Gerade dadurch, dass viele Rohstoffe und Vorprodukte fehlten, hat man sich eben auf die Produktion von den sehr margenträchtigen Modellen konzentriert und die eben auch ohne Abschläge verkaufen können. Das erklärt diese unerwarteten hohen Gewinne der Unternehmen. Und ein Teil wird eben jetzt ausgezahlt an die Aktionäre.
Kurzarbeit und Rekorddividenden
BMW verdreifachte den Gewinn auf über zwölf Milliarden Euro: Welche Rolle spielen dabei staatliche Hilfen wie etwa das Kurzarbeitergeld? © Unsplash / Dimitry Anikin
Aktionäre machen Kasse
07:46 Minuten
Die deutschen Autohersteller haben im vergangenen Jahr prächtig verdient – auch dank staatlicher Unterstützung in der Coronakrise. Jetzt wollen sie Rekorddividenden an die Aktionäre ausschütten. Das stößt auf Kritik.
Kein Zweifel – die Automobilbranche steckt einmal mehr in der Krise. So sind im vergangenen Jahr die Autoverkäufe zurückgegangen. Allerdings sind die Gewinne in den Bilanzen der Konzerne in die Höhe geschossen. BMW verdreifachte den Gewinn auf über zwölf Milliarden Euro, Mercedes verdiente über 14 Milliarden und Volkswagen verbuchte sogar über 15 Milliarden Euro Gewinn. Ein Plus von 75 Prozent.
Oliver Falck, der Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, erklärt, wie das inmitten der Krise möglich war.
Die Dividenden schießen nach oben
Soweit, so nachvollziehbar. Die Autokonzerne wollen die Aktionäre an den Rekordgewinnen durch ebenso emporschießende Dividenden teilhaben lassen: Mercedes schlägt seinen Aktionären vor, die Ausschüttung auf fünf Euro pro Aktie fast zu vervierfachen. BMW verdreifacht die Dividende auf knapp sechs Euro und Volkswagen erhöht die Prämie immerhin um 60 Prozent.
Möglich ist das allerdings auch, weil die Unternehmen ihre Produktionsprobleme auf Kosten der Beitrags- und Steuerzahler ausgleichen konnten. Tausende Beschäftigte schickten die Autokonzerne in Kurzarbeit, weil die Produktion zum Beispiel wegen Chipmangel stockte.
„Es ist natürlich ein Hohn, dass wir auf der einen Seite dieses Jahr Rekord-Dividenden bei den deutschen Autokonzernen verzeichnen werden und auf der anderen Seite dieselben Konzerne noch immer Kurzarbeitergeld, das mittlerweile aus Steuermitteln bezahlt wird, in hohen Summen bekommen. Das eine passt mit dem anderen nicht zusammen“, sagt Jens Hilgenberg vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Das Kurzarbeitergeld bezahlt die Bundesagentur für Arbeit mit den Beiträgen, die Arbeitgeber und Beschäftigte abführen. Allerdings reichten diese Beiträge schon im ersten Corona-Jahr 2020 nicht mehr aus, um die steigenden Ausgaben vor allem für das Kurzarbeitergeld zu decken. Deshalb schoss der Bund sieben Milliarden Euro an Steuergeldern dazu; im vergangenen Jahr, auf das sich die Ausschüttung der Dividenden der Autokonzerne nun bezieht, waren es sogar 17 Milliarden Euro aus der Staatskasse.
Konzerne profitieren von staatlichen Hilfen
Im laufenden Jahr rechnet die Bundesagentur mit einem Defizit von noch einmal knapp 4,5 Milliarden Euro. Dass die Autokonzerne, die von diesen staatlich mitfinanzierten Hilfen in besonderem Maß profitieren, gleichzeitig Ausschüttungen an die Aktionäre erhöhen, sieht auch Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach kritisch.
„Ich glaube, es stünde dem ein oder anderen Hersteller ohnehin gut zu Gesicht, wenn er eben keine Kurzarbeitergelder in Anspruch nimmt, und seine Gewinne ein Stück weit dafür verwendet, eben diese Probleme, die etwa durch die Lieferkette entstehen, dann auszugleichen“, sagt er.
