"Jeder soll Wanda hören"
Stefan Redelsteiner ist Labelbetreiber, Buchverleger und Musikfan. Als solcher entdeckte er "Wanda", die Band der Stunde und Aushängeschild des Austropop 2.0. Doch der Erfolg seines Labels Problembär Records sei eher dem Zufall geschuldet, sagt Redelsteiner.
"Erst hab' ich versucht, selber in Bands zu spielen und Lieder zu schreiben. Hat überhaupt nicht funktioniert. War ich nicht so talentiert darin. Dann bin ich als Musik-Journalist angetreten und gescheitert. Also ich bin ständig gescheitert, bevor ich aufgehört habe zu scheitern."
Was Stefan Redelsteiner hier als "Scheitern" abtut, ist natürlich pures Understatement und letztendlich nix anderes als jugendliches "sich ausprobieren". Dazu zählt auch die Gründung des eigenen Labels Problembär Records mit Anfang 20.
Problem: Es gab nix zu veröffentlichen – die Band, derentwegen Redelsteiner das Label überhaupt gegründet und in der er selber mal eine Woche Bass gespielt hatte, gab es nicht mehr. Zum Glück, muss man im Nachhinein sagen: Denn somit wurde Problembär nicht zum Inbegriff für nischenverdächtigen Experimental-Postrock, sondern hierfür:
"Du Arsch hast mir die Freundin ausgespannt ..."
Eine Mischung aus Bob Dylan und Wiener-Lied: Der Nino aus Wien. Er war schlicht und ergreifend der erste, der sich beim bis dato künstlerlosen Label Problembär Records beworben hatte.
"Daraus ist dann die Identität des Labels, diese Austropop-Nummer, der rote Faden geworden: Weil wenn einer kommt und der gleich am Anfang mit seiner speziellen Art von Musik einen gewissen Erfolg hat, dann zieht das natürlich ähnliche Bands an beziehungsweise man selber orientiert sich dann in diese Richtung. Durch eine Verkettung von Zufällen ist es in die Richtung gegangen, in die es geht."
Konzert der wichtigsten Band seiner Karriere verpasst
Durch eine Verkettung von Trinkunfällen wiederum hatte Redelsteiner 2013 ein Konzert der wichtigsten Band seiner Karriere verpasst. Eine Band namens Wanda. "Stefan, die musst Du anschauen! Die wären was für Dein Label. Geh da gefälligst hin", hatte eine Freundin ihn angestachelt.
"Und das Coole von der Laura war, dass sie dann einfach hartnäckig geblieben ist und dann zwei Wochen später mich erinnert hat auf Facebook. 'Was ist jetzt mit der Band?!' 'Hä, wovon redest Du? Wer bist Du?' Und dafür muss ich ihr ewig dankbar sein. Und dafür muss Wanda ihr auch ewig dankbar sein."
Wanda landen bei Problembär Records und schließlich in den Charts, in ausverkauften Konzert-Hallen und auf europäischen Festivalbühnen mit ihrer Version von Austropop. Größenwahn und der ganze Rock'n'Roll-Zirkus.
Auch ein Jahr nach dem ganz großen Wanda-Hype funktioniert das vor allem live immer noch hervorragend, was den Wienern auch 2016 zahlreiche Auftritte bei großen Festivals in Deutschland, Österreich und der Schweiz beschert.
"Wenn jemand fragt, wofür Du stehst, sag für Amore."
"Grad die Zeile – Wenn jemand fragt, wofür Du stehst, sag für Amore, das hat eine John-Lennon-Give-Peace-a-Chance-artige Qualität in Wahrheit. Das ist eine Botschaft. Das sind die Lieder, die in ein kollektives Bewusstsein eindringen können, wo das Gefühl die Dämlichkeit überwindet und transzendiert. Wir sind für alle da. Wanda ist eigentlich eine populistische Band. Soll keine Underground-Band sein. Jeder soll Wanda hören."
