Ausstellung zum Euward-Kunstpreis

Haus der Kunst zeigt besondere Kunst ganz normal

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Eine Lithografie von Felix Brenner, mit der Darstellung von Gefängnisfenstern und einem Selbstporträt.
Das Haus der Kunst München stellt die Preisträger des diesjährigen Euward aus: Felix Brenner, hier sein Werk O.T. (Untersuchungsgefängnis Lohnhof), gewann den zweiten Preis. © Felix Brenner
Von Tobias Krone |
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Erstmals stellt ein Museum die Preisträger des Euward-Kunstpreises für Menschen mit geistiger Behinderung aus - als ganz normale Ausstellung. Zu sehen gibt es ikonische Gesichter, abstrakte Landschaften und Erzählungen des Grauens.
Adolf Hitler greift nach der Macht greift – als eine Art Gralskönig mit rundem Gesicht und Kulleraugen. Martialisch schlachten Nazimonster im Harnisch Menschen ab, zerschmettern, entmannen sie.
Der Kölner Künstler Andreas Maus zeichnet diese Szenen mit Kugelschreiber in seine Zeichenhefte. "Er hat eine sehr direkte Bildsprache gewählt, die einem so gar nicht mehr aus dem Kopf, sie ist so ein bisschen comicartig", sagt Sabine Brantl über die Kunst von Maus. Sie hat die Ausstellung im Haus der Kunst München.
Andreas Maus ist Ende fünfzig und geistig beeinträchtigt. In den oft monochromen Zeichnungen thematisiert er die Euthanasie, aber auch die Vernichtung der Juden und übertitelt seine Bilder mit klaren Botschaften.

"Eine Erzählung des Schreckens"

"Es ist eine Position, eine Erzählung des Schreckens, eine Erzählung des Grauens, die Andreas Maus uns schildert. Er versucht damit auch, den Schrecken und die Gewalt zu bannen, mit dem Wissen darum, dass allen so genannten Minderheiten einer Gesellschaft so etwas widerfahren kann", sagt Monika Jagfeld, Direktorin des Museums für schweizerische naive Kunst St. Gallen.
Jagfeld ist ebenfalls Jury-Mitglied des Euward, des Kunstpreises für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen, den dieses Mal Andreas Maus erhält.
Eine illustrierte Doppelseite von Andreas Maus, auf der rechten Seite ist die Aufschrift "DDR-Aufstand Niderschlagen 1953" zu lesen.
Kunstwerk (ohne Titel) von Andreas Maus© Augustinum / Barbara Donaubauer
Wer jetzt denkt, sein Werk bestehe aus rührigen Zeichnungen eines Behinderten, der den NS verstanden hat, irrt gewaltig. Die Bilder sind so sicher und klar in ihrer Komposition und Dramatik, so erschütternd, und tragen zudem eine merkwürdige Ambivalenz in sich: Denn so explizit die Szenen sind, stets versieht sie Maus mit einem Muster aus winzigen Ringen, die den Bildern Ordnung und Ruhe geben.
Maus selbst erklärt in einem Film, er habe sich das Kringelzeichnen in einer Behindertenwerkstatt angewöhnt – um dort nicht aus Langeweile einzuschlafen.

Schlechte Repräsentation in Museen

Das Haus der Kunst nimmt nicht den Euward in den Titel der Ausstellung, sondern wie sonst auch die Namen der Künstler, sagt Kuratorin Sabine Brantl: "Wir wollten Euward und die Künstler des achten Euwards als gleichwertigen Teil unseres Ausstellungsprogramms zeigen."
Ein revolutionäres Zeichen, wenn man bedenkt, unter welcher Käseglocke die Kunst der sogenannten Outsider bisher gehalten worden ist. Zwar gebe es einen eigenen Kunstmarkt, die Repräsentation in Museen dagegen sei, "Durchwachsen bis schlecht", so Brantl.
Der Mythos des Unkonventionellen, Wilden wurde den Outsidern in den Siebzigern zugeschrieben. "Der Mythos von dem unschuldigen Künstler, der so gar nichts mit der Realität zu tun hat – was ja sehr stark mit Outsider Art verbunden wird – ich glaube ja, dass es diesen Mythos gar nicht gibt. Dass die Verbindungen zur Realität auf jeden Fall da sind", sagt Brantl weiter.

Auf einem LSD-Trip zur Kunst

Das merkt man auch beim zweiten Platz. Felix Brenner aus der Schweiz. Er trägt selbst bedruckte weiße Klamotten, wirres, weißes Haar, eine knollige Nase. Wie er vor 40 Jahren zur Kunst kam?
Auf einem LSD-Trip in einem besetzten Haus in Amsterdam, erzählt er: "Da habe ich eine Vision gehabt. Da stand eine Göttin vor mir. Und die hat gesagt: Was machst Du mit deinem Leben? Warum vergeudest du das? Das ist so schade, du ruinierst dich mit deinem Amphetamin. Und, ja, von dem Moment an habe ich begonnen, Straßentheater zu machen und zu malen."
Brenner malt sein ganzes Leben auf vier Meter große Gemälde, knallbunt, ikonische Gesichter von Mutter Theresa, Albert Einstein, von Brenners Therapeuten, Brenners Katzen – und Brenner selbst. Eine ganze Wand aus Lithografien mit poppig-ikonischen Selbstporträts findet sich in der Ausstellung.
"Felix Brenner schaut uns ja in der Ausstellung von allen Seiten an", sagt Brantl, "Egal wo wir hinblicken – wir sehen immer Felix Brenner".
Er schaut uns an mit seiner Widerständigkeit, seinem teils grimmigen Sarkasmus und seiner riesigen Lebenserfahrung – und es ist als prüfe er, wie ernst es die Betrachtenden mit ihrem eigenen Leben meinen.

Die Bilder sprechen für ihn

Ein schwieriger Künstler präsentiert sich da auf Augenhöhe. Ebenso wie Kar Hang Mui, Jahrgang 1989, dessen Eltern aus Hongkong in die Niederlande kamen. Als Autist kommuniziert der Künstler mit der Außenwelt fast ausschließlich über seine Bilder.
Es sind abstrakte Landschaften, findet Jury-Mitglied Monika Jagfeld: "Und wir haben vor allen Dingen bei seinem Farbstrich immer wieder den Eindruck, als sei es textiles, was er hier arbeitet. Also der Farbstrich erscheint wie gewebt."
Kar Hang Mui zeichnet mehrere Farbschichten übereinander, sodass sich komplexe Grüntöne, tiefe Schatten über die Bilder ziehen – durchbrochen von hellen Lichtumrissen ergibt das eine atemberaubende Tiefenwirkung.
Auf die Frage, warum gerade die drei Künstler im Haus der Kunst ausgestellt werden, sagt Brantl: "Weil sie Kunst schaffen, die uns aufregt, die uns anregt und die uns neue Geschichten erzählt. Kunst, die wir entdecken sollen."

Die Ausstellung "Felix Brenner, Andreas Maus, Kar Hang Mui. euward8" im Haus der Kunst München mit Werken der drei Preisträger und der übrigen nominierten Künstlerinnen und Künstler ist, sofern die Corona-Bestimmungen dies erlauben, bis zum 27. Juni im Haus der Kunst in München zu sehen. Die Ausstellung kann auch digital besucht werden.

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