Mehr als der Sidekick von Harald Schmidt
Deutschen Fernsehzuschauern ist Herbert Feuerstein noch als Co-Moderator und Sidekick in der Show "Schmidteinander" in Erinnerung. Jetzt hat der Kabarettist und Entertainer seine Autobiografie "Neun Leben" heraus gebracht.
Nana Brink: Das ist doch mal eine Ankündigung: "In diesem Buch geht es ausschließlich um mich. Ist aber trotzdem spannend", sagt Herbert Feuerstein und fügt hinzu: "Ich bin 77 und ich habe keine Zukunft, aber eine lange Vergangenheit und viel zu erzählen, meistens sogar die Wahrheit." Eine gute Entschuldigung also, um eine Autobiografie zu schreiben, und die wird der Musiker, Entertainer und Kabarettist Ende der Woche auf der Buchmesse in Frankfurt vorstellen. Guten Morgen, Herr Feuerstein!
Herbert Feuerstein: Einen schönen guten Morgen, hallo!
Brink: Über „Die neun Leben des Herrn F." können wir in Ihrem Buch lesen. Aufgewachsen in Salzburg, Musikstudium, Kaffeehausliterat in Wien, in New York rumgehangen, Macher des Satiremagazins "MAD", Fernsehstar unter anderem mit Harald Schmidt – ist der Wandel Ihr Lebensmotto?
Feuerstein: Ich glaube schon. Der ist einfach, hat sich durch Zufall eingehakt, vielleicht auch nicht durch Zufall, vielleicht bin ich einfach so. Das Schöne am Journalistenberuf, den ich ursprünglich im Auge hatte, ist ja, dass er gar kein Beruf ist, sondern dass er einen neugierig macht. Und diese Neugier bedeutet natürlich auch sehr schnell irgendwo eine Sättigung, und dann hat man auch wieder genug. Ich habe mein Leben eigentlich schon so durchgezogen, deswegen heißt es ja auch "Die Neun Leben", dass das komplette, eigene, für sich existente Abschnitte sind, also wirklich eigene Leben von Anfang bis zum Ende. Wie lange das jetzige ist, weiß ich noch nicht so ganz, aber zu lange hoffentlich auch nicht mehr.
Brink: Welchen Feuerstein haben Sie denn besonders gemocht? Also, mich hat ja der Feuerstein ganz am Anfang fasziniert, der nämlich Klavierspielen gelernt hat. Wusste ich gar nicht.
Feuerstein: Ja, das war der kleine, unwürdige Feuerstein, und das dürfen Sie auch gar nicht wissen, denn das handelt sich um die Zeit des Ersten Weltkriegs, und da waren Sie vermutlich noch gar nicht geboren. Ich aber schon. Und die Kindheit erzählt sich ja auch am leichtesten. Es ist ja auch sehr schwer, bei der Biografie die Spannungsfelder einzuhalten Da kommt eben gleich dieses Prinzip, das da heißt, sich erinnern ist eigentlich sich erfinden. Man merkt sehr oft, dass man völlig falsche Vorstellungen hat, vor allem, wenn man es vergleicht mit irgendwelchen Eintragungen oder Korrespondenzen von einst. Das stimmt hinten und vorn nicht, und man muss sich dann sehr disziplinieren und muss fast biografisch arbeiten, immer wieder nachschauen, habe ich das wirklich so erlebt, oder war das ganz anders.
Ein fürchterlicher Anfang in New York
Brink: Nun sind Sie nach New York gegangen – das ist ja ein ziemlicher Bruch auch gewesen. War das Abenteuerlust, oder was hat Sie getrieben?
Feuerstein: Da kamen mehrere Komponenten dazu. Da war einmal die Spannung mit meinem Vater, der, das kann ich jetzt nicht als Kind, in der Rückschau, als Begründung nehmen, in der Nazizeit auch eine Karriereleiter erklommen hat. Das kann und will ich ihm im Nachhinein nicht vorwerfen, weil niemand weiß, wie er selber in gewissen Umständen gehandelt hätte, aber es war ein Spannungselement da, und ich wollte dringend weg. Und da ergab sich, dass in der Studienzeit am Mozarteum ich eine Austauschschülerin aus den USA kennenlernte, und wir haben uns verliebt, und das war dann auch meine erste Ehe, und sehr, sehr schnell und eigentlich sehr, sehr unbedarft hatte ich mich zu dem Schluss entschlossen, ich will jetzt einfach weg, ich will in New York beginnen, und das war ganz fürchterlich am Anfang, wie es sich gehört. Aber es hat so stattgefunden.
Brink: Und der Feuerstein ist aber wieder zurückgekommen und dann aber gleich eingestiegen, Sie waren Journalist, Sie haben für "Pardon" gearbeitet, haben auch schon im Satirebereich gearbeitet – war es dann irgendwie logisch, dass Sie da auch weitermachen, anknüpfen, also ich meine jetzt Ihre "MAD"-Zeit?
