Literatur auf Knopfdruck
Ein Automat, der Kurzgeschichten ausspuckt - diese Erfindung will das französische Start-up "Short Edition" zum Exportschlager machen. Ähnlich wie Getränkeautomaten sollen die Geräte an öffentlichen Plätzen aufgestellt werden. In Grenoble wurde die Innovation nun vorgestellt.
"Das ist ein erstaunlicher Automat, ohne Bildschirm, nur mit drei Knöpfen für eine, drei oder fünf Minuten Lektüre. Wenn Sie draufdrücken, kommt ein Ticket heraus, acht Zentimeter breit und 30 bis 90 Zentimeter lang."
Der "Kurzgeschichtenverteiler" sieht elegant aus. Ein orangefarbenes Schaltpult in einem Meter Höhe wirkt benutzerfreundlich und auf der windschnittigen Glasscheibe kann man einfach per Knopfdruck wählen: eine, drei oder fünf Minuten Lesezeit. Aus einem orangefarbenen Spalt kommt dann ein Papier – es sieht aus wie ein längerer Kassenzettel. Auf dem steht eine Geschichte in der gewünschten Länge.
Christophe Sibieude ist einer der vier Gründer des Start-up-Unternehmens "Short Edition". Seit fünf Jahren schon bringt er auf einer Webseite im Internet Kurzgeschichten unters Volk. Nun will er den öffentlichen Raum kultivieren. Der 50-Jährige rückt seine grün-rosa-lila Brille zurecht und erinnert sich:
"Eines Tages standen wir vor einem Automaten mit Getränken und Schokoriegeln und sagten uns: Und wenn da Geschichten drin wären? Wir haben die Idee vertieft und einen Prototypen gebaut. Die ersten acht Automaten stehen nun in Grenoble als Pilotprojekt, im Rathaus, im Tourismusbüro, in drei Sozialämtern und in drei Bibliotheken."
Ein sympathische Alternative zum Smartphone
Sie lese gerne und finde das Konzept lustig, meint eine 22-jährige Werbefachfrau. Ihre Freundin findet den Automaten "eine gute Idee, um sich während der Wartezeit zu beschäftigen". Ein 24-jähriger Student sieht in dem Automaten eine sympathische Alternative zum Smartphone und der digitalen Welt. Aber die Geschichten müssen wirklich interessant sein, sonst schmeißt man das Papier schnell weg, meint er.
"Zimmer mit Aussicht" spielt hier in einem Altersheim, in dem die Senioren um das schönste Zimmer streiten. "Kilimandscharo" handelt von einer Adoption in Kenia; "Mutterinstinkt" von einer von ihrem Söhnchen schwer genervten Mutter am Strand. Die Automatengeschichten müssen kurz und knackig, unterhaltsam und originell sein.
In "Sylvester" erzählt eine Autorin, wie sie ein gemütliches Bad in der heimischen Wanne der Anmache auf Silvesterpartys vorzieht. Ob Krimi, Humor, Romanze, Science Fiction, Fantasy – alle Geschichten kommen aus einem Vorrat von über 30.000 Storys. Sie wurden bereits auf der Webseite von "Short Edition" getestet und für gut befunden. Die Internet-Plattform des Unternehmens bietet Lektüre von rund 10.000 Hobby-Autoren und zählt über 150.000 abonnierte Leser. Besonders erfolgreiche Werke werden auch als Podcast vertont oder in einer alle drei Monate erscheinenden Zeitschrift gedruckt, erklärt Christophe Sibieude. Der Automat ist seine jüngste Offensive im Literaturkampf:
Francis Ford Coppola hat einen Automaten für sein Café gekauft
"Wir versprechen den Autoren nicht, durch uns reich zu werden! Wir versprechen, für ihre Geschichte zu werben, und wir bezahlen sie, wenn wir etwas damit einnehmen. Wenn wir mal 500 oder 800 Kurzgeschichtenautomaten stehen haben, wird der Lohn für den Autor pro Zeichen besser sein als für jemanden, der Romane schreibt."
Bislang läuft es für die Firma gut. Im Laufe des Jahres will die französische Eisenbahngesellschaft schon einmal 30 Bahnhöfe der Bretagne mit dem "Verteiler von Kurzgeschichten" ausstatten. Darüber hinaus gibt es auch erste internationale Kontakte: Ein griechischer Schauspieler hat Interesse angemeldet, und Regisseur Francis Ford Coppola hat einen Automaten für sein Café in San Francisco gekauft.
Und so sieht der Automat aus, der Kurzgeschichten ausspuckt (via Instagram)