Mit Nawalny im Kampf gegen die Korruption
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Seit 2014 ist Kyra Jarmysch die Pressesprecherin des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Nun ist ihr Debütroman "DAFUQ" auch auf Deutsch erschienen. Mit Nawalnys Team arbeitet sie an neuen Enthüllungen über die Korruption in Russland.
Je heftiger der russische Staat seine Kritiker bekämpft, desto mehr motiviert er die klügsten Köpfe, sich ihm entgegenzustellen. Kira Jarmysch schlug sich auf die Seite der Opposition, als sie von dem kafkaesken Gerichtsverfahren gegen Alexej Nawalny erfuhr.
"Bis 2013 hat mich Politik nicht so interessiert, aber ich verfolgte den Kirow-Les-Fall gegen Alexej Nawalny, in dem er angeblich Holz gestohlen haben soll und zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Ich war so empört, dass ein unschuldiger Mensch ins Gefängnis soll, dass ich mit für seine Freilassung demonstrierte. Und als er tatsächlich entlassen wurde, hatte ich das Gefühl, dazu beigetragen zu haben, wenn auch nur ein wenig. Das war so großartig, dass ich dann als Freiwillige in seinem Wahlkampf um das Bürgermeisteramt von Moskau mitarbeitete."
Siegerin der Intelligenz-Olympiade
Die 32-Jährige mit dem langen dunklen Haar sitzt an einem geheimen Ort am PC. Sie ist neben Dimitri Peskow, der Stimme von Präsident Putin, die bekannteste Pressesprecherin Russlands. Eine Überfliegerin schon vor der Universität: Weil sie bei der landesweiten Intelligenz-Olympiade siegte, durfte sie ohne Aufnahmetest an der Moskauer Diplomatenschmiede studieren.
Sie wählte Internationale Öffentlichkeitsarbeit und entdeckte 2014 eine Stellenausschreibung als Pressesprecherin in Nawalnys Antikorruptionsstiftung. Doch es dauerte Monate, bis sie ihren neuen Chef zu Gesicht bekam, denn er stand gerade unter Hausarrest.
Ihr erster Arbeitstag vor sieben Jahren begann im Gericht, beim Verfahren, das in diesem Frühling zu Nawalnys Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Lagerhaft führte. Der wirkliche Grund waren mutmaßlich vielmehr die regelmäßigen Enthüllungsvideos der Stiftung, zuletzt über einen neuen Palast am Schwarzen Meer, der Putin gehören soll, weshalb der Korruptionsjäger verschwinden musste.
Plötzlich brach Nawalny neben ihr zusammen
Dessen Arbeit sei friedensnobelpreiswürdig, lobte Dmitri Muratow. Der Chefredakteur der unabhängigen Zeitung "Nowaja Gaseta" sagte, er hätte Alexej Nawalny vorgeschlagen, wäre er im Nobelpreiskomitee. Muratow, der stattdessen den Preis mit der philippinischen Kollegin Maria Reeza bekommt, begründete seinen Gegenvorschlag.
"Ich hätte für ihn gestimmt", sagt er hier bei Eucho Moskau, "wegen seines ungeheuren Mutes, vor allem aber seiner begnadeten Ironie. Und seines Sarkasmus sich selbst gegenüber. Er hat den Kampf gegen die Korruption aus den Medien herausgeholt und daraus ein politisches Instrument gemacht. Das ist ungeheuer interessant."
Und riskant. Wie sehr, erlebte Kira Jarmysch am 20. August 2020 auf dem Flug von Tomsk nach Moskau, als ihr Boss plötzlich neben ihr kollabierte. Dass es nach Nawalnys Nowitschok-Vergiftung auch für sie als dessen Sprecherin gefährlich werden könnte, hat sie nicht befürchtet: "Weil ich nie selbst für ein politisches Amt kandidieren möchte."
Ein Roman über den russischen Strafvollzug
Das bewahrte sie aber nicht vor Festnahmen, Polizeirazzien und Hausarrest. Sieben Monate war ihr die Benutzung von Telefon und Internet untersagt, durfte sie niemanden außer ihren Anwalt treffen und die Wohnung, in der sie allein lebt, nur eine Stunde am Tag zum Einkaufen verlassen. Ihr Vergehen: Aufruf zu unerlaubten Protesten.
Zweimal erlebte sie den russischen Strafvollzug von innen und schrieb ein Buch darüber. Ein Roman voller Wärme und Witz über ihre Mitgefangenen, deren Vergehen, ihre Vorlieben für beide Geschlechter, Selbstmordversuche. Das könnte ihr schon bald wieder eine Anklage einbringen:
"In Russland hat es schon drei Auflagen, aber die Kehrseite der Popularität meines Buches ist, dass die Justizorgane es gerade prüfen – auf Propaganda für Homosexualität, Suizid und Drogen. Gut möglich, dass sie es verbieten. An Resonanz darauf fehlt es nicht."
"Unsere Aufgabe ist, Korruption zu bekämpfen"
Zwar endete ihre Tätigkeit in der Nawalny-Stiftung, als diese von der russischen Justiz zur extremistischen Organisation erklärt wurde. Aber das Team arbeite weiter an neuen Enthüllungen. Die meisten wie Kira Jarmysch an einem geheimen Ort im Ausland.
"Unsere Arbeit unterscheidet sich grundlegend von der journalistischen Arbeit. Auch wenn es auf den ersten Blick Ähnlichkeiten gibt. Wenn jemand ein Dieb ist, beweisen wir das anhand von Dokumenten. Wir nennen die Dinge beim Namen, schwächen die Wahrheit nicht ab. Das ist ein großer Vorteil im Vergleich zu den Journalisten, für die ein anderes Berufsethos gilt, die immer auch die andere Seite zeigen müssen. Das müssen wir nicht, denn unsere Aufgabe ist es, die Korruption aufzudecken und zu bekämpfen. Wir sagen, dass jemand korrupt ist, wenn er es ist."