"Schwarz sein ist nicht gleich ein Opfer sein"
"Anleitung zum Schwarzsein" heißt das Buch, das Anne Chebu für junge Schwarze in Deutschland geschrieben hat. Darin beschreibt sie, wie sie sich ihrer eigenen Hautfarbe bewusst geworden ist. Gerade weil sie selbst Alltagsrassismus erfahren hat, warnt sie davor, Menschen auf die Opferrolle zu reduzieren.
Man kann sich aktiv als Opfer fühlen und sich selbst als solches bezeichnen. Oder man wird passiv zum Opfer gemacht – aufgrund bestimmter Eigenschaften, die man nicht unmittelbar beeinflussen kann: Die Herkunft, das Aussehen, die Hautfarbe. Ob man den Opferbegriff in diesen Situationen für sich reklamieren will oder nicht, scheint dann nicht mehr in der eigenen Hand zu liegen. Er wird einem von Außen auferlegt. Die Autorin Anne Chebu findet es deshalb wichtig, einen Menschen nicht auf eine Opferrolle zu reduzieren, sondern den Begriff kontextabhängig zu verwenden:
"Für mich ist ein Opfer letztendlich jemand, der nicht selbstverschuldet in eine Situation gerät und darunter irgendwie leidet. Das bedeutet für mich nicht, dass wenn ich jetzt Opfer von Rassismus werde, zum Beispiel am Arbeitsplatz, dass ich in meinem ganzen Leben ein Opfer bin. Ich kann trotzdem ein erfolgreiches Privatleben haben oder glücklich sein, bin aber explizit in einer Situation Opfer geworden."
Wenn Menschen zum Opfer von etwas werden – zum Beispiel Rassismus oder Sexismus – erleben sie eine Form von Ohnmacht. Gerade deshalb sollten sie nicht auf ihre Opferrolle reduziert werden, sagt Anne Chebu:
"Ich sage jetzt nicht, ich bin ein Opfer, weil ich schwarz bin. Um Gottes willen! Auf gar keinen Fall! Ich denke, es ist wichtig, dass man ein ausgeglichenes Bild hat. Dass man zum Beispiel in den Medien schwarze Menschen nicht nur als Opfer von Rassismus darstellt oder als Opfer von Armut. Sondern dass man zeigt, es gibt diese Fälle aber es gibt auch ganz andere Menschen. Es gibt auch ein Bild schwarzer Menschen, die kraftvoll etwas schaffen und in afrikanischen Ländern gibt es genauso Start-Ups oder tolle kreative Köpfe. Ich glaube es ist wichtig, dass das dann ein ausgeglichenes Bild ist."
Wenn Ausländer Ausländerwitze machen
In seinem Buch "Moral für Dumme" schreibt der schwarze Comedian Marius Jung gegen sprachliche Political Correctness an. Ein anderes Buch von ihm heißt sogar "Handbuch für Negerfreunde". Anne Chebu kann dem satirischen Umgang mit Rassismus jedoch nur wenig abgewinnen.
"Ich finde, das ehrlich gesagt, immer ein wenig schwierig. Rassismus und Satire passen für mich nicht zusammen. Es gibt Humor, der funktionieren kann. Es ist aber wirklich eine ganz, ganz schmale Gratwanderung. Was mir oft aufgefallen ist, vor allem im deutschen Kontext ist, dass das immer in eine Richtung abdriftet. Das sind dann ich sag jetzt mal die 'klassischen Ausländerwitze', nur dass sie vom Ausländer selbst gemacht werden. Und dann darf der weiße Deutsche auch endlich herzlich darüber lachen."
Gelungen findet Anne Chebu hingegen die Coverversion "Ich bin schwarz" der der HipHop-Sängerin Nunu. In ihrem Song singt die Berlinerin selbtbewusst:
"Was willst denn du mit deinem Rassenhass, ich bin lieber schwarz als todesblass. Ich bin schwarz, ich bin schwarz, ich bin schwarz."
Das Schwarzsein nicht automatisch mit Opfersein gleichgesetzt wird, ist Anne Chebu sehr wichtig:
"Als schwarze Person sehe ich mich als ganz normaler Mensch. Und ich mach natürlich manchmal blöde, schreckliche Erfahrungen, wenn es um das Thema Rassismus geht oder – ich jetzt als Frau – um das Thema Sexismus. Und in diesen Fällen bin ich dann mal das Opfer. Es gibt auch Fälle, wo ich es schaffe in dieser Situation aus der Opferrolle herauszugehen, durch einen Spruch oder so den anderen vielleicht bloß zu stellen."
(mw)