Autorin Terézia Mora über Ungarn

Kulturkampf in den Schulen

07:50 Minuten
Die Autorin Terezia Mora blickt am Rande der Verleihung des Deutschen Buchpreises 2013 in die Kamera. Sie hat ein schwarzes Shirt an und schulterlange braune Haare. Sie trägt einen goldenen oder messingsfarbenen Ohrhänger.
Die Autorin Terezia Mora: Die Leute regen sich nicht auf, Fidesz wird gewählt. © picture alliance / dpa | Arne Dedert
Moderation: Joachim Scholl |
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Die ungarische Fidesz-Partei hat hart in die Lehrpläne der Schulen eingegriffen: Nationalistische Autoren aus dem 19. Jahrhundert sind nun Pflichtlektüre. Wer dies wie die Lyrikerin Krizstina Toth kritisiert, wird dafür attackiert.
Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán hält wenig von den demokratisch-freiheitlichen Grundwerten eines liberalen Europas. Ganz entschieden greift sie in die Lehrpläne der Schulen ein. Zeitgenössische Literatur ist tabu. Sogar der ungarische Literaturnobelpreisträger Imre Kertész und sein "Roman eines Schicksalslosen" wurden aus dem aktuellen Lehrplan entfernt.
"Stattdessen müssen die Kinder das gesamte Lebenswerk von Ferenc Herczeg lesen, den kein Mensch kennt", sagt die in Deutschland lebende ungarische Autorin und Übersetzerin Terézia Mora. Forciert werde auch die Lektüre der Texte von Albert Wass, ein bekennender Antisemit.
Die Schriftstellerin berichtet zudem vom Kontakt zu einer Lehrerin ihres früheren Gymnasiums in Ungarn. Diese habe ihr gesagt, dass sie nicht wisse, wie sie solche Bücher unterrichten solle, ohne die Kinder zu indoktrinieren.

Schmutzkampagne und Body Shaming

Hintergrund des Gespräches mit Terézia Mora sind Attacken gegen die ungarische Lyrikerin Krizstina Tóth, die in einem Blog Bücher empfohlen und die ungarische Schulbuch-Auswahl in einigen Fällen kritisiert hatte. Tóth wurde vergangene Woche unter einer Schmutz- und Hasslawine förmlich begraben. Lanciert wurde die Kampagne nicht nur im Netz, sondern auch von öffentlichen Medien.
"Schon seit Jahren geht das so, dass anhand irgendwelcher Ereignisse oder Aktualitäten einzelne Personen angegriffen werden. Die offiziellen Medien haben ja ihre Bluthunde", sagt dazu Terézia Mora.
Von Krizstina Tóth würden unvorteilhafte Fotos verbreitet. Sie sehe sich Body Shaming ausgesetzt - nach dem Motto 'Sie kann nicht recht haben, weil sie hässlich ist'. Zudem habe Tóth ein Roma-Mädchen adoptiert, was ihren Kritikern missfalle.

Keine Hoffnung auf Veränderung

Orbáns Fidesz-Partei habe sich zu einem Kulturkampf entschlossen: Dafür "eignen sich Schulen, wo die Kinder keine Chance haben, natürlich am ehesten", so Mora.
In die Ungarn setze sie keine großen Hoffnungen, "weil es ihnen offensichtlich total gefällt, was die Fidesz macht".
Die Bürgerinnen und Bürger des Landes würden sich nicht einmal über ihr marodes Gesundheitssystem oder die Korruption im Land aufregen: "Ab welchem Punkt werden sie sich dann darüber aufregen, welche Literatur unterrichtet wird?"
(huc)
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