Ureinwohner im Minengeschäft
Im Norden des australischen Bundesstaates Queensland beschäftigt Rohstoffgigant Rio Tinto immer mehr Aborigines in seiner riesigen Bauxit-Mine. Für die Ureinwohner ist die Arbeit in den Minen Chance und Fluch gleichermaßen.
Wie riesige Insekten rollen die Bauxit-Laster, die Haul-Trucks wie sie hier in Weipa im äußersten Norden Queenslands heißen, die eigens für sie planierten breiten Straßen entlang. Bremsen können sie schlecht, man sollte ihnen nicht in den Weg kommen.
Rollen bedeutet, dass diese mit 195 Tonnen Bauxit beladenen Ungetüme mit Geschwindigkeiten zwischen 40 und 60 Stundenkilometern voranstürmen. Julia Nelson ist Schichtleiterin bei Rio Tinto, dem Unternehmen, das hinter diesem gigantischen Bauxit-Abbau steckt:
"Es sind Bauxit-Kipper mit den Öffnungsklappen am Boden, sie fahren auf eine Brücke und entladen dann in Waggons eines Zuges. Jeder Haul-Truck, jede Zugmaschine kann 195 Tonnen Bauxit laden, das gibt dann ein Gesamtgewicht von 330 Tonnen, das ist eine Menge Gewicht."
Bauxit wird im Tagebau gefördert, die obere Schicht des Eukalypthus-Waldes wird abgetragen, dann die rote Erde mit den Bauxit-Kügelchen weggeschaufelt. Das alles, damit in aller Welt beispielsweise kühle Getränke aus leichten Alu-Dosen genossen werden können, Bauxit ist der Grundstoff für Aluminium.
Rio Tinto, zweitgrößter Minenkonzern der Welt, agiert im Spannungsfeld zwischen Kritik von Umweltschützern sowie Vorwürfen der indigenen Bevölkerung, der Aborigines, deren heiliges Land die Bulldozer Rio Tintos, einem der größten Steuerzahler Australiens durchwühlen.
Julia Nelson: "Bevor es los geht wird das Land freigemacht, die Bäume werden abgeholzt und verbrannt, der Erdboden über dem Bauxit abgetragen und gelagert, dann liegt das Bauxit frei."
Die Bauxit-Schicht, der Aluminium-Rohstoff wird vom Land der Aborigines, der Ureinwohner Australiens abgetragen. Es ist nicht nur ihr Land, es ist auch häufig heiliges Land, mit Bäumen etwa, die verehrt werden und jahrhundertealten Gebetsstätten.
Die Aborgines bekommen Geld für die Nutzung des Landes, dieses wird nach Benutzung, wenn das Bauxit abgetragen ist nach den Wünschen der Ureinwohner wiederaufgeforstet, heilige Waldstücke werden unberührt gelassen - und die Bauxit-Mine bietet Arbeitsplätze für die meist völlig verarmten Aborgines. Raymond Ahmat ist einer von denen, die frühzeitig die Chance, mit dem Bauxit Geld zu verdienen, angenommen haben:
"Ich habe als normaler Schichtarbeiter angefangen, ab 1999, ich habe alle Arbeiten kennengelernt, dann hatte ich das Glück, Gruppenleiter werden zu können, nun leite ich die Abteilung, die neue Minenareale vorbereitet."
Greife nicht nach den Sternen, Junge, hatte ihm sein Vater geraten, seit als Lkw-Fahrer zufrieden. Ray hörte nicht auf diesen Rat und ist so etwas wie der Vorzeige Aborigine bei Rio Tinto. Er hat sich hoch qualifiziert und leitet nun ein großes Team, das die jeweiligen Minenprojekte vorbereitet:
"Ja, meine Mutter unterstützt mich, macht auch Druck, damit ich weiterkomme"
"Ich sehe mich nicht notwendigerweise als Vorbild, aber ich rede viel mit anderen Aborigines, gerade wenn sie neu dabei sind. Ich erzähle ihnen meine Geschichte. Ich erkläre ihnen, dass es eine große Gelegenheit ist, aber das es auch harte Arbeit bedeutet."
Ray, eben doch das Vorbild für die junge Aborigine-Generation, die Bildung braucht und Bildung will. Nur so ist dem Armutskreislauf zu entkommen. Plötzlich ist das oft kritisierte Minenunternehmen Rio Tinto in der Rolle des fürsorglichen Helfers.
In kleinen Gruppen werden Jugendliche auf eine höhere Schullaufbahn vorbereitet. Der 17-jährige Aidan Woodley will Minenarbeiter werden, gerne aber auf höherem Level, nach einem Studium:
"Ja, meine Mutter unterstützt mich, macht auch Druck, damit ich weiterkomme."
Und die 15-jährige Gallena Wymara ist selbstbewusst, neu für eine Aborgine:
"Ja, ich glaube an mich, ich kann es weit bringen und werde jede Gelegenheit nutzen."
Rio Tintos General Manager Garreth Manderson in Weipa gefällt es, sein Unternehmen in der Rolle des sozial verantwortlichen Entwicklungsmotors der Region zu sehen. Der Imagegewinn ist einkalkuliert:
"Ich schätze, es ist gut, zu sagen, wenn etwas gut läuft. Am Ende sind wir ein Minenunternehmen und müssen unseren Job gut machen. Aber die Abmachungen mit den Aborigines werden natürlich wahrgenommen, sie sind ein wichtiger Bestandteil von Rio Tinto."
Aber Rio Tinto braucht die Aborigines auch, braucht sowohl ihre Zustimmung zum Umgraben als auch ihre Arbeitskraft im nahezu menschenleeren Cape York an der Nordspitze Queenslands:
"Das ist wirklich grundlegend, und es läuft sehr gut, gerade wenn man auf die 50 Jahre davor schaut, wir haben einen gemeinsamen Weg gefunden und unsere Erfahrungen zusammengetan. Das ist gut für die Menschen hier und gut für das Unternehmen."
Die Ureinwohner profitieren inzwischen vom Minenboom, alle Aborigine-Gemeinden in der Nähe der Bauxit-Mine bemühen sich um Verträge, die Wohlstand versprechen.
Aborigines, die weiter von der Mine entfernt leben, haben Zweifel. Mit der Distanz wächst die Skepsis. Desmond Tayley ist Elder, einer der Ältesten der Laura Community, einer, auf den man hört. Er macht sich Sorgen um die Kulturschätze der Ureinwohner, die verschwinden könnten:
"Die größten Sorgen machen wir uns um die Rock Art Gallery, bis zu 30.000 Jahre alte Felsenzeichnungen in unserer Laura-Community, die etwas ganz Besonderes sind. Die sind durch die Minen gefährdet."
Aber Desmond geht noch weiter. Er, und da ist er nahezu er Einzige, stellt in Frage, dass man immer mehr Bauxit für noch mehr Aluminium braucht. Recycelt mehr, dann muss hier weniger gegraben werden, sagt der Mittvierziger:
"Jedesmal wenn sie eine Alu-Büchse mit Limonade trinken, denken sie bitte an unsere Gegend, an Cape York und an die Zerstörungen, die das Minengeschäft hinterlässt."