"Manche neoliberale Wendung mag eine zu viel gewesen sein"
07:48 Minuten
Der Autor Steffen Kopetzky war früher selbst Schaffner. Den erneuten Streik der Bahn findet er nervend, hat aber auch Verständnis dafür. Über Jahre habe die Politik die Bahn vernachlässigt und „mit Missachtung gestraft“.
Bahnliebhaber, Ex-Schlafwagenschaffner, Autor: Steffen Kopetzky ist alles in einem. In seinem Buch "Grand Tour" erzählt er die Geschichte eines gescheiterten Studenten, der als Schlafwagenfahrer durch Europa reist. In "Monschau", seinem neuesten Werk, geht es um eine Pockenepidemie in der Eifel der 1960er-Jahre.
"Wen soll ich jetzt beschimpfen?"
Kopetzky ist derzeit auf Lesereise – und als eiserner Fan der Schiene natürlich mit der Bahn unterwegs. Er ist auf dem Weg nach Berlin und steht, wie er sagt, wie viele andere auch vor der Frage: "Wen soll ich jetzt beschimpfen?"
Kopetzky beschreibt eine "zwiespältige Gefühlslage": Er "liebe an der Bahn, dass sie ein absolut zukunftsträchtiges und kleinteiliges Verkehrsmittel ist – das wichtigste unseres Landes und in Europa!" Und er findet, die Politik habe dies zentrale Vehikel in den letzten Jahren nicht so behandelt, wie es ihm gebührt hätte – ja, die Politik habe es "mit Missachtung gestraft". Der Konflikt mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sei außerdem abzusehen gewesen.
Lokführer ist "ein essenzieller Berufszweig"
Als Ex-Schlafwagenschaffner gilt Kopetzkys Verständnis den Lokführern. "Die tragen eine extrem hohe Verantwortung für Menschenleben. Sie haben immer wieder mit den entsetzlichen Szenen zu tun, wenn sich jemand vor den Zug wirft." Er hält sie für einen "ganz wichtigen, essenziellen Berufszweig", ihren Forderungen seien berechtigt.
Bei allem Verständnis sei er gleichzeitig selbst sehr genervt. Als Freiberufler laufe er Gefahr, Aufträge zu verlieren, wenn er nicht rechtzeitig am Einsatzort ankomme.
Der Autor sieht den Staat in der Pflicht. "Manche neoliberale Wendung mag eine zu viel gewesen sein." Die Bahn, das Wasserwesen, Betriebe der Grundversorgung – all das sei früher einmal in staatlicher Hand gewesen. Über Unternehmen wie die Bahn könne man nicht nur in Kategorien von Kosten und Nutzen nachdenken, findet Kopetzky: "Wir müssen sagen, das ist ein Gemeinschaftswerk, wir brauchen dieses Unternehmen, wir müssen es in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit stellen."
Die Politik müsse sich fragen: "Was können wir tun, damit die Bahn ein extrem attraktiver Arbeitgeber ist und extrem gut funktioniert?"
Der Autor sieht den Staat in der Pflicht. "Manche neoliberale Wendung mag eine zu viel gewesen sein." Die Bahn, das Wasserwesen, Betriebe der Grundversorgung – all das sei früher einmal in staatlicher Hand gewesen. Über Unternehmen wie die Bahn könne man nicht nur in Kategorien von Kosten und Nutzen nachdenken, findet Kopetzky: "Wir müssen sagen, das ist ein Gemeinschaftswerk, wir brauchen dieses Unternehmen, wir müssen es in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit stellen."
Die Politik müsse sich fragen: "Was können wir tun, damit die Bahn ein extrem attraktiver Arbeitgeber ist und extrem gut funktioniert?"
(bat)