Ausstieg Griechenlands aus dem Euro "ökonomisch absolut unvernünftig"
Der Europa-Politiker der Grünen Sven Giegold hat vor einem Ausstieg Griechenlands aus der europäischen Währung gewarnt. Das wäre eine "Harakiri-Aktion", sagte er.
Ute Welty: Nur ganz vorsichtig deutet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an, dass vielleicht dann doch Handlungsbedarf besteht im Rahmen der Griechenlandrettung.
O-Ton Wolfgang Schäuble: "Also es ist ja so: Als wir den Kredit vereinbart haben vor gut einem Jahr, ist ja gesagt worden, er wird vierteljährlich ausbezahlt. Und er wird ausbezahlt, wenn immer die drei Institutionen – Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und Kommission – bestätigen, dass die Verwirklichung des Programms programmgemäß stattgefunden hat. Das war zuletzt im März der Fall, da haben die drei Institutionen das bescheinigt. Das nächste Mal steht im Juni an, und angesichts vieler Meldungen habe ich ja schon gesagt, das werden wir uns im Juni sehr genau anschauen müssen, ob es auch stimmt."
Welty: So Schäuble in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", und im ZDF, da meldete er sich dann fast gleichlautend auch noch zu Wort. Deutet sich da ein Kurswechsel an? Genau das kann ich jetzt mit dem Wirtschaftsexperten der Grünen im Europaparlament besprechen, guten Morgen, Sven Giegold!
Sven Giegold: Ja guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Wie interpretieren Sie diese Worte des Finanzministers?
Giegold: Das interpretiere ich so, dass er in der Lage ist, die Zahlen aus Griechenland zu lesen. Es läuft in dem Land deutlich schlechter als eigentlich geplant. Die Verschuldung Ende nächsten Jahres wird wohl eher bei 166 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, und nicht bei 149, wie es geplant war.
Welty: Macht das wirklich noch einen Unterschied?
Giegold: Das macht natürlich einen Unterschied, weil die große Frage ist, kommt das Land wieder auf einen nachhaltigen Pfad, und zwar ohne Umschuldung. Und das war ja der ursprüngliche Plan, und inzwischen gibt es eigentlich weitgehende Einigkeit, sowohl von den Finanzmärkten bis hin zu den meisten Experten, dass an einer Umschuldung kein Weg vorbeiführt. Das hat Herr Schäuble auch angedeutet, ist dafür viel gescholten worden, und ich denke, man muss der Sache jetzt ins Auge sehen. Und das sind wir auch, sag ich mal, der wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland schuldig.
Welty: Was ja auf jeden Fall neu ist im Vergleich zur vergangenen Woche, das ist die Öffentlichkeitsoffensive des Finanzministers. Letzte Woche dagegen kochte die Gerüchteküche in Brüssel, da ging es um Geheimtreffen und um Geheimpläne, die aus dem Finanzministerium Journalisten zugespielt wurden. Kann man dieser Öffentlichkeitsoffensive jetzt trauen?
Giegold: Also das liegt natürlich daran, dass es jetzt auch zu der Debatte im Bundestag kam, und dann musste Herr Schäuble sich einer Öffentlichkeit erklären. Ich würde mir wünschen, wenn Frau Merkel auch endlich mal etwas dazu sagen würde. Man hat das Gefühl, dort herrscht weiter Wegducken. Und man muss jetzt die Wahrheit auf den Tisch legen, sagen, dass jede Lösung, die es noch gibt, ist teuer. Das gilt auch für die Umschuldung.
Welty: Was würde denn – oder nein anders gefragt: Was würden Sie denn von der Bundeskanzlerin erwarten an Aussagen und auch an Zahlen, die sie auf den Tisch legen müsste?
Giegold: Vor allem haben wir ja eigentlich folgende Situation: Deutschland hat die ganzen letzten Jahre während der Krise immer in Europa gebremst. Deshalb sind auch alle anderen Partner sauer, es ist unheimlich viel Porzellan zerschlagen worden, weil die Maßnahmen, die auf europäischer Ebene gemacht wurden, gerade das Minimum waren, was man tun musste, um zu vermeiden, dass es zum Kollaps kommt.
