Sex, Öl und klassische Musik
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Sein erster Roman "Bonita Avenue" machte Peter Buwalda 2010 schlagartig zu einem der gefragtesten Autoren der Niederlande. Nun ist sein zweiter Roman, "Otmars Söhne", auf Deutsch erschienen. Marten Hahn hat Peter Buwalda in Amsterdam besucht.
Peter Buwalda – hager, schwarze Locken, grüne Trainingsjacke - nimmt am Esstisch seiner Wohnküche Platz, mit dem Rücken zum Fenster. Der Niederländer wohnt seit acht Jahren im Norden Amsterdams. Hier am Esstisch schreibt der Endvierziger seine Kolumnen und Romane. Sein neues Buch heißt "Otmars Söhne". Die Kritiken in den Niederlanden sind hervorragend. Aber die Leser mussten lange auf Buwaldas neuen Roman warten.
Buwalda sagt dazu: "Acht Jahre. Immer wenn ich hier vor dem Haus stand, fragten mich die Leute: Wo ist der zweite Roman? Es war recht stressig, dem gerecht zu werden."
Das liegt auch daran, dass Buwaldas Debüt "Bonita Avenue" ein Riesenerfolg war. Damals ging es um Sex, Lügen und den Untergang einer Patchwork-Familie. In "Otmars Söhne" geht es nun um Sex, Öl und klassische Musik. Expliziter Sex spielt in Buwaldas Romanen eine bedeutende Rolle. Fast immer entfaltet er eine zerstörerische Kraft. Dennoch sagt Buwalda, er sei von Sex nicht besonders fasziniert.
Bücherregale füllen die Wände des Hauses
"Wenn man das zu Papier bringt und so schwarz auf weiß sieht, mag das extrem scheinen" sagt der Autor zu diesem Thema, "aber in jeder Affäre, bei jeder Eifersucht geht es doch um Sex. Das ist nichts Besonderes. Das passiert doch ständig."
Buwalda arbeitete früher als Journalist und als Verlagslektor. Übers obsessive Lesen kam er zum Schreiben. Bücherregale füllen fast alle Wände des Hauses. Buwalda glaubt, es seien die anderen, die das Thema Sex bewusst aus ihren Geschichten fernhalten. Er hingegen lasse den Sex einfach drin.
"Wenn man mit seinen Eltern und mit seinen Freunden über das Leben spricht, oder selbst mit dem Partner oder der Partnerin, dann klammert man Sex häufig aus. Aber in einem Roman läuft das nicht. Da schaue ich schließlich in die Personen hinein. Da geht es um die Innenansicht des Lebens."
Sex gegen Informationen, lautet der Deal
In "Otmars Söhne" knöpft sich eine ehrgeizige Investigativ-Journalistin namens Isabelle Orthel die Öl-Industrie vor. Statt einen mächtigen Shell-Manager um ein Interview zu bitten, beginnt sie ein Verhältnis mit dem Mann. Sex gegen Informationen – so lautet der Deal, von dem das Alphatier nichts weiß. Ihre Recherchen führen Orthel dabei nach Nigeria und auf die sibirische Insel Sachalin.
Buwalda erzählt: "Ich habe einen Freund, der selbst eine Weile für Shell auf Sachalin gelebt hat. Ich dachte mir: Ich komme nicht an Shell ran. Das ist eine Festung. Ich werde dort keine Mitarbeiter interviewen können. Also konzentrierte ich mich auf eine Person und gab einer meiner Figuren die Shell-Karriere meines Freundes. 15 Abende lang haben wir uns unterhalten. Ich habe immer fürs Abendessen bezahlt. Und nun hat Ludwig das Leben meines Freundes."
Ludwig Smit ist die zweite Hauptfigur des Romans. Der neurotische Shell-Mitarbeiter hat selbst eine Rechnung offen mit dem mächtigen Öl-Manager. Er glaubt in dem Mann seinen abtrünnigen, biologischen Vater zu erkennen. Gekonnt verknüpft Buwalda die Leben der drei Figuren; dabei stellt er seine Protagonisten dabei schonungslos bloß. Mit Wonne führt der Autor die Untiefen des menschlichen Denkens und Fühlens vor.
Roman mit psychologischer Tiefe
"Mich interessieren Fassaden", sagt Buwalda. Und fügt hinzu: "Aber nur, um sie dann abzureißen."
Das Ergebnis ist ein Roman mit psychologischer Tiefe, in dem Pathos und Schönheit keinen Platz haben. Ein Roman, der inhaltlich schwer zu greifen ist, aber sprachlich überzeugt. Das langjährige Warten hat sich also gelohnt. Wirklich erleichtert wirkt Peter Buwalda allerdings nicht. Denn "Otmars Söhne" ist nur der erste Teil einer 1800-Seiten-langen Trilogie.
"Seit zehn Jahren denke ich jeden Tag über diese Geschichte nach", sagt Buwalda. "Darüber, wie sich der Plot dieses Monsters entwickelt. Ich weiß mittlerweile mehr über die Leben meiner Figuren als über mein eigenes. Manchmal muss ich sechs, sieben Jahre warten, bis ich eine Szene aufschreiben kann, die mir ganz am Anfang eingefallen ist. Wenn es dann soweit ist, stellt sich ein eigenartiges Glücksgefühl ein."
Nach dem Buch ist also vor dem Buch. Kaum schließt sich die Haustür, sitzt Peter Buwalda wieder am Laptop.