Autofasten

Von Tonia Koch |
Zum zehnten Mal haben die beiden großen christlichen Kirchen für das Saarland, Rheinland-Pfalz und dieses Mal auch für Luxemburg die Autofahrer aufgefordert, in der Fastenzeit auf das Auto zu verzichten. In den vergangenen Jahren hielt sich die Beteiligung an dieser Aktion auf relativ niedrigem Niveau, allerdings mit stets steigender Tendenz. Vor dem Hintergrund der aktuell geführten Klimadiskussion erhoffen sich die Kirchen in diesem Jahr mehr Beteiligung.
Martin Bauer nimmt den letzten Anstieg vom Weltkulturerbe Völklinger Hütte bis zum Bahnhof. Er bleibt im Sattel.

"Ich bin relativ gut losgefahren und es war auch nicht windig auf der Strecke. Ich wusste, dass ich Zeit habe, war kein Problem heute. Es ist oft knapper."

Drei Minuten verbleiben ihm noch, um sein Rad anzuschließen. Die Regionalbahn fährt ein. Sie bringt ihn zu seiner Arbeitsstelle ins zehn Kilometer entfernte Saarbrücken. Der Religionspädagoge hat sich entschieden. In der Fastenzeit lässt er das Auto stehen. Es hat sich bewährt, fast jedes Jahr nimmt er deshalb an der Aktion: Autofasten teil. Als Dauerteilnehmer wird er von den Organisatoren regelmäßig angeschrieben und das sei gut so, sagt Bauer, denn bei ihm habe sich der Schlendrian eingeschlichen, seitdem ein zweiter Pkw vor der Haustür steht.

"Meine Frau hat das große Auto, dann haben wir noch ein zweites dazu geholt, weil meine Frau sich beruflich verändert hat. Und da war es schon so, dass ich vermehrt mit dem Auto gefahren bin und die Aktion mich daran erinnert, dass sich es immer wieder zurückschraube."

Auch für den Luxemburger Dominique Panrucker sind es Erfahrungen mit dem eigenen Pkw, die ihn zunächst dazu bewogen haben, sich an der Aktion zu beteiligen.

"Ich war vor zeit Monaten wieder in der Garage, der Motor wieder defekt, ein Produktionsfehler, und da hab ich mir gesagt, jetzt reicht’s, jetzt fährst du Zug. Und auch wenn ich das Auto wieder zurückbekomme, ich möchte es probieren, ob es nicht möglich ist, über längere Zeit mit dem Zug zu fahren."

Die Pannenserie hat dem jungen Mann das Umsteigen auf den Zug erleichtert.

Für ihn war es eine glückliche Fügung, dass die luxemburgischen Kirchen gerade zu diesem Zeitpunkt mit Plakaten in den öffentlichen Verkehrsmitteln für ihre Aktion Autofasten warben. Denn Dominique Panrucker, der geographisch gesehen in der Mitte des Landes wohnt aber in Esch, im äußersten Süden Luxemburgs beschäftigt ist, braucht Geduld, wenn er sich auch zukünftig auf den Zug verlassen möchte.

"Da kommen wir zum einzigen negativen Aspekt. Mit dem Auto brauche ich 40 Minuten, mit dem Zug anderthalb Stunden von Tür zu Tür. Ich sehe es aber nicht ganz so negativ und sage mir, das ist die einzige Möglichkeit zu lesen. Zu Hause kann ich das nicht, da lass’ ich mich ablenken. Im Zug muss man eben eine Strecke fahren und sich beschäftigen."

Die Zeit zum Lesen nutzt auch Martin Bauer. Nur ist seine Fahrt von Völklingen nach Saarbrücken mit der Regionalbahn ungleich kürzer. Aus dem Rucksack kommt leichte Lesekost zum Vorschein.

"Im Moment einen Krimi, das lese ich eigentlich am Liebsten zur Entspannung. Das ist ein deutscher Krimi von Petra Oelker, der Tod im Eiskeller."

Trotz eiskalter Unterhaltungsliteratur, es fröstelt niemand im Zug. In der Regionalbahn stehen die Menschen dicht an dicht.

"Das ist in den kleinen Regionalbahnen regelmäßig der Fall und es ist oft so, zumindest bei der Rückfahrt steht alles eng voll und auch im Gang. Das Problem ist einfach, dass die Bahn nicht mehr das letzte Stück der Strecke rechnet, wer ab Völklingen fährt hat verloren."

