"Sex ist eine Dienstleistung geworden – nicht nur im Puff"
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"La Maison" heißt der Roman von Emma Becker. Dieses "Haus" ist ein Bordell in Berlin, in dem die französische Schriftstellerin zwei Jahre arbeitete. Sie habe diese Erfahrung unbedingt machen wollen, denn Prostitution habe sie immer fasziniert.
Der Ort der "maison close" (das geschlossene Haus) sei so oft in der französischen Literatur anzutreffen, dass sich die Autorin Emma Becker vornahm, für ihren nächsten Roman dort zu recherchieren: "Ich habe gedacht, ich muss unbedingt da arbeiten, um zu wissen, was so eine Frau da wirklich macht."
Nach einer sehr schlechten Erfahrung mit Zuhältern in einem anderen Bordell fand Becker tatsächlich so etwas wie ein "Freudenhaus", in dem sie gern arbeiten wollte. Dort habe es Freundlichkeit zwischen den Frauen und gute Bedingungen gegeben, keine Gewalt, zudem hätten die Sexarbeiterinnen auch "Nein" sagen können.
"Justine" war ihr Name in dem Bordell, was man als Anspielung auf einen Roman des Marquis de Sade lesen kann. Der Beruf der Prostituierten sei sehr interessant für eine Schriftstellerin, da es um Fiktionalisierung ginge:
"Eine Frau sein, das hat auch einen Riesenteil Fiktion. Ich habe in meinen Büchern immer etwas, was wir im Französischen ‚autofiction‘ nennen. Das heißt, es ist meine Geschichte, aber ich wurde selbst zu meiner Hauptfigur."
Sie will fernsehen, er will Sex
Kompliziert wird es allerdings für "Justine" nach der Arbeit, wenn zu Hause der Freund wartet und auch Sex will. Sie wünscht sich hingegen nur noch Jogginghose, Pizza und eine Fernsehserie:
"Die Sexarbeiterin muss das in ihrem Kopf trennen, alle Freier sind irgendwie gleich, das ist Arbeit. Dann zu Hause muss man noch mal lebendig sein und alles empfinden. Das macht man natürlich nicht so leicht. Mit diesem Stigma muss man leben."
Hat sich ihr Blick auf die Männer verändert?
"Irgendwie nein, denn ich wusste schon vorher, wie zerbrechlich und empfindlich die Männer sind. Wenn man diesen Beruf macht, hat man Mitleid mit dem Kunden, aber irgendwie wird man auch strenger und in meinem Fall mehr Feminist als vorher."
Das eigene Begehren
Die Männer machten sich, so Becker, oft falsche Vorstellungen von der angeblichen "Heiligkeit" der weiblichen Sexualität. Sie würden denken, dass Penetration Frauen verändern würde.
Ihre eigene Sexualität habe sich durch die zwei Jahre im Bordell verbessert, weil sie gelernt habe, dass ihre Lust und ihr Begehren wichtiger seien als die Lust der anderen. Die Männer würden sich auch im normalen Leben manchmal wie Kunden benehmen. Daher sei Sex oft zu einer Dienstleistung geworden – "nicht nur im Puff, sondern auch in Ehepaaren oder in Beziehungen".
(cre)