Welches Verkehrsmittel ist am schädlichsten?
Praktisch, schnell und billig - so sehen viele Reisende das Flugzeug. Schädlich und unsozial sei es, sagen dagegen Umweltaktivisten. Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer von "Atmosfair", rechnet vor, was die Verkehrsträger im Vergleich kosten.
Immer wieder steht der Luftverkehr am Pranger: nicht nur weil er umweltschädlich sei, sondern wegen der teilweisen Steuerbefreiung und Subventionierung auch unsozial.
Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer der Klimaschutzagentur Atmosfair, sieht im Vergleich von Auto, Bahn und Flugzeug den Luftverkehr ebenfalls hinten, aber er mahnt zu einer differenzierten Betrachtung:
"Das Bild insgesamt ist schon komplex. Wenn man sich einzelne Bestandteile herausnimmt, dann kommt man schnell auf eine Schieflage."
Für ein Gesamtbild müssten bei den einzelnen Verkehrsformen die Umwelt- und Sozialkosten sowie die Gemeinkosten für die Infrastruktur ermittelt werden und dieser Wert dann mit den Steuereinnahmen verrechnet werden.
Flieger und Auto bei Umwelt- und Sozialkosten gleichauf
Bei den Umwelt- und Sozialkosten liegen Brockhagen zufolge Auto und Flugzeug mit ungefähr sechs Euro pro 100 Kilometer in etwa gleichauf, während die Bahn mit 1,50 Euro deutlich günstiger sei. Allerdings fielen bei der Bahn die höchsten Infrastrukturkosten an, sagt Brockhagen:
"Die Flüge tragen fast alle ihre Kosten selbst, auch wenn es in Deutschland diese ganzen subventionierten Regionalflughäfen gibt, die sich selber nicht tragen. Da muss man allerdings berücksichtigen, dass in Deutschland über 90 Prozent aller Flüge von den großen Verkehrsflughäfen stattfinden, die sich alle komplett selber tragen."
In der Gesamtrechnung schneidet Brockhagen zufolge das Flugzeug am schlechtesten ab:
"Wenn ich das vergleiche, dann stelle ich fest, dass im Auto ungefähr die Steuereinnahmen nur zwei Drittel von den gesamten Kosten abdecken, die der Straßenverkehr verursacht. Beim Flugzeug allerdings sogar nur ein Drittel, und die Bahn liegt irgendwo dazwischen. Das heißt, unter dem Strich, wenn sie alles zusammen nehmen, wird einfach der Flugkilometer weniger steuerlich belastet als der Bahnkilometer."
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Wer von Deutschland zum Beispiel nach London oder nach Paris reisen will, nach Oslo oder nach Rom, der nimmt, auch wenn es ja Alternativen gäbe, meist das Flugzeug. Auf den genannten und vielen anderen Strecken sind Flugverbindungen nicht nur praktisch, sondern meistens auch erheblich billiger als Fahrten mit dem Auto oder dem Zug.
Die Flugbranche freut das, aber für die Umwelt bedeutet es eine erhebliche Belastung. Die Kohlendioxidemissionen durch den Flugverkehr könnten sich weltweit bis 2040 vervierfachen, hat die Internationale Zivilluftfahrtorganisation berechnet. Das sind beunruhigende Nachrichten für uns alle und natürlich auch für die Dietrich Brockhagen, den Geschäftsführer von Atmosfair, einer gemeinnützigen Klimaschutzagentur, die aus dem Projekt "klimabewusst fliegen" des Bundesumweltministeriums hervorgegangen ist. Schönen guten Morgen, Herr Brockhagen!
Dietrich Brockhagen: Guten Morgen!
Kassel: Warum ist denn Fliegen überhaupt so billig geworden? Liegt das nur an dem Preisdruck durch die Billigfluggesellschaften?