Dominique Panrucker hat es bequemer. Nicht zuletzt wegen des ständig wachsenden Verkehrsaufkommens in Luxemburg hat die CFL, die luxemburgische Bahngesellschaft, aufgerüstet. Raymond Schanen, Sprecher der CFL.

"Die Züge, die wir jetzt seit einem oder zwei Jahren einsetzen, das ist sehr komfortables Rollmaterial, es sind noch Plätze frei, sogar in den Spitzenstunden. Und man fährt am Stau vorbei."

Zusätzlich zum innerluxemburgischen Verkehr, der auf Luxemburg Stadt und die wirtschaftlichen Zentren des Südens ausgerichtet ist, muss das Land tagtäglich 130.000 Pendler verkraften. Sie machen sich aus den angrenzenden französischen, deutschen und belgischen Regionen auf den Weg, zu ihren Arbeitsplätzen. In aller Regel nutzen die Pendler das Auto. Um dem Verkehrskollaps entgegen zu wirken, unternimmt die Bahn verstärkte Anstrengungen, den grenzüberschreitenden Regionalverkehr auszubauen. In Luxemburg, dem europäischen Land mit der höchsten Pkw-Dichte, versucht sich die Bahn als Alternative ins Bewusstsein zu bringen. Der Autofasten-Aktion der Kirchen stand die luxemburgische Staats-Bahn zu Beginn dennoch skeptisch gegenüber. Man war überzeugt, dass sie der eigenen Zielsetzung, mehr Menschen auf die Bahn zu bringen, eher schaden als nützen würde. Raymond Schanen.

"Fasten heißt ja, sich einschränken, heißt verzichten, während wir ja der Auffassung sind, dass unser Angebot keinen Verzicht bedeutet, sondern eher eine rationelle Einstellung zum Befördertwerden darstellt, nicht wahr. Das ist wirklich keine Einschränkung der Lebensqualität."

Die erklärte Absicht der Organisatoren ist es nach eigenem Bekunden keinesfalls, die Nutzung des Autos zu verteufeln. Es gehe vielmehr darum, den vielfach gedankenlosen Umgang mit dem Auto zu überprüfen. Wolfgang Fleckenstein, Koordinator der Autofasten-Aktion in Luxemburg.

"Es geht ja nicht darum, Mobilität zu beschneiden. Es heißt ja auch Autofasten und nicht Autoabstinenz. Aber es ist halt so, wir sind es gewohnt, täglich ins Auto zu steigen und fahren zur Arbeit, erledigen die Einkäufe. Wenn wir Freizeitaktivitäten haben, nutzen wir auch das Auto, sogar zu einem recht hohen Satz. Ungefähr 40 Prozent der Individualfahrten sind für den Freizeitbereich vorgesehen. Und dass das so ein bisschen aufgebrochen wird, wäre das eigentliche Ziel."

Trotzdem erntete der Aufruf der Kirchen, der vom Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, vor vier Wochen gestartet wurde, harsche Kritik. Der AvD, der Automobilclub von Deutschland, meldete sich zu Wort. Die Kirche, so der Präsident des AvD, Wolfgang-Ernst Fürst zu Ysenburg, sei für das Thema Weltklima nun einmal nicht zuständig. Es sei daher völlig unangebracht, wenn die Kirche Autofahrer als Klima schädigend diskriminiere. Die Kirche weist diese Kritik als unberechtigt zurück. Hans-Gerd Wirtz, Leiter der Umweltkommission des Bistums Trier.

"Weil wir genau wissen, dass wir in vielen Situationen auf das Auto angewiesen sind, um von a nach b zu kommen. Uns geht es darum, freiwillig auf das Auto zu verzichten, wo es möglich ist."

Selbst der ADAC, der in Deutschland die meisten Autofahrer repräsentiert, kann den lautstarken Zwischenruf der Auto-Lobbyisten nicht nachvollziehen. Klaus Harth vom ADAC Saarland.

"Der ADAC bietet ja schon seit vielen Jahren Programme an um das Sprit sparende Fahren zu üben. Wir unterrichten die Bevölkerung, welche Mittel man einsetzen kann, um weniger Energie zu verbrauchen. Wir haben die Klimadiskussion mit unseren CO2- Entwürfen für ein neues Steuerrecht angeregt. Insofern sind wir auf der gleichen Schiene. Auch wir sind der Meinung, dass man Energie einsparen muss, dann kann man die kurzen Wege, die ja sehr viel Energie verbrauchen auch einmal gehen. Insofern sind wir mit den Kirchen nicht auseinander."