Das war erst beim Bankensystem so, es ist jetzt bei der Eurokrise so. Das liegt daran, dass in der CDU-Fraktion und in der FDP-Fraktion so viele Skeptiker sind, und dadurch haben wir jetzt Strafzinsen für Griechenland, die das Land überhaupt nicht zahlen kann, und wir haben die strikte Weigerung in Deutschland, die Nachfrage zu erhöhen, und haben damit den Griechen mit ihrem schmerzhaften Programm das Leben zusätzlich schwer gemacht.
Welty: Aber glauben Sie im Ernst, dass die Skeptiker sich im Bundestag durchsetzen werden? Denn die Debatte über Portugal vergangene Woche, die hat ja eigentlich genau das Gegenteil bewiesen, da zeichnet sich ja eine Mehrheit für das nächste Hilfspaket ab.
Giegold: Das stimmt, die werden sich schon deshalb nicht durchsetzen, weil wir als Grüne im Bundestag zustimmen werden. Und außerdem, wie die SPD sich verhalten wird, werden wir sehen, aber wir werden nicht mit Europa Roulette spielen, und in diese Situation ist es notwendig, dann in den Zusammenhalt des Euros zu investieren. Aber die Auflagen müssen geändert werden. Das heißt, so, wie das Paket bisher war, kann es nicht funktionieren. Wir brauchen Umschuldung. Wir brauchen niedrigere Zinsen. Und wir brauchen endlich eine effektive Steuerpolitik auf europäischer Ebene.
Welty: Griechenland raus aus dem Euro, ist das für Sie eine Alternative?
Giegold: Das halte ich für eine echte Harakiri-Aktion. Was würde denn passieren? Wenn Griechenland aus dem Euro aussteigt, wäre sofort das griechische Bankensystem Konkurs, weil ja sämtliche Schulden – und zwar nicht nur des Staates, sondern auch die privaten Schulden – in Zukunft viel mehr nach außen sozusagen Wirtschaftsleistung benötigen, um bedient zu werden.
Dann würden 25 Prozent des Bankensystems im Balkan – dort haben die griechischen Banken sehr viele Marktanteile –, würde sofort zusammenbrechen. Und was noch viel schlimmer ist: Die Spekulanten würden sich dann auf die nächsten Länder stürzen und dort höhere Zinsen verlangen und wir kämen in eine Abwärtsspirale. Das heißt, der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro mag zwar für Buchautoren attraktiv sein, ist aber ökonomisch absolut unvernünftig.
Welty: Die vernünftigere Alternative Ihrer Meinung nach, wenn ich Sie recht verstehe, bedeutet halt die Umschuldung. Das heißt aber auf gut Deutsch, wir schenken den Griechen das Geld. Wie teuer wird das?
Giegold: Also, es gibt keine exakten Zahlen, das hängt auch von der Tiefe der Umschuldung ab. Sicherlich sollte man zuerst mal die Elemente nehmen, die sanfter sind, also deutliche Zinsen runter und die Laufzeiten der entsprechenden Kredite verlängern. Das wird aber in dem Fall nicht reichen. Ich kenne Schätzungen, die grob überschlagen, dass das etwa 40 Milliarden Euro kostet auf deutscher Seite.
Nur muss man bedenken, die jetzige Lage ist ja auch nicht besser: Wenn Griechenland gezwungen wird, praktisch seine Schulden nicht mehr zu bedienen, dann haben wir eben ebenso diese Verluste. Es gibt keine – deshalb sagte ich am Anfang, die Wahrheit muss auf den Tisch –, es gibt keine günstige Lösung mehr. Und eine Lösung, die zwar maximal radikal aussieht wie der Euroausstieg, aber nicht funktioniert und noch viel teurer wird, das kann man wirklich niemandem empfehlen.
Welty: Teuer wird es also auf jeden Fall. Wie wird sich das auf die deutsche Steuerpolitik auswirken in Zeiten, in denen mal wieder über Steuersenkungen spekuliert wird?
