In der Türkei "droht kreativer Stillstand"
Dass die Türkei wegen eines Armenien-Projekts der Dresdner Sinfoniker das EU-Förderprogramm "Kreatives Europa" verlassen hat, habe die dortige Kulturszene geschockt, berichtet die Journalistin Luise Sammann aus Istanbul. Gravierender als der finanzielle Verlust sei das Kappen des Austauschs mit Europa.
Die türkische Kulturszene sei vom Ausstieg der Türkei aus dem EU-Förderprogramm "Kreatives Europa" geschockt, berichtet die Journalistin Luise Sammann aus Istanbul.
Laut Medien hat das Land das Programm einseitig aufgekündigt, da damit auch das umstrittene Konzertprojekt "Aghet" der Dresdner Sinfoniker unterstützt werde, in dem es um den Völkermord in Armenien gehe. Ankara wehrt sich gegen die Einstufung der Massaker als Völkermord. Das Kulturprogramm "Kreatives Europa" hatte die Türkei 2014 unterzeichnet. Es fördert Künstler mit 1,46 Milliarden Euro über insgesamt sieben Jahre.
Der Ausstieg der Türkei aus dem Programm "bedeutet einen finanziellen Schock für viele Organisatoren, für viele Bühnen, für Galerien, für Museen, die mit diesen Geldern fest geplant hatten und die im Rahmen dieses Kulturprogramms feste Veranstaltungen geplant hatten", so Sammann. So habe das renommierte Kulturzentrum Salt in Istanbul ein Austauschprojekt mit fünf europäischen Museen geplant, auf deren Archive sie in den kommenden Jahren Zugriff haben sollten. "Das war ein großes, ein wichtiges Projekt für dieses Kulturzentrum und das zum Beispiel steht jetzt auf dem Spiel." Diese Förderungen werden an vielen Ecken und Enden fehlen.
Versuch, die türkische Kulturszene zu isolieren?
Noch gravierender als der finanzielle sei aber der ideelle Verlust, dass der Austausch mit europäischen Künstlern gekappt werde.
"Es gibt viele kritische Kulturschaffende hier, die sagen, das ist nur vorgeschoben. Und dass es sein könnte, dass die türkische Regierung ohnehin längst aus Programm aussteigen wollte, und das jetzt als günstige Gelegenheit wahrgenommen habe."
Als tiefere Gründe würden vor Ort immer wieder angeführt, dass der Austausch mit europäischen Künstlern gestoppt werden solle, "dass man versucht, die türkische Kulturszene zunehmend zu isolieren."
Den Ruf als Newcomer unter den Kunstmetropolen, den Istanbul in den vergangenen Jahren hatte, habe die Stadt bereits jetzt verloren, meint Sammann. Auch im Zusammenhang mit dem Putsch im Juli kämen immer weniger ausländische Kulturschaffende und Touristen.
"All das führt dazu, dass ein kreativer Stillstand zu herrschen droht."