"Es war selbstverständlich, jeden Tag Angst zu haben"
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Als schwarzes Mädchen in Thüringen gehörte für Olivia Wenzel Rassismus zum Alltag. Sie war schüchtern und unsicher, aber schon immer kreativ: "Das Theater war meine Rettung", sagt die Autorin, die im März ihren ersten Roman veröffentlicht hat.
In Olivia Wenzels Buch "1000 Serpentinen Angst" geht es um eine junge, schwarze, in der DDR geborene Frau, die über ihr Leben, ihre Familie, Rassismus und Privilegien nachdenkt, die um die Welt reist und Fragen an sich selbst beantwortet.
Wenn Wenzel um eine Inhaltsangabe gebeten wird, fällt ihr eine Antwort schwer - weil es keinen "klassischen Plot" gibt, nicht linear erzählt wird. "Ich arbeite dann lieber mit Schlagworten und sage Sachen wie Rassismus, Schwarzsein, Weißsein, Deutschland, Ostdeutschland, Snackautomat, Schwangerschaft, DDR, Erinnerungen, Fotografien."
Die Parallelen zur eigenen Person sind nicht zu übersehen: "Es ist zum großen Teil ein ziemlich persönliches Buch. Ich habe viel daran gelitten, das zu schreiben." Ein Auslöser dafür, den Roman zu verfassen, ist ein USA-Aufenthalt 2016, zur Zeit der Wahl von Donald Trump. Dort trifft Wenzel auf viele schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner, die entsetzt und verzweifelt über dessen Sieg sind.
Und sie stellt fest, dass sie von diesen zwar freundlich aufgenommen wird, aber trotz der eigenen schwarzen Hautfarbe nicht wirklich dazu gehört, weil sie einen völlig anderen Hintergrund hat. So reflektiert es auch ihre Romanheldin: "Sie merkt, dass sie eine Touristin in dieser Blackness ist."
Theater als Anker
Formal ist das Buch stark vom Theater geprägt: "Dialoge liegen mir erstmal mehr. Ich höre immer erst mal Stimmen, wenn ich anfange, etwas zu schreiben, ehe ich Handlungsabläufe schildern kann."
Schon mit 16 Jahren spielt sie Theater und verfasst mit Freundinnen und Freunden sogar ein eigenes Stück, das zu den Thüringer Theatertagen eingeladen wird. Darauf sind die Jugendlichen sehr stolz. Vorher, so Wenzel, habe sie kein großes Selbstbewusstsein gehabt:
"Ich war als Kind megaschüchtern. Das hat sich dann ein bisschen geändert, als ich angefangen habe, Theater zu spielen. Bis heute denke ich, das war meine Rettung, mein Anker."
Am liebsten ist sie in der Gemeinschaft kreativ. Ein guter Kontrast zum Schreiben am einsamen Schreibtisch ist für Wenzel die Musik. Einige Zeit sang sie in einer Band, veröffentlichte dann Songs im Duo als Otis Foulie:
"Als ich noch studiert habe, dachte ich, ich müsste mich irgendwann mal für eines entscheiden. Aber jetzt weiß ich, dass die Sachen gar nicht konkurrieren, sondern sich gegenseitig gut tun. Wenn ich zum Beispiel erschöpft bin vom Schreiben und mich dann ans Klavier setze und einen kleinen Song schreibe, kann ich mich entspannen, und dann kann ich auch wieder anders weiterschreiben."