Giegold: Ja, das habe ich auch gelesen, dass der FDP-Parteitag beschlossen hat, dass sie noch diese Legislaturperiode die Steuern senken wollen …
Welty: … na ja, das Thema hat sich bewährt!
Giegold: Im Moment hat es sich für die FDP nicht bewährt, und ich kann nur sagen, angesichts dieser europäischen Risiken, die wir hier haben, kann ich nur davon abraten, in Deutschland wieder eine neue Steuersenkungsrunde, die ja dann eine Steuersenkung auf Pump wäre, anzufangen.
Aber was mich noch viel mehr ärgert, ist etwas anderes: Griechenland würde es sehr helfen, und auch uns, wenn wir endlich auf europäischer Ebene wieder Kapitaleinkommen besteuern könnten. Aber was macht die Bundesregierung? Sie behindert auf europäischer Ebene an mehreren Ecken den gemeinsamen Kampf gegen Steuerflucht und Steuerbetrug und grenzenlosen Steuerwettbewerb. Mit der Schweiz wird derzeit ein Sonderabkommen geschlossen, was offen gegen die Abkommen der Europäischen Union mit der Schweiz läuft, und zwar dahingehend, dass Steuerflüchtlinge dort in Zukunft einen Niedrigsteuersatz bezahlen.
Und das Prinzip, dass wir die Informationen erhalten systematisch, was wir unter den europäischen Ländern ausgehandelt haben, würde damit hintertrieben, weil diese Pauschalbesteuerung, die eingeführt werden soll, die soll nämlich anonym erfolgen.
Und das Zweite ist: Bei Unternehmenssteuern, haben wir genau das Gleiche: Da hat Europa einen vernünftigen Vorschlag gemacht, nämlich Grenzen einzuziehen gegen die Verlagerung von Steuerbasen in andere europäische Mitgliedsländer, die sogenannte gemeinsame steuerliche [gemeint: konsolidierte; Anm. der Red.] Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage, und da hat Herr Schäuble schon mal erklärt, er ist dagegen. Und das hilft weder Griechenland, das hilft auch uns nicht.
Welty: Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold in Deutschlandradio Kultur, ich danke für Ihre Einschätzungen!
Giegold: Ich danke Ihnen, Frau Welty!
O-Ton Wolfgang Schäuble: "Also es ist ja so: Als wir den Kredit vereinbart haben vor gut einem Jahr, ist ja gesagt worden, er wird vierteljährlich ausbezahlt. Und er wird ausbezahlt, wenn immer die drei Institutionen – Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und Kommission – bestätigen, dass die Verwirklichung des Programms programmgemäß stattgefunden hat. Das war zuletzt im März der Fall, da haben die drei Institutionen das bescheinigt. Das nächste Mal steht im Juni an, und angesichts vieler Meldungen habe ich ja schon gesagt, das werden wir uns im Juni sehr genau anschauen müssen, ob es auch stimmt."
Welty: So Schäuble in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", und im ZDF, da meldete er sich dann fast gleichlautend auch noch zu Wort. Deutet sich da ein Kurswechsel an? Genau das kann ich jetzt mit dem Wirtschaftsexperten der Grünen im Europaparlament besprechen, guten Morgen, Sven Giegold!
Sven Giegold: Ja guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Wie interpretieren Sie diese Worte des Finanzministers?
Giegold: Das interpretiere ich so, dass er in der Lage ist, die Zahlen aus Griechenland zu lesen. Es läuft in dem Land deutlich schlechter als eigentlich geplant. Die Verschuldung Ende nächsten Jahres wird wohl eher bei 166 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, und nicht bei 149, wie es geplant war.
Welty: Macht das wirklich noch einen Unterschied?
Giegold: Das macht natürlich einen Unterschied, weil die große Frage ist, kommt das Land wieder auf einen nachhaltigen Pfad, und zwar ohne Umschuldung. Und das war ja der ursprüngliche Plan, und inzwischen gibt es eigentlich weitgehende Einigkeit, sowohl von den Finanzmärkten bis hin zu den meisten Experten, dass an einer Umschuldung kein Weg vorbeiführt. Das hat Herr Schäuble auch angedeutet, ist dafür viel gescholten worden, und ich denke, man muss der Sache jetzt ins Auge sehen. Und das sind wir auch, sag ich mal, der wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland schuldig.