Musikfan bleiben
Und jeder will Wanda hören. Deshalb gibt Redelsteiner Anfang 2015 Problembär Records ab, um fortan hauptsächlich als Manager von Wanda zu fungieren, Plattenverträge mit den Majorlabels aushandeln, aber gleichzeitig immer und vor allem Musikfan bleiben.
"Das Ziel war nie, ein elitärer Nischennerd zu bleiben, sondern, mit guten Dingen, zu denen man stehen kann, so groß und erfolgreich wie möglich zu werden."
Zu diesen guten Dingen zählt Redelsteiner auch seine "Leidensgenossin", die Autorin Stefanie Sargnagel. Beide haben eine Vergangenheit als Mitarbeiter in einem Callcenter. Womöglich schon wieder einer dieser glücklichen Zufälle im Leben von Stefan Redelsteiner, der inzwischen auch einen gleichnamigen Buchverlag gegründet hat, in dem Sargnagel inzwischen zwei Bücher veröffentlicht hat.
Bekannt wurde Sargnagel durch ihre Facebook-Posts über ihre Arbeit im Callcenter und was das Leben sonst noch lebenswert macht.
"1.2.2014: Scheiß aufs Gymnasium, Baby! Geh ins Beisl und sauf, bis Du umfallst, Baby! Spiel Bob Marley in der Jukebox, Baby! Mach Schluss mit irgendwem, Baby! Streb den Misserfolg an, sag mal was falsches, Baby! Ritz Dich, Baby! Lass Dir Benzos verschreiben, Baby! Trau Dich einfach."
"'Fitness' und 'Binge Living' sind behauptete Bestseller, aber in Wahrheit waren sie eher so in Hipster und In-Kreisen. Aber nie in echten Bestsellerlisten. Sie wird ihr nächstes Buch nicht mehr bei mir machen, sondern bei Rowohlt, bei einem großen Verlag."
Nicht die nächsten Wanda entdecken
Stefan Redlsteiner ist wegen des Sargnagel-Abgangs nicht groß beleidigt oder verärgert. Schon eher ärgern ihn die vielen Demos, die er von Bands zugeschickt bekommt, die alle so klingen wollen wie Wanda. Genau das will er nämlich nicht. Und schon gar nicht die nächsten Wanda entdecken.
"Ziel muss sein, dass es nicht so wirkt, dass ich immer dasselbe mache. Irgendetwas, was einmal funktioniert, nachzurennen. Da wäre ich von mir enttäuscht, wenn es so ausgeht, dass ich ein auf Nummer sicher spielender Geldtrottel werde oder so."
Eine Nummer Sicher ist Redelsteins neues Künstlersigning jedenfalls nicht: Voodoo Jürgens. Kein Udo Jürgens Cover-Künstler im Bademantel, sondern ein Wiener Liedermacher mit Vokuhila-Frisur, Goldkette, Wandergitarre, krassem Dialekt und mindestens einem Dutzend Ausdrücken für "Ohrfeige", die selbst für junge Österreicher wie Fremdwörter klingen.
"Watschn, eine Andrucken, Brennessel, Backlhausdetschn, eine Verkehrte, Saubauch."
"Heute graben wir Tote aus ... "
Wohin die Reise für Voodoo Jürgens geht? Zunächst einmal wird er neben Wanda auch mit an Bord sein bei der "Bussikreuzfahrt" im Herbst. Dann erscheint auch sein Debütalbum, das von Hochdeutsch genauso weit entfernt sein wird wie von Platinauszeichnungen – eben wegen des intensiven Dialekts.
Das weiß auch Stefan Redelsteiner. Sollte der Voodoo-Zauber dann doch nicht so groß ausfallen wie erhofft – auch kein Problem. Wichtig ist:
"Dass man sich nix scheißen soll, sondern Dinge ausprobieren und es gehen halt neun von zehn schief. Es klappt nie alles. So gesehen ist Mut einer meiner Verdienste neben der harten Arbeit."