Brockhagen: Nein. Also, insgesamt gibt es mehrere Gründe – einer davon ist, dass Fluggesellschaften insgesamt ihre Stückkosten senken konnten, das heißt, sie haben es geschafft, mit immer größeren Flugzeugen zu fliegen und die immer besser auszulasten. Dnd das senkt einfach durch bessere interne Arbeit der Fluggesellschaften die Kosten. Dann ist ein wesentlicher Kostenbestandteil, dass Kerosin – das macht ungefähr 30 Prozent von den Kosten einer Fluggesellschaft aus –, das ist ja auch billig geworden, ähnlich wie der Sprit an der Zapfsäule, wobei Studien besagen, dass die Fluggesellschaften nur einen sehr kleinen Teil von diesen Kostenersparnissen auch an die Flugpassagiere weitergeben. Aber der letzte Punkt, der dann kommt, sind tatsächlich die Subventionen.
Infrastrukturkosten bei der Bahn am höchsten
Kassel: Oder anders gesagt, die Steuervorteile, die gewährt werden, zum Beispiel die Befreiung von der Mehrwertsteuer bei internationalen Routen. Diese und auch andere Vorteile hat Matthias Cramer von den Grünen aktuell als nicht nur umweltschädlich, sondern auch schlicht unsozial bezeichnet. Kann man denn diese, wie Sie es nennen, Subventionen oder auch die Steuervorteile für Fluggesellschaften heutzutage überhaupt noch begründen?
Brockhagen: Na ja, also das Bild insgesamt ist schon komplex. Wenn man sich einzelne Bestandteile herausnimmt, dann kommt man schnell auf eine Schieflage. Ich versuch das mal zu erläutern. Sie müssten eigentlich ein vollständiges Bild betrachten: einmal die Umwelt- und Sozialkosten, dann aber auch die Gemeinkosten für Infrastruktur von Verkehr, und dann vergleichen, was steht denn denen, diesen Gemeinkosten, insgesamt an Steuereinnahmen für den Staat gegenüber. Und da unterscheiden sich einfach die Sektoren tatsächlich erheblich. Ich fang mal mit den Umwelt- und Sozialkosten an: Wenn Sie 100 Kilometer unterwegs sind im Auto oder im Flugzeug, dann erzeugen Sie in beiden ungefähr 6 Euro Sozialkosten.
Was sind das für Kosten? Also wenn ich ins Auto steige und Benzin tanke, erzeuge ich CO2, dann fällt mir vielleicht nicht der Himmel auf den Kopf durch den Klimawandel, aber vielleicht läuft der Monsun in Indien schneller aus dem Ruder und einer Familie wird dort das Haus weggespült. Das sind Kosten, die ich durch mein Autofahren verursache, die ich aber nicht selber tragen muss. Genauso kann ich Unfälle verursachen, wo ich selber schadlos bleibe, aber anderen Leuten Schaden zufüge. Und wie gesagt, da liege ich beim Auto und beim Flug insgesamt bei den Umwelt- und Sozialkosten bei ungefähr 6 Euro pro 100 Kilometer, bei der Bahn nur bei 1,50 Euro.
Anders sieht es dagegen aus, wenn ich jetzt die Gemeinkosten vergleiche für die Infrastruktur, da ist die Bahn am teuersten, und die Flüge tragen fast alle ihre Kosten selbst, auch wenn es in Deutschland gerade diese ganzen subventionierten Billigflug- oder Regionalflughäfen gibt, die sich selber nicht tragen. Da muss man allerdings berücksichtigen, dass in Deutschland ungefähr über 90 Prozent aller Flüge von Flughäfen stattfinden, den großen Verkehrsflughäfen, die sich alle komplett selber tragen.
Flugkilometer wird steuerlich am geringsten belastet
Kassel: Aber wenn man diese Kosten jetzt vergleicht – und gerade, wenn wir den Vergleich Flugzeug/Bahnverkehr jetzt haben –, rein theoretisch wäre es natürlich durchaus möglich, auf vielen innereuropäischen Routen die Bahn als echte Alternative zu präsentieren. Das ist sie oft nicht, gleich aus zwei Gründen: weil viele Verbindungen einfach deutlich komplizierter und langsamer sind, als sie technisch gesehen sein müssten, und weil eine Bahnfahrt zum Beispiel von, sagen wir mal, Berlin nach Paris viel teurer als ein Flug dahin. Liegt das auch an diesen direkten und indirekten Subventionen?