Welty: Was ja auf jeden Fall neu ist im Vergleich zur vergangenen Woche, das ist die Öffentlichkeitsoffensive des Finanzministers. Letzte Woche dagegen kochte die Gerüchteküche in Brüssel, da ging es um Geheimtreffen und um Geheimpläne, die aus dem Finanzministerium Journalisten zugespielt wurden. Kann man dieser Öffentlichkeitsoffensive jetzt trauen?
Giegold: Also das liegt natürlich daran, dass es jetzt auch zu der Debatte im Bundestag kam, und dann musste Herr Schäuble sich einer Öffentlichkeit erklären. Ich würde mir wünschen, wenn Frau Merkel auch endlich mal etwas dazu sagen würde. Man hat das Gefühl, dort herrscht weiter Wegducken. Und man muss jetzt die Wahrheit auf den Tisch legen, sagen, dass jede Lösung, die es noch gibt, ist teuer. Das gilt auch für die Umschuldung.
Welty: Was würde denn – oder nein anders gefragt: Was würden Sie denn von der Bundeskanzlerin erwarten an Aussagen und auch an Zahlen, die sie auf den Tisch legen müsste?
Giegold: Vor allem haben wir ja eigentlich folgende Situation: Deutschland hat die ganzen letzten Jahre während der Krise immer in Europa gebremst. Deshalb sind auch alle anderen Partner sauer, es ist unheimlich viel Porzellan zerschlagen worden, weil die Maßnahmen, die auf europäischer Ebene gemacht wurden, gerade das Minimum waren, was man tun musste, um zu vermeiden, dass es zum Kollaps kommt.
Das war erst beim Bankensystem so, es ist jetzt bei der Eurokrise so. Das liegt daran, dass in der CDU-Fraktion und in der FDP-Fraktion so viele Skeptiker sind, und dadurch haben wir jetzt Strafzinsen für Griechenland, die das Land überhaupt nicht zahlen kann, und wir haben die strikte Weigerung in Deutschland, die Nachfrage zu erhöhen, und haben damit den Griechen mit ihrem schmerzhaften Programm das Leben zusätzlich schwer gemacht.
Welty: Aber glauben Sie im Ernst, dass die Skeptiker sich im Bundestag durchsetzen werden? Denn die Debatte über Portugal vergangene Woche, die hat ja eigentlich genau das Gegenteil bewiesen, da zeichnet sich ja eine Mehrheit für das nächste Hilfspaket ab.
Giegold: Das stimmt, die werden sich schon deshalb nicht durchsetzen, weil wir als Grüne im Bundestag zustimmen werden. Und außerdem, wie die SPD sich verhalten wird, werden wir sehen, aber wir werden nicht mit Europa Roulette spielen, und in diese Situation ist es notwendig, dann in den Zusammenhalt des Euros zu investieren. Aber die Auflagen müssen geändert werden. Das heißt, so, wie das Paket bisher war, kann es nicht funktionieren. Wir brauchen Umschuldung. Wir brauchen niedrigere Zinsen. Und wir brauchen endlich eine effektive Steuerpolitik auf europäischer Ebene.
Welty: Griechenland raus aus dem Euro, ist das für Sie eine Alternative?
Giegold: Das halte ich für eine echte Harakiri-Aktion. Was würde denn passieren? Wenn Griechenland aus dem Euro aussteigt, wäre sofort das griechische Bankensystem Konkurs, weil ja sämtliche Schulden – und zwar nicht nur des Staates, sondern auch die privaten Schulden – in Zukunft viel mehr nach außen sozusagen Wirtschaftsleistung benötigen, um bedient zu werden.
