"Erschreckt hat mich der krude Rassismus"
Die Schriftstellerin Ulrike Draesner lebt derzeit in Oxford und lehrt an der dortigen Elite-Uni. Beunruhigt habe sie die Demagogie der Brexit-Befürworter - und ihre Lügen. Sie erzählt, wie sich das Leben nach dem Brexit in der Wissenschaftler-Community geändert hat.
Über die Folgen des Brexits für den Kultur- und Bildungsbereich wird seit Wochen diskutiert. Von einer drohenden Massenabwanderung ausländischer und auch britischer Wissenschaftler ist immer wieder die Rede – aus Sorge, über ihren jetzt möglicherweise ungeklärten Status und um die Weiterfinanzierung von Forschungsvorhaben.
Die Schriftstellerin und Übersetzerin Ulrike Draesner lebt und arbeitet derzeit an der Universität Oxford. Sie sagt, die Briten würden das Thema eher indirekt ansprechen – etwa indem sie davon redeten, für ihre Kinder irische oder europäische Pässe zu beantragen.
Von Fluchtgedanken könne man aber nicht unbedingt sprechen:
"Ich denke, das sind verschiedene Ebenen: Auf der Forscherebene geht es dann eher darum, wie man den Geldfluss organisiert. Gerade in den Naturwissenschaften – da laufen ja große, europäische Projekte. Da macht man sich Sorgen, wie sich das in Zukunft entwickelt, aber versucht natürlich auch, sich noch einmal anders aufzustellen."
Wer kann sich das Studium noch leisten?
In Bezug auf die Studierende gelte die Sorge in Oxford vor allem einer zu erwartenden starken Verteuerung des Studiums für EU-Bürger. Studierende aus der EU hätten bislang genauso viel zahlen müssen wie junge Briten. Viele könnten nun durch den Anstieg der Studiengebühren abgeschreckt werden, sagt Draesner.
Erschreckt habe sie, welche Entwicklung die Brexit-Kampagne vor der Abstimmung genommen habe. Dies habe sich auch an den Postwurfsendungen ablesen lassen, die die Kampagnen für und gegen den Brexit verteilten und die auch in ihrem Oxforder Briefkasten gelandet seien. Diese seien zunächst ganz sachlich gewesen.
"Doch je näher das Referendum rückte desto demagogischer wurden diese Sendungen. Und ich bekam sehr viel mehr von den Brexit-Befürwortern als von den Gegnern. Und mein Gefühl wurde zunehmend unsicher und schlecht."
Sie habe gespürt, dass sich "etwas zusammenbraut".
Professionell - und rassistisch
Die groben, zum Teil auch rassistischen Töne, höre man zwar derzeit nicht mehr – "doch heißt nicht, dass sie verschwunden sind. Mich hat die Kampagne wirklich erschreckt. Denn zum einen war sie extrem gut gemacht – ganz professionell. Erschreckt hat mich der krude Rassismus, der da auch zum Ausdruck kam – wie das Europa-Thema mit dem Migrations-Thema verbunden und einfach in einen Topf geworfen wurde."
Mit einfachsten Methoden sei versucht worden, die Ängste der Bevölkerung zu schüren. Zahlen und Fakten seien geschönt oder verfälscht worden. Erstaunlich sei, dass, obwohl schon vor dem Referendum aufgedeckt worden sei, dass einige dieser Zahlen offenkundige Lügen gewesen seien, dies offenbar keine Wirkung auf die Meinung der Bevölkerung gehabt habe.