Umso mehr, als die Probleme sich aktuell wieder vergrößern durch den Krieg in der Ukraine. Derzeit stockt die Autoproduktion, weil Kabelbäume nicht geliefert werden können. Die Autohersteller hatten im vergangenen Jahrzehnt deren Produktion in Niedriglohnländer wie eben die Ukraine ausgelagert.
Aufgrund dieser und anderer Nachschubprobleme fahren die Hersteller aktuell wieder bestimmte Teile ihrer Produktion herunter – und verordnen den Beschäftigten Kurzarbeit.
Wenn man sich anschaut, dass in einigen Fabriken zwischen Vollauslastung und Kurzarbeit relativ schnell hin und her gewechselt wird, dann kann man den Eindruck gewinnen, dass einige Konzerne diese Regelungen zu ihren Gunsten nutzen. Da ist dann die Politik gefragt, so etwas zu unterbinden.
BMW und Volkswagen verweisen auf Anfrage darauf, dass es sich beim Kurzarbeitergeld eben um Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung handelt. Und beide Konzerne geben an, dass sie in den vergangenen Jahren mehr Geld in die Arbeitslosenkasse überwiesen hätten, als sie jetzt an Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen würden.
Mercedes hatte nach eigenen Berechnungen im Jahr 2020 rund 700 Millionen Euro durch Kurzarbeitergeld eingespart. Ein schlechtes Gewissen hat der Konzern dabei nicht. Schließlich kämen die erhöhten Dividenden auch Aktionären zugute, die damit ihre Alterssicherung bestritten.
Besser investieren als Gewinne ausschütten
Umstritten sind die hohen Ausschüttungen an die Aktionäre aber auch, weil die Autoindustrie sich nach wie vor in der Krise befindet. Daher rät auch Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung, den Konzernen, mit erhöhten Dividendenausschüttungen vorsichtig zu sein.
„Wenn dann das ein oder andere Unternehmen möglicherweise doch wieder jenseits der Kurzarbeit auch ein anderes Hilfspaket braucht und die Öffentlichkeit sich dann vielleicht daneben stellt: Also glaube ich, dass es nicht hilfreich ist, wenn da von den Unternehmen jetzt in der Form agiert wird“, kritisiert er.
Die aktuelle Absatzkrise wird noch verschärft durch die Transformation der Branche in Richtung Elektromobilität, Digitalisierung und dem zunehmend automatischen Fahren. Denn diese Umstellungen erfordern hohe Investitionen.
Der Wettbewerb rund um Tesla, die chinesischen Wettbewerber, der wird nicht schlafen. Hier sollte man das Geld durchaus für diese Investitionen einsetzen, zumal auch weitere Investments anstehen, um die Lieferketten zu stabilisieren. Da braucht es einiges an Geld, aber auch personelle Ressourcen.
Aber vielleicht haben die Autokonzerne ja ausreichend Kapital, um all diese Herausforderungen zu meistern und gleichzeitig noch hohe Dividenden auszuschütten? Schließlich fahren sie hohe Gewinne ein – wenngleich zum Teil auf Staatskosten.
Kritik an staatlichen Verkaufsprämien
Dann aber stellt sich Oliver Falck vom Ifo-Institut die Frage, weswegen es noch staatliche Subventionen in Form von Verkaufsprämien für Elektroautos und vor allem für Hybridfahrzeuge geben sollte. „Das sind die margenstarken Autos, ich muss keine Rabatte gewähren, warum brauche ich dann tatsächlich noch eine staatliche Kaufprämie?“
Zumal umstritten ist, wie umweltfreundlich Hybridfahrzeuge tatsächlich sind. Denn diese Autos können sowohl mit Strom als auch mit Sprit gefahren werden. Nur wenn der Elektromotor eingeschaltet wird, sinkt der Spritverbrauch. Ist dagegen überwiegend der konventionelle Verbrennungsmotor im Einsatz, steigt der Verbrauch sogar, weil die Autos zusätzlich zum Verbrenner schwere Batterien mitbefördern müssen.
Trotzdem werden die sogenannten Plug-in-Hybride weiterhin mit staatlichen Kaufprämien gefördert. Darauf hatten die deutschen Autokonzerne gedrängt, weil ihr Angebot an reinen Elektroautos noch sehr überschaubar ist. Auch das ein Thema, zu dem kritische Aktionäre ihren Unternehmen auf den Hauptversammlungen einige Fragen stellen dürften.