Brockhagen: Ja, das liegt auch mit daran. Wenn Sie insgesamt nachher schauen, wie viel Gemeinkosten habe ich pro 100 Kilometer und wie viel Einnahmen habe ich denn – also die Bahn zahlt Ökostromsteuern, nicht Öko-, sondern einfach Stromsteuer, der Flugverkehr zahlt die Luftverkehrsabgabe, beide sind im Emissionshandel drin, das heißt, das Bild ist kompliziert.
Aber wenn ich das vergleiche, dann stelle ich fest, dass im Auto ungefähr die Steuereinnahmen nur zwei Drittel von den gesamten Kosten abdecken, die der Straßenverkehr verursacht, beim Flugzeug allerdings sogar nur ein Drittel und die Bahn liegt irgendwo dazwischen. Das heißt, unter dem Strich, wenn Sie alles zusammennehmen, wird einfach der Flugkilometer weniger steuerlich belastet als der Bahnkilometer.
Kassel: Nun wird der Flugverkehr zunehmen, man muss auch zugeben, die Alternativen, sagen wir mal bei einer Strecke München-Tokio, sind auch nicht so zahlreich, und die Luftverkehrsgesellschaften zeigen sich ja so ein bisschen problembewusst. Die bereits erwähnte Internationale Zivilluftfahrtorganisation hat ja eine Art eigenes Klimaschutzabkommen angekündigt, mit dem sie zumindest dafür sorgen will, dass trotz der Zunahme des Flugverkehrs sich eben der CO2-Ausstoß nicht vervielfacht. Glauben Sie daran, dass die da irgendwas präsentieren werden, was wirklich funktioniert und was man ihnen abkaufen kann?
IATA will ab 2020 Zuwachs von CO2-Emissionen kompensieren
Brockhagen: Die Entscheidung steht jetzt für Ende September an, und im Augenblick, nach meinem Wissen, steht das noch ziemlich auf der Kippe, wobei man sagen muss, dass der Weltluftfahrtverband, die IATA, selber die Vorlage geliefert hat. Das heißt, die haben von sich aus gesagt, wir wollen ab 2020 mit den Netto-CO2-Emissionen nicht weiter wachsen.
Das heißt, die haben selber den Vorschlag auf den Tisch gelegt, der darauf hinausläuft, dass ab 2020 jeder Zuwachs von CO2-Emissionen bei Flugzeugen – und das wird ja stattfinden, Menschen werden immer mehr auf dem Globus fliegen und die Technologie wird sich nicht so schnell verbessern, also die Emissionen werden wachsen –, und das Commitment soll darauf hinauslaufen, dass diese Mehremissionen, die über das Niveau von 2020 rausgehen, dann kompensiert werden durch Einsparmaßnahmen, die der Luftverkehrssektor dann auf anderen Sektoren einkauft, wenn irgendwie Kraftwerke am Boden effizienter gemacht werden.
Ob es dieses Abkommen überhaupt geben wird, wie gesagt, steht im Augenblick doch noch ziemlich auf der Kippe, denn da müssen ja 192 Länder zustimmen, die alle in dieser IKAO versammelt sind. Und da sind natürlich vor allen Dingen dann auch Entwicklungsländer dabei, denen jede Regelung im Bereich Luftverkehr ungelegen kommt, weil sie sich dann in der Entwicklung gebremst sehen – aus Gründen, die nicht von der Hand zu weisen sind. Deswegen würde ich sagen, im Augenblick steht es noch auf der Kippe.
Kassel: Dietrich Brockhagen war das, Geschäftsführer der Klimaschutzagentur Atmosfair, über die starke Umweltbelastung durch den zunehmenden Flugverkehr und was man dagegen tun kann oder eventuell auch nicht. Herr Brockhagen, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Brockhagen: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.