Dann würden 25 Prozent des Bankensystems im Balkan – dort haben die griechischen Banken sehr viele Marktanteile –, würde sofort zusammenbrechen. Und was noch viel schlimmer ist: Die Spekulanten würden sich dann auf die nächsten Länder stürzen und dort höhere Zinsen verlangen und wir kämen in eine Abwärtsspirale. Das heißt, der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro mag zwar für Buchautoren attraktiv sein, ist aber ökonomisch absolut unvernünftig.
Welty: Die vernünftigere Alternative Ihrer Meinung nach, wenn ich Sie recht verstehe, bedeutet halt die Umschuldung. Das heißt aber auf gut Deutsch, wir schenken den Griechen das Geld. Wie teuer wird das?
Giegold: Also, es gibt keine exakten Zahlen, das hängt auch von der Tiefe der Umschuldung ab. Sicherlich sollte man zuerst mal die Elemente nehmen, die sanfter sind, also deutliche Zinsen runter und die Laufzeiten der entsprechenden Kredite verlängern. Das wird aber in dem Fall nicht reichen. Ich kenne Schätzungen, die grob überschlagen, dass das etwa 40 Milliarden Euro kostet auf deutscher Seite.
Nur muss man bedenken, die jetzige Lage ist ja auch nicht besser: Wenn Griechenland gezwungen wird, praktisch seine Schulden nicht mehr zu bedienen, dann haben wir eben ebenso diese Verluste. Es gibt keine – deshalb sagte ich am Anfang, die Wahrheit muss auf den Tisch –, es gibt keine günstige Lösung mehr. Und eine Lösung, die zwar maximal radikal aussieht wie der Euroausstieg, aber nicht funktioniert und noch viel teurer wird, das kann man wirklich niemandem empfehlen.
Welty: Teuer wird es also auf jeden Fall. Wie wird sich das auf die deutsche Steuerpolitik auswirken in Zeiten, in denen mal wieder über Steuersenkungen spekuliert wird?
Giegold: Ja, das habe ich auch gelesen, dass der FDP-Parteitag beschlossen hat, dass sie noch diese Legislaturperiode die Steuern senken wollen …
Welty: … na ja, das Thema hat sich bewährt!
Giegold: Im Moment hat es sich für die FDP nicht bewährt, und ich kann nur sagen, angesichts dieser europäischen Risiken, die wir hier haben, kann ich nur davon abraten, in Deutschland wieder eine neue Steuersenkungsrunde, die ja dann eine Steuersenkung auf Pump wäre, anzufangen.
Aber was mich noch viel mehr ärgert, ist etwas anderes: Griechenland würde es sehr helfen, und auch uns, wenn wir endlich auf europäischer Ebene wieder Kapitaleinkommen besteuern könnten. Aber was macht die Bundesregierung? Sie behindert auf europäischer Ebene an mehreren Ecken den gemeinsamen Kampf gegen Steuerflucht und Steuerbetrug und grenzenlosen Steuerwettbewerb. Mit der Schweiz wird derzeit ein Sonderabkommen geschlossen, was offen gegen die Abkommen der Europäischen Union mit der Schweiz läuft, und zwar dahingehend, dass Steuerflüchtlinge dort in Zukunft einen Niedrigsteuersatz bezahlen.
Und das Prinzip, dass wir die Informationen erhalten systematisch, was wir unter den europäischen Ländern ausgehandelt haben, würde damit hintertrieben, weil diese Pauschalbesteuerung, die eingeführt werden soll, die soll nämlich anonym erfolgen.
Und das Zweite ist: Bei Unternehmenssteuern, haben wir genau das Gleiche: Da hat Europa einen vernünftigen Vorschlag gemacht, nämlich Grenzen einzuziehen gegen die Verlagerung von Steuerbasen in andere europäische Mitgliedsländer, die sogenannte gemeinsame steuerliche [gemeint: konsolidierte; Anm. der Red.] Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage, und da hat Herr Schäuble schon mal erklärt, er ist dagegen. Und das hilft weder Griechenland, das hilft auch uns nicht.
Welty: Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold in Deutschlandradio Kultur, ich danke für Ihre Einschätzungen!
Giegold: Ich danke Ihnen, Frau Welty!