Nach Angaben des Verkehrsclubs Deutschland, der sich für eine umweltschonende Nutzung der zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel einsetzt, steigt der Anteil der "Freizeitfahrten" mit dem Auto beständig. Der berufsbedingte Autoverkehr lag 2006 in Deutschland lediglich bei 21 Prozent. Einkaufs- und Urlaubsfahrten schlugen mit etwa je 10 Prozent zu Buche. Angesichts dieser Zahlen scheint der Appell der Kirchen an die Autofahrer, darüber nachzudenken, ob sie tatsächlich immer ins Auto steigen müssen, folgerichtig. Die allgemeine Diskussion um die Veränderung unseres Klimas spielt den Kirchen dabei in die Hände. Die Aktion passe eben in die Zeit. Hans-Gerd Wirtz:

"Gefördert wurde die Aktion wohl dadurch, dass der Klimawandel inzwischen als Realität in der Öffentlichkeit anerkannt wird. Anders als vielleicht noch vor zwei drei Jahren und dadurch wird ernsthafter über die Maßnahmen diskutiert, wie man diesem Klimawandel begegnen kann. Ohne ihn aufhalten zu können, aber wir müssen ihn doch abfedern."

Entwickelt wurde die Idee des Autofastens vor zehn Jahren im Bistum Trier. Fast 11.000 Menschen haben inzwischen daran teilgenommen. In Deutschland sind neben Trier die Bistümer Mainz und Limburg beteiligt. Die Kirchen in Österreich rufen, dem deutschen Beispiel folgend, inzwischen flächendeckend zum Autofasten auf und seit drei Jahren sind auch die Luxemburger mit an Bord. Während die beteiligten deutschen Bistümer ihre Teilnehmerzahlen in diesem Jahr noch einmal haben deutlich steigern können, auf knapp 2000, blieb die luxemburgische Resonanz hinter den Erwartungen zurück. Doch dort halten die Verantwortlichen dies für ein statistisches Problem. Man habe fast nur Neueinsteiger, die nicht registrierte Teilnehmerzahl sei beträchtlich. Wolfgang Fleckenstein:

"Die haben ganz schlicht und ergreifend reagiert, wir wissen wie es geht, selbstverständlich machen wir wieder mit, aber warum sollen wir und eigentlich anmelden. Und da denke ich müssen wir in der Werbestrategie wieder etwas ändern."

Die Motivation der Teilnehmer ist überwiegend vom Umweltschutzgedanken geprägt. Einer Studie der Universität Trier zufolge steht bei drei Vierteln der Teilnehmer der Umweltaspekt im Vordergrund. Ganz gleich ob in Luxemburg oder Saarbrücken.

Panrucker: "Ich tue was Gutes für die Natur, tue was Gutes für mich."
Bauer. "Ich glaube, es ist eine unter vielen Möglichkeiten, die Fastenzeit anzugehen und wenn ich von mir ausgehe, dann verbinde ich die mit meinem ökologischen Anspruch."
Bubel: "Es ging mir um den Umweltschutz, ich wollte meinen Beitrag dazu leisten. Ich hab’ mir ausgerechnet, dass ich pro Jahr 9000 Kilometer bis zu meinem Arbeitsplatz brauche, es beruhigt mein Gewissen."

Bärbel Bubel hat sich, nachdem sie vier Wochen konsequent Zug gefahren ist, ein Jahresabbonnement besorgt. Auch Klaus Selgrad ist vom Auto auf Bahn und Bus umgestiegen. Er hat sogar eine Pkw-Fahrgemeinschaft, die er mit zwei Kollegen unterhielt, zugunsten des Öffentlichen Personen Nahverkehrs aufgelöst. Alle drei wollen künftig auf ihrem Weg zum Arbeitsplatz auf das Auto verzichten. Selgrads Kalkulation hat sie überzeugt.

"Durch das Rechenexempel. Die Monatskarte kostet 61 Euro. Wir fahren 700 Kilometer im Monat, also ist das preiswerter als mit dem Auto. Gut, man muss Zeit in Anspruch nehmen, aber man kann sich mit anderen Menschen unterhalten, man tut was für die Umwelt. Wie lange das bleibt, das wissen wir noch nicht. Aber wir haben vor, es das ganze Jahr 07 durchzuziehen."

