Die langen Schatten von Söder und Habeck
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Laschet, Baerbock, Scholz: Keiner von ihnen reißt die Wählerschaft vom Hocker. Hätten die Kandidaten für das Kanzleramt anders ausgewählt werden müssen? Was für und was gegen Vorwahlen nach US-Vorbild spricht, erklärt der Jurist Christian Neumeier.
Armin Laschet wird Markus Söder nicht los. Nach einer neuen Umfrage des "Spiegel" sind viele Wählerinnen und Wähler dafür, dass der CSU-Chef den CDU-Chef als Kanzlerkandidaten ersetzen soll.
Laschet steht derzeit in der Kritik, weil er im Wahlkampf kaum klare Positionen bezieht. Dazu kommen einige Ungeschicklichkeiten, die ihm Sympathien gekostet haben. Über die Hälfte der Wahlberechtigten hält es vor diesem Hintergrund nun für sinnvoll, Laschet abzusetzen. Unter den Anhängern von CDU/CSU sind es sogar rund 70 Prozent.
Das sind dramatische Zahlen für Laschet, die nur deswegen nicht voll treffen, weil die Konkurrenten der anderen Parteien – Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) – auch nicht mit Popularität glänzen. Im Großen und Ganzen gibt keiner der drei eine wirklich gute Figur ab.
Der Publizist Gabor Steingart folgert daraus, dass etwas mit der Auswahl der Kandidaten nicht gestimmt hat. In Deutschland würden die Spitzenkandidaten der Parteien meist im politischen Hinterzimmer bestimmt, schreibt er in einem Gastbeitrag für den "Focus": "Den Wähler zwingt das in eine unschöne Situation. Denn was die Kandidaten alles (nicht) können, erfährt er erst, wenn es zu spät ist."
Charakterliche Eignung und politische Substanz
Sein Vorschlag ist, die Kandidaten wie in den USA einer Vorauswahl zu unterziehen. Erst im innerparteilichen Ringen der Kontrahenten erkenne das Publikum die charakterliche Eignung und die politische Substanz, meint Steingart.
Robert Habeck und Markus Söder hätten, so argumentiert der Journalist, "im hierzulande gültigen System der Hinterzimmer-Demokratie" keine Chance gehabt. Annalena Baerbock habe "intern die Frauenkarte" gezogen, Laschet sei von der Führung der CDU aufs Schild gehoben worden.
Verfassungsrechtlich wäre ein Auswahlverfahren der Kandidaten ähnlich wie in den Vereinigten Staaten durchaus möglich, sagt Christian Neumeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Humboldt Universität Berlin.
Über die Auswahl von Kandidaten sage das Grundgesetz zunächst einmal nichts: "Das ist eine Frage der innerparteilichen Demokratie." Die Verfassung bestimme nur, dass die innerparteiliche Organisation demokratischen Grundsätzen genügen müsse. Die Parteien könnten sich also Vorwahl-Formate überlegen, so Neumeier.
Das Hinterzimmer als "politischer Kampfbegriff"
Zugleich verweist der Verfassungsrechtler allerdings darauf, dass Verfahren nicht falsch sein müssen, nur weil das Ergebnis gerade nicht passt. Die Kritik von Steingart sei politisch motiviert, das "Hinterzimmer" ein "politischer Kampfbegriff": "So einfach ist die Sache nicht."
"Sowohl Armin Laschet als auch Olaf Scholz sind schon durch Wahlkämpfe gegangen", betont Neumeier: "Das wäre Zeit genug gewesen, alle denkbaren und möglichen Schwächen ausführlich zu diskutieren."
In Parteigremien werde überdies sehr viel darüber nachgedacht, wer potenziell die erfolgreichste Kandidatin oder der erfolgreichste Kandidat sei. Dort würden also Erwägungen, die auch in Vorwahlen eine Rolle spielten, bereits in den politischen Prozess eingespeist.
Zugleich widmeten sich die Gremien aber auch längerfristigen Überlegungen, die in Vorwahlverfahren dann möglicherweise nicht so präsent seien.
Wäre Habeck besser? Niemand weiß es
Letztlich müsse man sorgfältig abwägen, was jeweils für und gegen die jeweiligen Verfahren spreche, meint der Verfassungsrechtler. Und Steingart muss einräumen: "Niemand weiß heute, ob Robert Habeck und Markus Söder in einer Bundestagswahl tatsächlich überzeugender auftreten und besser abschneiden würden."
(ahe)