Das Manuskript zur Sendung finden Sie hier.
Fontane wäre heute Blogger
29:54 Minuten
Da Fontane vom Schreiben leben musste, musste er auf Trends reagieren und Themen mehrfach verwerten. Dafür nutzte er einen Zettelkasten wie heutige Autoren einen Computer. Heutzutage hätte er sicher einen Facebook-Account.
"Eigentlich ist Fontane ein Hemingway seiner Zeit", sagt der Schriftsteller Marcel Beyer über seinen großen Vorgänger. Der Autor von "Effi Briest" und der "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" hat die Literatursprache im 19. Jahrhundert revolutioniert: "Alles andere, was auf Deutsch geschrieben wurde, war ungeheuer bräsig, schwerfällig, kaum mehr verständlich. Und da liegt, glaube ich, seine Arbeit als Journalist, seine Arbeit als Reporter zugrunde."
Theodor Fontanes Schreibstil war von der aufkommenden Moderne geprägt. Er selbst entsprach nicht dem Klischee des einsam in seiner Stube vor sich hin dichtenden Poeten. Der am 30. Dezember 1819 in Neuruppin im heutigen Brandenburg geborene Schriftsteller konnte es sich nicht erlauben, als freier Autor nur seinen literarischen Neigungen nachzugehen. Zwar gab er seinen erlernten und von seinem Vater übernommenen Brotberuf Apotheker schon früh auf, doch musste er sich lange Zeit als Lohnschreiber im Dienste des Staates verdingen.
Er bezeichnete sich selbst als "angestellter Scriblifax" und "Gelegenheitsdichter in Sachen der Reaction" und das, obwohl er eigentlich den freiheitlichen, demokratischen Ideen der "Vormärz"-Bewegung anhing.
Ein Autor mit globalem Blick
Im Journalismus lernte Theodor Fontane, genau zu beobachten und zu beschreiben. "Er ist für mich auch vor allem interessant für seine Wahrnehmung von Räumen, von Stadt, Stadtraum", hebt die Schriftstellerin Kathrin Röggla hervor. "Das hat natürlich auch was von Heimatschriftstellerei und ist gleichzeitig international. Es ist nie nur lokal, sondern er hat immer diesen globalen Blick, das ist sehr faszinierend."
Auch als er in das Feuilleton der liberalen "Vossischen Zeitung" wechselte, war er darauf angewiesen, seine Texte immer wieder anzubieten und zu verkaufen.
"Er nennt es ja auch selbst Romanschriftstellerladen, was er da macht", sagt Iwan-Michelangelo D’Aprile, Verfasser einer neuen Fontane-Biografie. "Er hat nie am Markt vorbei geschrieben, sondern geguckt: Was könnten Formate sein, die ankommen und die ich auch gut ausfüllen kann, und wo ich auch was schreiben kann, was vielleicht originell ist?"
Zettelkasten statt Computer
Da er vom Schreiben leben musste, lernte Fontane, sich dem Markt anzupassen und auf Trends zu reagieren. Und so verwertete er, der zeitlebens als Journalist und Autor arbeitete, seine Themen mehrfach, setzte Handlungsideen und Figuren je nach Bedarf neu zusammen. Für seine literarischen Reisebeschreibungen nutzte er deshalb einen Zettelkasten wie heutige Autoren einen Computer.
Würde Fontane heute leben, hätte er sicher einen Facebook-Account und würde auf Instagram posten.