Alba de Céspedes: "Das verbotene Notizbuch"
Aus dem Italienischen von Verena von Koskull
Insel Verlag, Berlin 2021
302 Seiten, 24 Euro
Eine wahrhaft freie Frau
09:31 Minuten
Die Italienerin Alba de Céspedes war Schriftstellerin, Partisanin und Kämpferin für Frauenrechte. Über die Jahre geriet sie in Vergessenheit. Durch Neuauflagen ihrer Bücher erfährt sie jetzt die Würdigung, die ihr zusteht.
Valeria ist eine Hausfrau Anfang der 1940er-Jahre. Sie lebt mit ihren zwei fast erwachsenen Kindern und ihrem Ehemann in einer bescheidenen Wohnung in Rom und ist mit diesem Leben auch glücklich. Bis sie sich ein Notizbuch kauft, beginnt Tagebuch zu führen und damit eine Art Selbstfindungsprozess startet.
Los geht es mit ihrem Namen, Valeria, den sie groß aufschreibt. Die letzten Jahre war sie nur noch "Mama", selbst ihr Mann nannte sie so. Wohin war Valeria verschwunden? Reicht ihr das Leben, das sie jetzt hat? Will sie nicht doch mehr sein, als Haus- und Ehefrau? Wo bleibt da der Platz für sich selbst?
Für Verena von Koskull, die den 1952 erschienenen Roman jetzt neu übersetzt hat, weist die Gesichte von "Das verbotene Notizbuch" weit über die Nachkriegszeit hinaus. Denn obwohl die beschriebenen Verhältnisse natürlich stark im Kontext des Italiens der 40er-Jahre stehen, empfindet sie Probleme, die aufgezeigt werden, als nach wie vor aktuell.
Kämpferin gegen den Faschismus
Das passt auch zur Vita der Autorin Alba de Céspedes. Sie wurde 1911 in Rom geboren und starb 1997 in Paris. Während des italienischen Faschismus war sie aktiv im Widerstand, sprach im Partisanenradio und saß zwei Mal im Gefängnis. Später ging sie nach Frankreich und kämpfte dort für die Studentenbewegung. Zudem habe sie gegen viele Konventionen verstoßen und provoziert, einfach weil sie Dinge tat, die sie für richtig hielt, so Koskull:
"Was mich an Alba de Céspedes sehr beeindruckt, ist, dass sie mir als wahrhaft freie Frau erscheint. Ein wirklich freier und befreiter Mensch, auch abgesehen von dem Kampf gegen den Faschismus oder von der Überwindung tradierter Frauenrollen."
Doch in Italien sind ihre Werke oft als "Hausfrauen-Literatur" abgestempelt worden. Ihr Verlag druckte kitschige Klappentexte auf die Bücher, was die Autorin sehr verärgerte. Gleichzeitig hatte Céspedes auch viele Fürsprecher im italienischen Kulturbetrieb, sagt Koskull. Sie war Gründerin einer der wichtigsten Kultur- und Literaturzeitschriften, "Mercurio", wo sie unter anderem Hemingway und Moravia veröffentlichte.
Endlich Geltung, die ihr zusteht
Trotzdem sei sie selbst in ihrem Heimatland über die Jahre völlig in Vergessenheit geraten. Es gebe, bis auf eine Ausnahme, keine Neuauflagen ihrer Werke, was sich erst jetzt ändere. Das geschieht im Zuge des Trends der Wiederentdeckung von Frauen der Literaturgeschichte, so Koskull:
"Literatur ist seit jeher, genau wie in den bildenden Künsten, sehr männlich geprägt, und das ja bis heute. Absurderweise sind aber die Konsumenten von Literatur, gerade von schöner Literatur, zumeist Frauen gewesen. Und es lässt sich in den letzten Jahren beobachten, dass es eine verstärkte Aufmerksamkeit für weibliche Stimmen und eine weibliche Sicht auf die Welt gibt. Diese Tendenz ist vielleicht auch eine reflexive Wegbereitung, den Autorinnen, die vor langer Zeit geschrieben haben, zu einer Geltung zu verhelfen, die ihnen absolut zusteht und sie als das zeigt, was sie sind: Nämlich als großartige Schriftstellerinnen, die große Literatur geschrieben haben."