven Erinnerung der Deutschen haften geblieben sind: Die Produktion der legendären "Stukas" für Goebbels' totalen Krieg. Im Minutentakt landende Rosinenbomber der Luftbrücke. Die Rolling Stones, wie sie 1965, kurz vor ihrem berüchtigten Berliner Konzert, bei dem ihre Fans die gesamte Waldbühne zertrümmern, winkend die Gangway herab steigen.
Kulturdenkmal mit wechselvoller Geschichte
Die Geschichte des Flughafens Tempelhof ist im wahrsten Sinne des Wortes ein weites Feld. Sie wird noch bis zum Ende des Jahres in der Ausstellung "Ein weites Feld" im Flughafengebäude gezeigt. Für Jutta Heim-Wenzler, Geschäftsführerin der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH, liegt darin der besondere Wert dieses Ortes: "Es ist ein Kulturdenkmal mit einer sehr wechselhaften Geschichte. Für mich ist es das Gebäude, das am deutlichsten die Geschichte der letzten 80 Jahre darstellt. Weil alle Geschichtsetappen finden Sie hier."
Natürlich hängt der gigantomanische Komplex - bis heute ist es eines der größten Gebäude der Welt - eng mit dem Größenwahn des Nationalsozialismus zusammen. In den 20er-Jahren unternahmen hier noch Flugpioniere und -Pionierinnen erste waghalsige Flugmanöver. Doch geschickt machten sich die Nazis die Faszination der Menschen für Flugzeuge für ihre Propaganda zunutze.
Aus dem Tempelhofer Flugfeld sollte nach dem Willen Adolf Hitlers der größte und schönste zivile Großflughafen der Welt werden, erklärt Kuratorin Nina Burkhardt: "Es war nicht nur dieses monumentale Flughafengebäude sondern das war Teil eines größeren Plans für die Umgestaltung Berlins als Reichshauptstadt und sollte dann eben nicht nur für den Flugverkehr dienen, sondern sollte auch eine große Bühne für Flugshows bieten, also auf dem Dach sollte eine riesige Tribüne für Tausende von Besuchern eingerichtet werden, um dort zum Beispiel militärische Luftfahrtvorführungen zu veranstalten."
Bis zu 80.000 Menschen sollten diese Tribünen fassen - fertig geworden sind sie nie, bis heute befinden sich die für die Massen ausgelegten Treppenhäuser im Rohbau. Zuvor diente das Gelände als Gestapo-Gefängnis, zwischen 1934 und 1936 - bis zum Baubeginn - war hier das erste Konzentrationslager eingerichtet, das KZ Columbia. Die Ausstellung zeigt Täter und Opfer: Unter den ersten Insassen war der Schlagertexter und bekennende Homosexuelle Bruno Balz, Autor von später in der Nazizeit populären Liedern wie "Davon geht die Welt nicht unter" oder: "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen, und dann werden tausend Märchen wahr."
Schauplatz für Flugzeugentführungen
Doch statt Märchen bedeutete der Flughafen während der NS-Zeit für viele Menschen vor allem: Alpträume. Nach Beginn des Krieges lebten Tausende von Zwangsarbeitern unter menschenunwürdigen Bedingungen auf dem Gelände. Auf dem Flughafen entstand eines der größten Montagewerke für Bomber weltweit. Nach dem Krieg errichteten die US-Streitkräfte hier einen Militärstützpunkt - später wurde Tempelhof für die Westberliner das Tor zur freien Welt, hier landeten wichtige Politiker, Schauspieler und Stars.
Aber es war auch der Ort, von dem aus DDR-Flüchtlinge in den Westen flogen. Und er war Schauplatz zahlreicher polnischer Flugzeugentführungen, mit denen die Kidnapper ihre Ausreise aus dem Ostblock in den Westen erzwingen wollten. Die Piloten mussten statt in Schönefeld in Tempelhof landen. Das geschah so häufig, dass die polnische Fluggesellschaft LOT von den Berlinern umgetauft wurde in "Landet ooch Tempelhof".
Mit der Ausstellung, leider nur eine Fotoausstellung, ist ein erster Schritt getan, um den Flughafen auch als Erinnerungsort zu erschließen. Das sei in Berlin kein Selbstläufer gewesen, klagt Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors. Denn seit der Flughafen vor zehn Jahren stillgelegt wurde, war die Stadt vor allem an schnellen Verwertungsmöglichkeiten für das riesige Gelände interessiert.
"Die Stadt wollte die Geschichte des Flughafens unterpflügen"
"'Tempelhofer Freiheit'" sollte das Gelände heißen. Wo der runde Tisch sozusagen immer den 'Flughafen Tempelhof' dagegen gesetzt hat und gesagt hat, der hat 'ne Geschichte, und das ist auch ein Markenzeichen am Ende, das man nicht einfach aufgeben sollte. Aber da war damals nicht viel Einsicht da. Dann sollte hier 'ne internationale Gartenausstellung entstehen, Bread and Butter, und vieles andere. Eigentlich wollte man die Geschichte unterpflügen."
Nun soll in den nächsten Jahren schrittweise erst die alte Haupthalle mit einem Besucherzentrum wiedereröffnet, der Tower saniert und die Dachtribünen und Treppenhäuser wiederhergerichtet werden. Im Hangar 7 soll bis 2024 mit Beteiligung des Bundes ein neues Alliertenmuseum entstehen. Kommerzielle Nutzung schließt das nicht aus - schon jetzt sind über 100 Mieter im Gebäude. Und angesichts des vielen Platzes werden neue Verwertungskonzepte nicht ausbleiben. Bleibt zu hoffen, dass der Flughafen Tempelhof am Ende als historischer Ort sichtbar bleibt.