Bärbel Bubel und Klaus Selgrad hatten Glück. Sie hatten eines der Autofastentickets gewonnen. Diese Freifahrtscheine, in diesem Jahr insgesamt 800, werden unter den Teilnehmern verlost. Zwei Wochen dürfen die Gewinner Busse und Bahnen in dem von ihnen ausgewählten Verkehrsverbund kostenlos nutzen. Die Tickets werden von den Verkehrsunternehmen und staatlichen Stellen gesponsert. Menschen wie Bärbel Bubel und Klaus Selgrad, die ihr Verkehrsverhalten nach der Schnupperphase dauerhaft umstellen, sind ganz nach dem Geschmack der Veranstalter. Hans Gerd Wirtz:

"Wir haben das auch untersuchen lassen und da haben etwa 60 Prozent der Autofasten-Teilnehmer gesagt, dass sie auch über den Aktionszeitrahmen hinaus ihr Mobilitätsverhalten geändert haben. Sogar neun Personen gaben an, dass sie ihr Auto verkauft haben aufgrund der Teilnahme an der Aktion."

Aber auch andere sind willkommen, wie die Rentnerin Christa Volz. Sie wohnt auf dem Land und hat dank gewonnenem Ticket die Gunst der Stunde genutzt.

"Ich bin jeden Tag mit dem Bus gefahren, Ostermarkt hab’ ich in Homburg erlebt. Es ist einfach schön, wenn man ein solches Ticket gewinnt, gestern waren wir nach Völklingen. Ich hatte schon einmal ein Ticket, da habe ich mein Enkelkind mitgenommen, war ein Erlebnis, auch für das Kind, und sie hat sich sehr gefreut."

Bei der diesjährigen Dankeschön-Verlosung war Frau Volz noch einmal erfolgreich. Und trotz vieler positiver Eindrücke hätte sie den Vertretern von Bus und Bahnen auch gerne ein paar negative Erlebnisse geschildert. Die Herren mussten das gemeinsame Treffen mit den Autofastern Ende der vergangenen Woche in Saarbrücken jedoch aus Krankheitsgründen absagen. Die Busfahrpläne seien nicht transparent genug und an den kleinen Bahnhöfen lasse die Sauberkeit arg zu wünschen übrig, war auf dem Treffen zu hören. Darüber hinaus seien die Menschen auf dem Land am Wochenende gänzlich abgehängt. Dann sei auf dem Land nur der mobil, der über ein Auto verfüge. Das waren die häufigsten Beschwerden, die in Richtung der Betreiber des Öffentlichen Verkehrs geäußert wurden. Die Bahngesellschaften nehmen die Kritik der Autofaster in aller Regel sehr ernst und das hat gute Gründe. Raymond Schanen von der luxemburgischen Staatsbahn Cfl:

"Sie bringen uns etwa den selben Informationswert wie die Umfragen, die wir bei den Kunden durchführen. Hier haben wir noch den Vorteil, dass die Leute, die das machen, eine positive Einstellung zum Ganzen haben. Und wenn von denen Kritik kommt, dann wissen wir, das ist keine bösartige Kritik, keine Kritik, die dazu dienen soll, das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Es gibt ja viele Leute, die mit dem Auto fahren und den öffentlichen Verkehr kritisieren, nur um zu rechtfertigen, dass sie mit dem Auto weiterfahren. Hier ist das nicht so. Das sind alles Leute, die eine positive Einstellung zum Öffentlichen Verkehr haben."

Die positive Einstellung zum Öffentlichen Verkehr allein reicht jedoch nicht aus. Es gehört zu den Erfahrungen der Organisatoren, dass sie kaum jemanden treffen, der diese Idee des Autofastens nicht innerlich bejaht. In aller Regel aber bleibt es bei der Bewunderung für diejenigen, die es machen. Dominique Panrucker:

"Wenn ich Leute frage, ist die einzige Antwort, die ich bekomme, wo bleibt denn dein Auto, warum fährst Du mit dem Zug, a ja, ich mach’ beim Autofsten mit. Das finden die eigentlich eine gute Idee, aber es bleibt bei dem Eigentlich und der guten Idee."

Die Kirchen hatten tatsächlich überlegt, die Aktion ins späte Frühjahr zu verlagern, um den Interessierten bessere äußere Bedingungen anbieten zu können. Kälte und Nässe erweisen sich in aller Regel als Bremser, wenn es darum geht, vom Auto auf den Bus umzusteigen. Klimatisch betrachtet liegt die Fastenzeit daher ungünstig. Aber der Gedanke wurde wieder verworfen. Hans Gerd Wirtz:

"Weil gerade der Fastengedanke eine Rolle spielt, diese spirituelle Dimension dieser Aktion, der ist und als Kirche doch sehr wichtig und der würde sonst doch fehlen."