Hermann Peter Piwitt: Lebenszeichen mit 14 Nothelfern. Geschichten aus einem kurzen Leben
Wallstein Verlag, Göttingen 2014
143 Seiten, 17,90 Euro
Töne der Erbitterung und ein Hoffnungsschimmer
Der Schriftsteller Hermann Peter Piwitt erzählt vom kleinbürgerlichen Elternhaus, von Adorno-Einflüssen in seiner Frankfurter Zeit oder vom Berliner Literaten-Milieu der 60er und 70er. Ein berührendes, autobiografisches Zeitdokument.
Hermann Peter Piwitt wurde 1935 geboren und gehörte lange zu den herausragenden Autoren seiner Generation, der 68er-Generation. In den siebziger Jahren wurde er in einem Atemzug mit Nicolas Born, Peter Handke und Rolf-Dieter Brinkmann genannt. Piwitt war ein gefragter Kommentator und Kolumnist in den wichtigsten Feuilletons, und irgendwann wurde er zu einer Randfigur. In seinen autobiografischen Erinnerungen "Lebenszeichen mit 14 Nothelfern“ thematisiert er das.
Es ist ein schmales Bändchen, mit kurzen, oft fragmentarischen Erinnerungsblöcken und räsonierenden Einschüben. Sehr plastisch wird die Kindheit und Jugend in einem typisch naziverseuchten kleinbürgerlichen Elternhaus. Der Vater, ein kleiner Beamter, verkörperte alle politischen und moralischen Engstirnigkeiten seiner Zeit, vor allem die sexuelle Repression wird überdeutlich. Zu den 14 "Nothelfern“ gehören gleich am Anfang zwei Lehrer, die Hermann Peter Piwitt stützten. Der Band nennt im Verlauf des Textes alle, denen er etwas in seinem Leben verdankt.
"Ich wollte nicht werden wie sie“
Trotz schlechter Noten in der Schule schaffte er das Abitur, und an der Frankfurter Universität spielte Adorno eine große Rolle, und daneben das heftige Aufbegehren gegen die Eltern und deren Lebensvorstellungen: "Ich wollte nicht werden wie sie.“ Mit Wolfgang Maier, der früh, im Alter von 39 Jahren 1973 starb, gewann Piwitt einen Lebensfreund, und er teilte mit ihm einen bohèmehaften, von Alkohol gezeichneten Alltag, als Schriftsteller von der Hand in den Mund lebend.
Diese Einblicke in die sechziger und siebziger Jahre, das Berliner Milieu der Schriftsteller sind atmosphärisch sehr dicht: Günther Bruno Fuchs, der vagabundierende zarte Lyriker und Alkoholiker – "Er starb früh und erbärmlich“ –, Günter Grass, der den Schutzumschlag von Piwitts erstem Buch gestaltete – eine "sehr produktive Mischung aus Krämer und Erdgeist“ – oder die stadtnahen Wanderungen mit dem engsten Freund Nicolas Born.
Widerwille gegen Heimatstadt Hamburg
Piwitt schloss sich zwar nie einer Partei an, blieb aber politisch immer bei seinen frühen Überzeugungen. Seine Erinnerungen sind sprunghaft, die Geschehnisse werden nie näher analysiert oder beschrieben. Aber stark ist ein Widerwille gegen die Heimatstadt Hamburg mit ihrer kulturlosen Geldversessenheit zu spüren, und genauso stark die Abwehr gegen die Opportunisten in den Medien.
Oft mischt sich ein Ton der Erbitterung in diese Zeilen, und am prägnantesten wird dies bei der Schilderung des Hauses in einem umbrischen Dorf, das Piwitt mit seiner Frau fast 20 Jahre lang bewohnte: Die Klage über den Verfall durch Tourismus, Konsum und Dummheit wird begleitet von sehnsüchtigen Sätzen, die den Sommertagen am See gelten und dem "zum Heulen schönen Blick“ aus dem Fenster. Es ist ein berührendes Zeitdokument, eine wichtige literarische Quelle – und dass zum Schluss ein sehr schönes literarisches Bild der Hoffnung auftaucht, ist nach wie vor Teil des Programms.