Feuerstein: Na ja, es war eigentlich die einzige Möglichkeit, denn ich hatte ja damals – Verleger Hans Nikel hatte mich in New York besucht –, hatte damals mit ihm ausgehandelt, dass ich als Verlagsleiter in seinem Verlag zurückkommen würde. Das war so eine Sache. Ich hatte ja eigentlich nichts Wirkliches vorzuweisen. Ich war zwar neun Jahre vom Anfangsdiener bis zum Chefredakteur der deutschsprachigen New Yorker Zeitung tätig. Ich war sehr froh, als er mich engagiert hat, bin mit hohen Gefühlen dort hingekommen, hatte aber eigentlich nichts vorzuweisen, denn ich habe ja keine Ahnung gehabt damals, was ein Verlagsleiter überhaupt ist, was er soll und so weiter, und habe immer versucht, wie ich das später beim Theaterspielen gemacht habe, hinzuhören, was machen denn die anderen? Dann mache ich das vielleicht, wenn es geht, so ähnlich.
Und die Begründung, warum ich Verlagsleiter war, war eigentlich nur: Der war neun Jahre in New York. Später habe ich was Ähnliches zu hören bekommen, wenn ich mich als Schauspieler abgequält habe, der ich ja eigentlich so gar nicht bin. Dann sagte man immer: Der ist ja im Fernsehen. Und wenn einer im Fernsehen ist, dann muss er ja auch was sein und so weiter. Also, ich habe mich da eigentlich ziemlich durchgemogelt, behaupte ich mal.
Brink: Und dann kam auch sehr bald die Episode, die uns allen so bekannt ist, nämlich zusammen mit Harald Schmidt. Die ging dann auch irgendwie zu Ende. War das ein richtiger Bruch, haben Sie da lange überlegt, was mache ich nun, welches Leben kommt jetzt?
Zweite Karriere als Musikflüsterer und Konzertmoderator
Feuerstein: Nein, die "Schmidteinander"-Sendung war ja damals wirklich sehr erfolgreich und eine echte Innovation, an der man anknüpfen konnte. Von da an ging alles so intensiv weiter, dass ich mühelos daran bis zu meinem Tod hätte festhalten können, wenn ich nicht alt genug gewesen wäre, um zu wissen, dass es auch andere Formen der Neugier und so weiter noch zu befriedigen gibt. Ich habe damals wirklich alles angeboten bekommen. Da kamen die Theaterleute, und ich konnte dies spielen und jenes spielen, konnte auswählen, konnte ganz viele andere neue Serien machen. Aber das Angenehme war, wenn man schon gut 50 ist und dann mit dem Fernsehen anfängt, dann kann man auch wieder raus. Ich wollte ganz dringend wieder raus und habe dann auch die Brücke zu dem geschafft, wo ich hergekommen bin, nämlich zur Musik, und bin dann als so eine Art Musikflüsterer und Konzertmoderator und so weiter bis heute eigentlich aktiv geblieben.
Brink: Langweilen Sie sich schnell?
Feuerstein: Das kommt drauf an. Ich bin schon sehr hartnäckig, wenn ich mir ein bestimmtes Ziel gesetzt habe. Da bin ich sogar wirklich rituell komisch, indem ich mir, wenn ich sage, ich muss etwas fertig machen, einfach das Essen oder das Frühstück verweigere, bis es fertig ist. Aber das ist eigentlich nie so mein Ding gewesen, und deswegen hatte ich auch mal jetzt schon den Vergleich mit dem Journalismus gewählt. Der basiert ja auch auf einer Neugier im Wesentlichen, vielleicht auch auf der Klatschsucht, auf dem Bedürfnis, Interessantes dann weiterzugeben und nachzuerzählen und so.
Ich schlage jedem vor, machen Sie es so wie die anderen Showleute, schreiben Sie Ihre Biografie mit 35 und vergessen Sie dann den Rest. Wenn man das im Alter macht, dann kommt man ins Grübeln und so, was war richtig, was war falsch. Und Sie können gar nichts ändern, natürlich. Will ich auch gar nicht.
Brink: Ganz kurz zum Schluss noch: Was kommt noch für ein Leben?
Feuerstein: Ich habe das jetzige Leben schon als Nachleben genannt. Es begann 2006 und enthält jetzt da alle möglichen Musikstationen noch und so weiter, und auch so ein bisschen natürlich – ja, ich habe am Ende so eine Schlussansprache gehalten, und die endet mit dem absolut wichtigen Satz, den ich Ihnen gleich zitieren kann: "Danke, dass Sie zugehört haben. Ich bin jetzt fertig."
Brink: Der Entertainer und Kabarettist Herbert Feuerstein. Danke!
Feuerstein: Gerne!
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